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    Perfect Match
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Perfect Match

    Die Liebesgeschichte zwischen Steffi Graf und Andre Agassi macht bei Prime Video richtig Laune!

    Von Gaby Sikorski

    Sie sind eines der prominentesten und diskretesten Langzeitpaare der Sportgeschichte. Zum einen Steffi Graf, die stets beherrschte, souverän regierende ehemalige Tenniskönigin, die als bisher einzige Person den „Golden Slam“ (in einem Jahr alle vier Grand Slam-Turniere plus Goldmedaille in Olympia) gewann. Und dann André Agassi, der Paradiesvogel unter den Tennisstars, der auf und neben dem Platz sein Image eines rebellischen Punks pflegte. Die Deutsche aus dem badischen Brühl, und der US-Junge aus Las Vegas, das war auch ein bisschen „The Lady and the Tramp“ – Susi und Strolch auf dem Tennisplatz. Zwei nur auf den ersten Blick komplett unterschiedliche Charaktere, die sich über den Sport gesucht und gefunden haben.

    Florian Gallenberger („Es ist nur eine Phase, Hase“) erzählt in „Perfect Match“ für Streamingdienst Amazon Prime Video die Geschichte dieser Liebe – von der ersten Begegnung bis zum ersten Kuss. Auch wenn der Soundtrack manchmal etwas zu sentimental ist, geht es dabei erfrischend kitschfrei zur Sache. Dabei hilft auch der Ansatz: Die gesamte Story sei frei erfunden, steht dem Film voran – obwohl durchweg echte Namen und reale Schauplätze benutzt werden. Nicht umsonst folgt mit einem leisen Augenzwinkern die Relativierung auf dem Fuße: „Aber es könnte sich auch genauso zugetragen haben.“ So hat „Perfect Match“ nicht den Anspruch, ein Biopic zu sein – es ist ein hübsches Märchen. Manches darin ist verbürgt, manches verkürzt oder zeitlich verlegt. Und vieles ist pure Fantasie – hübsch ausgedacht und noch hübscher anzusehen.

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    Unterschiedlicher könnten sie eigentlich nicht sein: André Agassi und Steffi Graf.

    Zu Beginn stellt Gallenberger zwei Bilder parallel gegeneinander. Da sehen wir die kleine Steffi, die in der Tennishalle von ihrem ehrgeizigen Vater angetrieben wird. Ein paar Tausend Kilometer weiter geht’s dem kleinen André nicht anders. Auch er muss die unbarmherzig aus der Ballmaschine ploppenden Bälle retournieren, während sein Vater ihn zusammenfaltet. Beide Kinder können bald nicht mehr, sie sind völlig erschöpft – aber sie betteln trotzdem selbst darum, weiterzumachen.

    Diese kurze Anfangssequenz sagt so viel über die beiden Hauptpersonen, dass es kaum weiterer Informationen bedarf, um ihren jeweiligen Charakter zu beschreiben: Steffi (Lena Klenke) und André (Toby Sebastian) lieben und leben ihren Sport, sie sind verrückt nach Tennis, und sie stehen unter der Fuchtel ihrer Väter – Steffi noch mehr als André, der fast immer von seinem älteren Bruder Philly (Danny Szam) begleitet wird. Aber noch mehr sind sie selbst vom Tennis besessen. Dass es ein Leben außerhalb von Hotels, Turnierplätzen und Trainingseinheiten gibt, müssen sie erst lernen.

    Punker trifft Gräfin

    Irgendwann ist Steffi zu Hause in Brühl und fragt ihre Mutter (Inka Friedrich), warum ihr Zimmer eigentlich immer noch so aussieht wie das einer Zehntklässlerin. Da geht sie schon auf die 30 zu, ist bereits längst die erfolgreichste Tennisspielerin der Welt. Aber weder sie noch ihr Zimmer ist erwachsen geworden. Dafür spielt sie eine unvergleichliche Vorhand. „The German Robot“, nennt Agassi die Kollegin, als er sie das erste Mal spielen sieht. Er ist eigentlich schüchtern, einer von diesen Jungs, die mit einer großen Klappe ihre Unsicherheit überspielen. Doch als sich die beiden kurz darauf auf der Pressekonferenz zum ersten Mal persönlich begegnen, ist er überrascht von ihrer Schlagfertigkeit und ihrem Humor und sie mag seine „I don't give a shit“-Attitüde.

    Dieses erste Treffen spielt im Jahr 1991, als beide längst Stars sind. André ist der Bad Boy der Tenniswelt, der auf dem Platz und außerhalb gern seinem Temperament freien Lauf lässt, wie ein Popstar auftritt und sich entsprechend feiern lässt. Steffi wird von ihrem Vater Peter Graf (Michael Kessler) praktisch rund um die Uhr bewacht und behütet. Wenn sie verliert, gibt’s keinen Kuchen. Und wenn André seinen Frust über ein verlorenes Match auf dem Dance Floor wegrockt, gewinnt zur gleichen Zeit die leichtfüßig tänzelnde Steffi ihr Finale.

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    Bei einer Pressekonferenz lernen sich Steffi und André kennen.

    Florian Gallenberger stellt auch diese Bilder gegeneinander. Betonte er am Anfang mit diesem Stilmittel die Gemeinsamkeiten, unterstreicht er nun die Unterschiede: Hier die disziplinierte, zurückhaltende Deutsche, da der nach außen so lässige Tennis-Punk, der zumindest weiß, wie man sich richtig amüsiert. Diese oft auch sehr humorvolle Darstellung von Gegensätzen und Gemeinsamkeiten erzeugt eine angenehm leichte Atmosphäre, die nicht nur gut zu den Hauptfiguren, sondern auch zu diesem sich der klassischen Biographie-Erzählung verweigerndem Film passt.

    Daher rückt bei „Perfect Match“ auch das Tennis in den Hintergrund, was auch ganz gut so ist. Denn so ordentlich die aus der „Fack ju Göhte“-Reihe bekannte Lena Klenke und ihr britischer Kollege Toby Sebastian („Game Of Thrones“) mit ihren Tennisschlägern performen, an den Spitzensport der realen Legenden reicht das selbst nicht heran, wenn Doubles eingesetzt werden. Das ist aber auch zu vernachlässigen, denn viel wichtiger ist: Zwischen den beiden Stars stimmt die Chemie und sie überzeugen darstellerisch.

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    Macht auch mit dem Tennisschläger eine gute Figur: Lena Klenke als Steffi Graf.

    Die auch dank einer Nasenprothese der realen Legende ähnelnde deutsche Schauspielerin hat deutlich mehr Szenen, um Eindruck zu hinterlassen. Sie begeistert vor allem mit ihrer Ausstrahlung: ruhig, kühl, verständig, diszipliniert, ab und an ironisch. Aber auch Sebastians Leistung sollte man nicht unter den Tisch fallen lassen. Er ist sozusagen der ideale Begleiter fürs Klenkes Steffi Graf: Da ist nicht nur eine verblüffende Ähnlichkeit mit André Agassi, sondern er schafft es seine Figur so sympathisch wirken zu lassen, dass man ihn einfach gernhaben muss, selbst wenn er sich danebenbenimmt. So gewinnt die ungewöhnliche Liebesgeschichte der auf den ersten Blick so gegensätzlichen Stars an Glaubwürdigkeit.

    Es dauert allerdings eine ganze Weile, bis sich die beiden tatsächlich näherkommen. Lange begegnen sich immer mal wieder auf verschiedenen Turnieren. Zwischendurch sieht es auch mal so aus, als ob sich was entwickeln könnte. Steffi scheint der niedliche Junge mit der wilden Mähne und den sanften Augen gut zu gefallen. Doch gerade als André sich tatsächlich in Schale geworfen hat, um auf der Wimbledon-Abschlussparty den legendären Siegeswalzer mit ihr zu tanzen, hat sie mit dem Rennfahrer Michael Bartels (Leonard Scheicher) einen Freund.

    Wie in Hollywood: Bei einer Moped-Tour durch Rom funkt's

    Der verschmähte Tennisstar beginnt daraufhin seine mit reichlich Aufmerksamkeit bedachte Beziehung mit Hollywood-Legende Brooke Shields (Bianca Bardoe), die sogar in einer schnellen Hochzeit gipfelt – ein Zusammenhang mit Steffis Beziehung darf im Film vermutet werden. Deutlicher macht Gallenberger aber, dass viel Zeit für Privates ohnehin nicht bleibt. Der jährliche Turnierplan lässt weder André noch Steffi kaum mal einen freien Tag.

    Mitte der Neunziger ist es dann ein Skandal um Steffis Vater, der zum Wendepunkt wird. Der bislang vor allem in komischen Rollen und für Imitationen wie in der ProSieben-TV-Show „Switch“ bekannte Michael Kessler ist einer der vielen Überraschungen des Films. Er spielt diesen Peter Graf zwar recht eindimensional, aber sehr ernsthaft und niemals als Parodie. Er ist ein väterlicher Tyrann, geldgierig und autoritär. Als Steffi es schafft, sich endgültig von ihm abzunabeln, nimmt nicht nur ihre Karriere wieder Fahrt auf. Ein zufälliges Treffen in Rom bringt neue Bewegung in die Love Story … und eine der hübschesten Szenen des ganzen Films:

    Steffi nimmt André auf dem Moped – der Hollywood-Klassiker „Ein Herz und eine Krone“ lässt grüßen – mit zu einem verwunschenen, offenbar längst vergessenen Tennisplatz, den sie von früher kennt. Aus Jux und Dollerei spielen sie ein paar Bälle mit alten Holzschlägern, bis sie sich vor Lachen nicht mehr einkriegen. So stellen sie fest, dass sie miteinander reden können – zwei gar nicht mehr ganz so junge Menschen, die miteinander mal kurz das Erwachsenwerden nachholen und diese Gelegenheit nutzen, um sich zu verlieben.

    Fazit: Schon allein der doppelsinnige Titel verrät, worum es in „Perfect Match“ geht: Hier finden sich nach einigen Irrwegen und längerem Hin und Her zwei verwandte Seelen, die vielleicht wirklich füreinander bestimmt sind. Das ist so leicht inszeniert und gut gespielt, dass einem am Ende der liebenswerte-unterhaltsamen Geschichte auch völlig egal ist, wie viel davon erfunden wurde.

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