Ein Jahr in den klimarettenden Geldstreik
Von Susanne GietlDoku, Spielfilm oder Mockumentary? Regisseur Christoph Schwarz macht sich einen Spaß daraus, sein Leben mit Fiktion so gekonnt zu vermischen, dass am Ende gar nicht mehr klar ist, was wahr ist und was nicht. Sein persönliches Videotagebuch spricht Schauspieler Robert Stadlober ein, dafür spielt aber die ganze Familie mitsamt seiner Eltern mit, sogar Schwarz‘ echter Steuerberater (Miguel Schauer) kommt vor. Christoph Schwarz nennt „Sparschwein“ Meta-Dokumentarfilm und Mockumentary, trotzdem wurde er bei den 58. Filmtagen Hof – u. a. von der Autorin dieser Zeilen, die Teil der dreiköpfigen Jury war – mit dem Kritiker-Preis in der Kategorie „Spielfilm“ ausgezeichnet.
Dass der Preis undotiert ist, erscheint insofern wichtig, als sich Christoph Schwarz mit seinem Film „Sparschwein“ Geld erschleicht. Alles beginnt damit, dass ihn seine Bekannte Judith (Judith Revers) einlädt, ein Thema für das neue ORF-Format „Streikjahre“ beizutragen. Er sagt zu und geht 2021 ein Jahr lang zu Gunsten des Klimas in den Geldstreik. Dass er sowieso pleite ist, weiß der Sender nicht, denn Schwarz hat das Filmbudget heimlich für ein Wochenendhaus verprasst. Deshalb will er bzw. muss er nun einen No-Budget-Film drehen und dafür herausfinden, wie man klimawirksam in den Geldstreik geht. In seinem „ökonomischen Sabbatical“ setzt sich Schwarz mit Kunst, Kapitalismus und Klima-Aktivismus gleichermaßen auseinander. Kleiner Spoiler vorab: Kunst wird eher finanziert als Klimaprojekte, also wird Christoph Schwarz zum Klima-Künstler.
Die Rahmenhandlung mit der ORF-Chefin, die Christoph Schwarz‘ Klimaaktionen anfangs noch als „echt lieb“ belächelt, passt gut in die kalenderartige Erzählung des Geldstreik-Jahres: Während Schwarz sich schon durch Tauschaktionen, Upcycling-Projekte und Food Sharing als Klimaaktivist fühlt, verlangt seine Chefin nach radikaleren Aktionen. Dadurch treibt der ORF-Plot die Handlung voran. Zwei Tage lang drehte das Team die Szenen in der Fake-Redaktion, die Dialoge waren nicht vorgegeben. Bis auf die Chefin Frau Leitner, die von einer Schauspielerin verkörpert wird, treten alle mit echtem Namen auf.
Bisher kennt man Schwarz von Kurzfilmen wie „LDAE“ (2017), wo er das partizipative ORF-Format „Lass die anderen entscheiden“ entwickelt, und „CSL“ (2018), wo er die Christoph-Schwarz-Loge mit Namensvettern gründete. Wie in seinen Kurzfilmen setzt er auf starre Kamerabilder, höchst einmal einen Zoom. Er bleibt seinem Stil treu.
Eine Offstimme (Robert Stadlober) dient als Leitfaden durch das Geldstreikjahr (denn zumindest der Geldstreik ist tatsächlich echt). Dazu kombiniert Christoph Schwarz Videoschnipsel aus echten Klimaaktionen. Da gibt es zum Beispiel den Protest gegen den Lobau-Tunnel in Wien (#LobauBleibt) oder ein Projekt, bei dem Schwarz mit anderen Kartoffeln auf einer Verkehrsinsel angebaut hat („Kreiskartoffel St. Marx“). Das bekannteste Projekt ist wahrscheinlich das „Cabriobeet“. Da ein Parkplatz für Anwohner in Wien zehn Euro im Monat kostet, lässt sich Schwarz ein knallgelbes Cabrio schenken, baut ein Gemüsebeet im Auto an und zahlt die monatliche Parkgebühr. Dass er dafür immer wieder den Parkplatz wechseln muss, weil ein Auto nur ein Auto ist, wenn es mobil bleibt, nimmt er in Kauf.
Die Kamera ließ der Regisseur immer dann laufen, wenn er das Gefühl hatte, dass die Szene relevant sein könnte. Oft lässt Schwarz jemanden sprechen und die Offstimme ergänzt das Gesagte, während die Tonspur leise mitläuft. Manche Szenen drehte Schwarz nach, wenn er mit dem Material unzufrieden war. Dabei trifft er immer wieder auf echte Aktivist*en von „Extinction Rebellion“ und David Sonnenbaum, den Begründer der „letzten Generation“ und „Robin Foods“. Während einige von ihnen zunehmend frustriert sind, sich David Sonnenbaum etwa einen Job in der freien Wirtschaft sucht, um mal richtig Geld zu verdienen, wird Christoph Schwarz immer mehr zum überzeugten Klimaaktivisten. Ein schöner Kontrast.
Besonders unterhaltsam ist Schwarz‘, wenn er seine eigene neue Doppelmoral entdeckt. Stolz im Müll wühlt nur der, der Geldlosigkeit selbst gewählt hat. Sein moralischer Kompass dreht sich, so Schwarz: „Jetzt fühle ich mich wie ein Held, wenn ich Folterfleisch vom Discounter esse und Flugerdbeeren aus Brasilien eine zweite Chance gebe.“ Das Geldkarussell dreht sich weiter. Dem Kameramann, der umsonst für ihn arbeitet, gibt Schwarz den Spitznamen „Gratis-Georg“ (Georg Glück). Verzichtet er auf Geld, müssen andere (für ihn) bezahlen. Eine Freundin nennt ihn deswegen einen „Kompromissclown“. Dass er schließlich zu immer drastischeren Aktionen greift und selbst seine Regiegage symbolisch verbrennt, ruft Bewunderung und Kopfschütteln gleichermaßen hervor. Am Ende ist (fast) alles Fake.
Fazit: Unter dem Deckmantel der Mockumentary rechnet Christoph Schwarz mit viel Wortwitz gnadenlos mit den Absurditäten von Wirtschaft und Politik ab. Klima-Aktivismus ist für ihn kein Spaß – doch in „Sparschwein“ höchst amüsant und traurig zugleich.
Wir haben „Sparschwein“ bei den 58. Filmtagen Hof gesehen.