Zelda-LARP im nostalgischen Sommerlicht
Von Patrick FeyEin Film, der leichter wertzuschätzen als zu mögen sei, schrieb bereits der US-Kritiker David Ehrlich auf Indiewire über „Riddle Of Fire“, den Debütfilm des Amerikaners Weston Razooli. Auf der Habenseite sind da das 16mm-Breitbildformat und die ausgiebigen Opening Credits, die mit ihrem eingängigen Dungeon-Synth-Soundtrack und den fetten, gelben Lettern (nicht unähnlich zu Wes Andersons „Asteroid City“) klassisches Hollywood-Kino evozieren und somit ein großes, filmisches Epos versprechen. Andererseits gerät das im ländlichen Wyoming angesiedelte Abenteuer um das Dreikäsehochgespann Hazel (Charlie Stover), Jodie (Skyler Peters) und Alice (Phoebe Ferro) aufgrund der formelhaften und additiven Erzähl-Struktur schon bald zu einer eher beschwerlichen Odyssee.
Dabei beginnt alles doch so ausgesprochen stilbewusst. Wir werden Zeug*in eines Heists, der effektiv die Tonalität des „Neo-Märchens“, wie Regisseur Weston Razooli seinen Film beschreibt, etabliert. In diesem Cold Open verfolgen wir die durch Skimasken getarnten und mit Paintball-Pistolen bewaffneten Hazel, Jodie und Alice — „The Three Immortal Reptiles“, wie uns ein Zwischentitel informiert — dabei, wie sie mit Offroad-Motorrädern im Mini-Format ein spärlich bewachtes Warenlager anvisieren. Darin befindet sich eine mit dem kryptischen Titel Otomo Angel beschriftete Kiste, die es zu entwenden gilt. Ganz, als handelte es sich um ihr natürliches Habitat, bewegen sich die drei Schlawiner*innen durch die deckenhohen Regalreihen, die sie in Windeseile erklettern, um wenig später die begehrte Box per Seilzug nach unten zu befördern. Der Sicherheitsbeamte, der in dieser Szene genrekonform das Nachsehen hat, wird auf charmante Weise mit ein paar Gummiwürmern abgefrühstückt.
Das Otomo Angel, damit hält Razooli nicht lang hinterm Berg, ist eine neue Spielekonsole, die die drei Freund*innen nicht abwarten können auszuprobieren. Allein, als sie sich nach dem erfolgreichen Abschluss ihres Coups auf dem Wohnzimmersofa einfinden, erweist sich der heimische Fernseher als die eigentlich einzunehmende Festung. Die krank im Bett liegende Mutter hat diesen nämlich mit einem Passwort versehen, um ihre Kinder von der Flimmerkiste wegzulotsen. Es seien schließlich Sommerferien, und was könne es da Schöneres geben, als durch die naturbelassenen Weiten ihrer Kleinstadt zu streifen?
Ribbon, das ist eine fiktive Stadt im bevölkerungsärmsten Bundesstaat der USA, Wyoming. Ihre Wälder filmte Razooli hauptsächlich in Park City, Utah, dem Ort seiner Kindheit. Die Nostalgie, die dem Film unverkennbar eingeschrieben ist, speist sich eben auch aus diesem Umstand. Das Einfamilienhaus etwa, in dem die drei Taugenichtse der alleinerziehenden Mutter einen Deal abringen (zwei Stunden Videospielen für einen Blaubeerkuchen), ist tatsächlich ein Haus, das Razooli noch aus der eigenen Kindheit vertraut ist.
Aber so frisch sich das durch Videospiele inspirierte Drehbuch in seiner Quest-getriebenen Erzählstruktur zunächst auch anlässt, so sehr scheint mit zunehmender Laufzeit das Kalkül durch ein Gros der Szenen. Ist es zu Beginn noch durchaus witzig, wenn die Kinder auf der Jagd nach dem Blaubeerkuchen, nicht unähnlich zu Rollenspiel-Nebenmissionen, von einer Person zur nächsten verwiesen werden.
Wenn ihnen dann aber jede immer nur eine neue Aufgabe stellt, verliert sich die Geschichte bald in blanker Banalität. Fast so, als ginge es nur noch darum, auf die unmittelbaren Affekte des Publikums abzuzielen, setzt Razooli insbesondere im finalen Drittel zunehmend auf mechanische Reaction-Shots und abstruse Wendungen.
Nachdem sich auch die Bäckerin als krank erweist, fällt es den Kindern zu, den von Mutter Julie gewünschten Blaubeerkuchen selbst zu backen. Das Geheimrezept der angeschlagenen Konditorin sieht als Extra-Zutat allerdings noch ein „gesprenkeltes Ei“ vor. Als ihnen im Supermarkt der letzte Eierkarton von Vorstadtganove John (Charles Halford) aus den Händen gerissen wird, folgen sie diesem in ein unscheinbares Haus, das sich jedoch als Hauptquartier der Enchanted Blade Gang herausstellt.
Angeführt von der alleinerziehenden Hexenmutter Anna-Freya Hollyhock (Lio Tipton), streift die Bande, bemächtigt durch magische Rituale, durch die Wälder. Ihre aktuelle Mission: den „Gott des Waldes“, einen majestätischen Hirsch, zu jagen (wer hier an Prinzessin Mononoke denkt, dürfte so falsch nicht liegen, schließlich nannte Razooli den Anime-Meister Hayao Miyazaki als einen seiner wichtigsten Einflüsse).
Wenn sich die Kinder auf dem Truck der Enchanted Blade Gang in Richtung Faery Castle Mountains verstecken, scheint es, als verliere die Geschichte just in jenem Moment an Originalität, da sie an vermeintlicher Tragweite zunimmt. Mit der Einführung der Ganoven (und mit ihnen des Übernatürlichen) erweist sich das Drehbuch fortan von der plötzlichen Komplexität überfordert. Razooli erklärte im Rahmen der Weltpremiere, er habe im Vorfeld des Drehs Zelda-Spiele auf dem Gameboy Color gespielt (was insbesondere in jenen Situationen aufflackert, wenn ein nützlicher Gegenstand in den Besitz der Kinder gelangt und eine Melodie ertönt, ganz wie wenn Link in den Videospielen ein Item aufliest). Nur versucht der Film fortan, den Unterhaltungswert allein aus dem sich stetig auftürmenden Chaos zu ziehen.
Verloren geht bei all diesem Trubel der emotionale Kern, der offensichtliche Vorbilder wie „Stand By Me“ so fest im Coming-of-Age-Kanon verankert. Es reizt sich mit der Zeit schlicht aus, wenn uns die jungen Protagonist*innen einzig durch Paintball-Schüsse und naseweise Dialoge nahegebracht werden. Zudem verkommt der Umstand, dass die Welt von „Riddle Of Fire“ eine gänzlich vaterlose ist, zur bloßen Fußnote. Das Potenzial der kindlichen Psyche hingegen, das sich allzu oft aus der schwer fassbaren Spannung zwischen Naivität und entwaffnender Hellsichtigkeit speist, weiß Razooli nur selten auszuloten.
Solche kindliche Weisheit blitzt etwa auf, wenn die drei Held*innen darüber sinnieren, ob sie eher „hot“ oder „cute“ sein wollen. Oder wenn Hazel seinem kleinen Bruder Jodie davon erzählt, wie er eines Tages mit Alice in der Badewanne gesessen und in diesem Moment beschlossen habe, sie zu heiraten. Doch diese stillen Momente wirken seltsam randständig und erhalten nie die Chance, emotionale Wirkungstreffer zu erzielen. Allenfalls verweisen sie darauf, wohin die Reise für den zweifellos talentierten Weston Razooli zukünftig gehen kann, wenn er seinen Figuren und ihrer Welt den dringend benötigten Raum zum Atmen gestattet.
Fazit: Trotz seiner audio-visuell einnehmenden 16mm-Präsentation und einer sympathischen Ein-Sommertag-wie-im-Rollenspiel-Erzählung kann Razooli mit „Riddle Of Fire“ nur andeuten, was zukünftig wohl noch Großes von ihm zu erwarten sein könnte.
Wir haben „Riddle Of Fire“ im Rahmen der Fantasy Filmfest Nights 2024 gesehen.