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    Only The River Flows
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Only The River Flows

    Serienmörder? Gibt es im Kommunismus nicht...

    Von Thorsten Hanisch

    Ermittler Ma Zhe (wunderbar unaufdringlich vom charismatischen Zhu Yilong gespielt) muss einen Mordfall aufklären. Dabei verliert er sich in seinen labyrinthisch verlaufenden Ermittlungen. Bald verschwimmen Traum und Realität. Ebenso wie Ma Zhe mit fortschreitender Laufzeit von „Only The River Flows“ immer größere Mühe hat, den Durchblick nicht zu verlieren, wird das Publikum des starken Krimi-Dramas iefer und tiefer in einen zwar nicht übermäßig originellen, aber enorm bildgewaltigen und äußerst stimmungsvollen Strudel gezogen.

    Der erste in Deutschland veröffentlichte, aber bereits dritte Kinofilm von Regisseur Shujun Wei ist dabei ein Grenzgänger. „Only The River Flows“ fungiert sowohl als Hommage an Film-noir-Klassiker wie „Chinatown“ wie auch als zwar nicht ausformulierte, aber doch recht deutliche Politparabel, angesichts der man sich doch sehr wundert, dass die chinesische Zensur nichts zu beanstanden hatte...

    Ermittler Ma Zhe versucht Licht ins Dunkeln zu bringen. KXKH Films
    Ermittler Ma Zhe versucht Licht ins Dunkeln zu bringen.

    Ermittler Ma Zhe hat es ohnehin schon nicht leicht: Seine Frau Bai Jie (Chloe Maayan) ist schwanger und nach einer Untersuchung ist klar, dass die Chance groß ist, dass das Kind mit einem Gendefekt zur Welt kommen wird. Bai Jie will nicht abtreiben, er schon. Da wird eine alte Frau, die im Dorf nur Oma Vier genannt wird, ermordet.

    Der Täter scheint schnell gefunden – auch wenn es nur Indizien und keinen einzigen Beweis für seine Schuld gibt. Die kommunistische Partei drängt aber auf einen raschen Abschluss des Falls und da bietet sich der psychisch beeinträchtige Adoptivsohn der alten Frau eben prima als Täter an. Ma zweifelt allerdings und verliert während seiner Ermittlungen immer mehr den Boden unter den Füßen….

    Die triste Welt des Kommunismus

    Die Welt, die Shujun Wei auffächert, ist nicht schön und hat sogar leicht dystopische Züge. Doch wir befinden uns nicht in der Zukunft, sondern im China der 1990er-Jahre: Das Land stand zu jener Zeit unter dem Schock gewaltsam niedergeschlagener Proteste wie dem grausamen Tian’anmen-Massaker von 1989, die wirtschaftliche Lage war mau, die Arbeitslosigkeit hoch, die Stimmung resigniert, verzweifelt.

    Es herrschte eine beklemmende Stimmung, die Wei mit seinen fast pittoresk wirkenden, in gedeckten Farben getunkten, grobkörnigen 16mm-Bildern sehr eindringlich einfängt. Es ist die meiste Zeit finster, permanent regnet es, ständig zieht Zigarettenqualm durch die Bilder, der größte Teil des Figurenpersonals – allen voran Ma – wirkt isoliert, verloren. Und immer wieder gibt es den Druck von oben, den Zwang zur Konformität.

    Die Polizei-Einheit muss aus einem alten Kino ermitteln. KXKH Films
    Die Polizei-Einheit muss aus einem alten Kino ermitteln.

    Mas Einheit wird dementsprechend zu Anfang in ein altes Kino verlegt, ein Verweis darauf, dass die Mordermittlungen letztendlich ein Schauspiel sind, in dem jeder seine die ihm vom Drehbuch zugedachte Rolle zu erfüllen hat. Im von der Partei so perfekt organisierten Kommunismus darf es schließlich keinen Serienmörder geben (eine historische Parallele zur fiktiven Geschichte bietet der Serienkiller Tschikatilo, der im Russland während der 80er-Jahre dank ideologischer Scheuklappen mehr als 50 Menschen töten konnte –ein Fall, der die Öffentlichkeit bis weit in die 90er-Jahre beschäftigte).

    Es passt perfekt zu dieser Leugnung des Bösen, dass Shujun Wei in der ersten Stunde seines zwar sehr ruhig erzählten, dann aber immer wieder mit trockenem Humor überraschenden Drama einen Kriminalfall auffächert, der sich dann allmählich aber im Nirgendwo verliert. Selbst eine vermeintliche Auflösung lässt ahnen, dass wir die ganze Geschichte längst nicht erfahren haben. Weiteres Unheil scheint unter der zu Oberfläche lauern und die Welt, die man rund 95 Minuten lang vorgeführt bekommen hat, ist langsam aber sicher am Erodieren.

    Fazit: Eine etwas sperrige, mit einem Fuß im Surrealismus stehende Mischung aus Film-noir-Hommage und Politparabel, die einem mit ihrer dichten Atmosphäre förmlich umwabert. Auch wenn inhaltlich weniges Neues erzählt wird, saugen einen Zhu Yilongs tolle Performance und die fantastischen, teilweise wie gemalt wirkenden Bilder schnell in diese ungemütliche, auseinanderfallende Welt, in der Beethovens „Mondscheinsonate“ als gespenstisches Leitmotiv fungiert.

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