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    Spuk unterm Riesenrad
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,5
    hervorragend
    Spuk unterm Riesenrad

    Pfiffiger Familienspaß mit Geist(ern)

    Von Gaby Sikorski

    Rummelplatz … das klingt nach Zuckerwatte und Kettenkarussell, Autoscooter und Riesenrad, Schießbude und Geisterbahn. Da klingelt, kracht und scheppert es – und dazwischen die Rufe der Anreißer: „Steigen Sie ein, steigen Sie zu, alles dreht sich, alles bewegt sich!“ Hier werden kleine Träume wahr, freie Auswahl an der Losbude und Karussell fahren, bis das Taschengeld weg ist. Eine Menge Spaß für die Kids und ein Hauch von Nostalgie für die Erwachsenen. Ein solcher Rummel, dazu noch familiengeführt, ist nun auch der Schauplatz von Thomas Stubers „Spuk unterm Riesenrad“.

    Der ebenso humorvolle wie spannende Familienfilm bietet eine Fantasy-Story mit einer Fülle hübscher Ideen, vor allem bei der Gestaltung der zu einem erfreulich hohen Teil handgemachten Effekte. Basierend auf der auch heute noch erstaunlich beliebten gleichnamigen DDR-Kultserie aus dem Jahr 1979, hat das Drehbuch-Duo Die Köbris das moderne Märchen mit viel Witz in die Gegenwart übertragen. Da geht es um einen engagierten Rummelplatzbetreiber, der nach seinem Tod in einem gescheckten Pferdchen mit dem treffenden Namen Punktepony weiterlebt, und um drei Geister, die der Geisterbahn entkommen und fortan in der ganzen Stadt ihr Unwesen treiben. Darüber steht die große Frage: Was wird aus dem Familienunternehmen?

    farbfilm verleih
    Jackels Rummel mag ziemlich heruntergekommen sein – aber das Riesenrad ist trotzdem noch immer ein (nostalgisches) Highlight!

    Der Rummelplatzbetreiber Jackel (Peter Kurth) wollte sich eigentlich noch mit seinen beiden Töchtern versöhnen, aber nun ist er tot. Britta (Katja Preuß) und Simone (Sophie Lutz) haben wenig gemeinsam – abgesehen von ihrer Unlust, das väterliche Geschäft weiterzuführen. Statt in den sonnigen Urlaub geht es für Simone nun zur Beerdigung – und das kommt vor allem bei ihrer Tochter Tammi (Elisabeth Bellé) gar nicht gut an, denn die wollte unter Palmen eigentlich die benötigten Fotos für einen anstehenden Influencer-Wettbewerb schießen. Brittas Kinder Umbo (Noèl Gabriel Kipp) und Keks (Lale Andrä) sind in Tammis Augen kleine Streber – Umbo mit seiner musikalischen Begabung und Keks mit ihrem Organisationstalent.

    Der größte Reinfall aber ist Jackels Rummel, dem man mit viel gutem Willen vielleicht noch einen gewissen Retro-Charme abringen könnte. Aber eigentlich ist er nur ziemlich heruntergekommen. In der ersten Nacht, mitten im Gewitter, kracht dann auch noch der Strommast zusammen, während Tammi draußen gerade nach einem Handynetz sucht. So wird sie Zeugin, wie durch ein übermütiges Stromkabel urplötzlich drei Holzfiguren lebendig werden, die bisher in der Geisterbahn als Dekoration dienten: der Riese (Moritz Führmann), die Hexe (Anna Schudt) und das Rumpelstilzchen (David Bennent) – drei ganz eigene Persönlichkeiten mit, wie sich noch zeigen wird, einem extremen Chaospotential…

    TEMPORUNDE!

    Jackel führt nach seinem Ableben als liebevoll ironischer Erzähler durch die Handlung, die direkt mit dem Gewitter und der Geister-Erweckung startet. „Eine gute Geschichte sollte immer mit einer ordentlichen Temporunde beginnen“, lautet Jackels Kommentar dazu. Da hat er recht! Doch der ebenso temperamentvolle wie augenzwinkernd-komische Start ist nur die Einleitung zu einem Film, der in praktisch jeder Beziehung als gelungen bezeichnet werden kann. Das gilt zunächst einmal fürs Drehbuch mit seinen immer wieder erfrischenden Gags – von denen viele den drei anarchischen bis tolldreisten Geistern zu verdanken sind, die sofort aus der Spur laufen, kaum dass sie zum Leben erwacht sind. Sie machen aus Jackels Beerdigung eine Comedy Show, die ihm vermutlich sehr gefallen hätte – und der Rummelplatz-Test eines möglichen Investors gerät zur absoluten Katastrophe: Wer hätte bloß gedacht, dass sich das alte Riesenrad noch so schnell drehen kann?

    Ein hübsches Detail dabei ist, dass sich die drei außer Rand und Band geratenen Geister nur von Tammi zähmen lassen, die sie – ganz wie es die Verhaltensforschung lehrt – als ihre Mama betrachten, weil sie die erste Person war, die sie nach ihrem Start ins pralle Rummelleben zuerst erblickten. Ausgerechnet die egozentrische Tammi (prima gespielt von Elisabeth Bellé) muss sich also ihrer Verantwortung bewusstwerden, und nicht nur das: Sie merkt, dass es besser und einfacher ist, im Team zu arbeiten statt allein, und dass es nicht immer nur um die eigenen Ziele geht, sondern vielleicht auch darum, sich um drei verwirrte Geister zu kümmern.

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    Plötzlich lebendig: Gemeinsam sorgen der Riese (Moritz Führmann), die Hexe (Anna Schudt) und das Rumpelstilzchen (David Bennent) für jede Menge Chaos.

    Apropos Geister: Anna Schudt, David Bennent und Moritz Führmann sind mit viel Spielfreude dabei. Sie sehen tatsächlich zum Fürchten aus in ihren grotesken Kostümierungen – ganz in Gothic-Schwarz und mit einem wüsten Make-up. Zumindest auf den ersten Blick, denn schon bald zeigt sich, dass die drei unartigen Gespenster eigentlich ganz okay sind, wenn sie ihre magischen Fähigkeiten besser im Griff haben. Dass es nebenbei – und nicht nur für Kinder und Geister – noch um andere Themen geht als um den Rummelplatz und seine Zukunft, also um Familie, Freundschaft, Teamgeist und um die Freude daran, gemeinsam etwas Neues zu schaffen, ist hier zwar allgegenwärtig, jedoch so charmant in eine turbulente Handlung verpackt, dass der Spaß stets im Vordergrund steht.

    Auch als Rummel-Regisseur ein Volltreffer

    Dies und vieles andere ist der Regie von Thomas Stuber zu verdanken: Nach seinem gefeierten Debüt „Herbert“ hat der Regisseur direkt mit dem Berlinale-Hit „In den Gängen“ bewiesen, dass er direkt als Arthouse-Shooting-Star gefeiert wurde. Sein Markenzeichen, nämlich von erstaunlicher Empathie geprägte Milieustudien aus dem Osten Deutschlands, kommt auch in „Spuk unterm Riesenrad“ voll zum Tragen – gedreht an fein ausgewählten Schauplätzen in und um Bernburg an der Saale sowie unterstützt von seinem Lieblingsschauspieler Peter Kurth, der bisher in all seinen Filmen mit dabei war. Aber neben seinen bekannten Qualitäten offenbart er diesmal auch noch neue Talente:

    Dazu gehört ein liebenswürdiger Humor sowie eine überbordende Kreativität, die trotz erfreulich durchgeknallter Ideen ihre innere Wahrhaftigkeit bewahrt. Stuber bringt seine Darstellerinnen und Darsteller mit leichter Hand auf ein hohes komödiantisches Niveau. Das Gelingen des Films hat deshalb viel mit den sorgsam ausgearbeiteten Charakteren zu tun, die von dem gut aufgelegten Schauspielerensemble aufs Unterhaltsamste verkörpert werden – aber auch mit der allgemein warmherzigen Atmosphäre, die den Film durchweht wie ein frischer Wind.

    Fazit: So locker, leicht und lustig, so fantasievoll und intelligent – dieser Film ist einfach gespenstisch gut! Dank der originellen Geschichte, einer gelungenen Gestaltung mit vielen pfiffigen Einfällen sowie dem tollen Cast ein Kinoerlebnis für Groß und Klein – herrlich komisch und gleich in doppelter Hinsicht geistreich!

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