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    Es liegt an dir, Chéri
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Es liegt an dir, Chéri

    (Noch eine) Trennung auf Französisch

    Von Gaby Sikorski

    Nach gefühlt Hunderten Madames und Messieurs in deutschen Titeln französischer Filme sind jetzt offenbar die Chéries bzw. Chéris an der Reihe. Gleichzeitig ist der Trend zur Trennungskomödie im französischen Kino weiterhin ungebrochen: Auf „Adieu Chérie – Trennung auf Französisch“ folgt nun also „Es liegt an dir, Chéri“, wobei die Familiengeschichte mit dem eigentlich ganz hübschen Originaltitel „Nous, Les Leroy“ („Wir, die Leroys“) manchmal eher an „Akropolis, Bonjour – Monsieur Thierry macht Urlaub“ erinnert.

    Noch so ein Monsieur, aber die Ähnlichkeiten zwischen den Filmen beziehen sich tatsächlich auf die Handlung: In beiden Fällen versucht ein Familienvater, seine Ehe zu retten, indem er gemeinsam mit Frau und Kindern die Stätten der Erinnerung aufsucht. Eine „Last Chance“-Geschichte – entweder er kann seine Frau überzeugen zu bleiben, oder sie geht. Und gleichzeitig eine Art Wette, mit einem kleinen Hauch von Idiotie. Denn selbst wenn sie sagt, dass sie bleiben wird, könnte sie ihn natürlich immer noch verlassen. Und umgekehrt.

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    Christophe (José Garcia) will die Versäumnisse ganzer Jahrzehnte mit einem Wochenendtrip wieder wettmachen.

    Aber jetzt erstmal zurück zu „Adieu Chérie“: Christophe (José Garcia) wird vom Trennungswunsch seiner Frau Sandrine (Charlotte Gainsbourg) kalt erwischt. Deshalb schlägt er ein gemeinsames Wochenende mit den beiden pubertierenden Kindern vor, um Sandrine vielleicht doch noch umzustimmen. Er plant eine Tour zu den Stätten familiärer Schlüsselerlebnisse. Die Geschwister Bastien (Hadrien Heaulmé) und Lorelei (Lily Aubry), die schon vorab von ihrer Mama in die Trennungsabsichten eingeweiht wurden, finden es allerdings gut, dass Sandrine ihren eigenen Weg gehen will. Denn eines ist für alle klar: Aus der Beziehung zwischen Sandrine und Christophe ist schon lange sowohl die Luft als auch die Lust raus. Es gibt praktisch keine Gemeinsamkeiten mehr, sie leben aneinander vorbei, und wenn sie miteinander sprechen, dann zoffen sie sich meistens.

    Sandrine hat die Hoffnung aufgegeben, dass sich daran noch irgendetwas ändern könnte, lässt sich aber trotzdem auf den Wochenend-Trip ein, der in die Geschichte der Liebe zwischen Sandrine und Christophe zurückführt. Zu den Stationen gehören unter anderem die erste gemeinsame Wohnung, der Besuch des Kinderspielplatzes, auf dem Christophe Sandrine den Heiratsantrag gemacht hat, und das Restaurant, in dem sie vor 20 Jahren ihre Hochzeit gefeiert haben. Christophe hat für dieses Familienabenteuer diverse Vorbereitungen getroffen. Erwartungsgemäß geht davon einiges schief. Irgendwann sieht es aber tatsächlich so aus, als ob seine Bemühungen von Erfolg gekrönt sein könnten und die Versöhnung nur noch ein Fingerschnippen entfernt ist…

    Authentizität statt Spaß

    Hier kommt also – wie in „Akropolis, Bonjour“ – erneut ein Ehemann im gesetzten Alter daher, der glaubt, wenn er sich nur ein einziges Mal richtig Mühe gibt, könnte er alles reparieren, was in den vergangenen 20 bis 30 Jahren kaputtgegangen ist. Eigentlich ein hübscher, vielleicht nicht unbedingt praktikabler, aber für eine Komödie bestens geeigneter Gedanke … und möglicherweise auch ein spezifisch französisches Männerding? Der auffälligste Unterschied zu „Akropolis, Bonjour“ und anderen Familien-Ehe-Trennungskomödien der letzten Jahre besteht darin, dass der Film sichtbar darum bemüht ist, möglichst dicht an der Wirklichkeit zu bleiben. Florent Bernard, bisher bekannt als Autor von Comedy-Serien und als Co-Autor des tollen Horrorfilms „Spiders – Ihr Biss ist der Tod“, hat sich für sein Regiedebüt offenbar vorgenommen, möglichst authentisch zu bleiben. Das gelingt ihm streckenweise ganz gut.

    Und obwohl das an sich noch kein Qualitätsmerkmal ist, Realismus kann ja Komik auch ausbremsen, gelingt ihm das streckenweise ganz gut: Die beiden Kids kommen dabei am besten weg. Sie sind gut gezeichnet, und Bernard lässt ihnen Raum, ihre Rollen mit Leben zu füllen: Bastien, sympathisch gespielt von Hadrien Heaulmé, hat Probleme mit seiner Freundin, die für ihn deutlich schwerer wiegen als die Trennung seiner Eltern; und Lorelei leidet als angebliches hässliches Entlein unter offenkundigem Seelenschmerz. Lily Aubry spielt das mit auffällig gutem Timing und sehr viel Witz.

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    Charlotte Gainsbourg („Nymphomaniac“) dominiert „Adieu Chérie – Trennung auf Französisch“ nach Belieben.

    Der unumstrittene Star des Ensembles ist aber natürlich Charlotte Gainsbourg. Und obwohl sie in den letzten Jahren vor allem dramatische Rollen verkörperte, macht sie das richtig gut. Sie spielt eine lässig-elegante, sensible Frau, die ihrem Mann haushoch überlegen ist, und zeigt Sinn für Situationskomik, auch in ihrem persönlichen Running-Gag: Sandrine kann keine Getränkedose oder Flasche öffnen, ohne dass der Inhalt in der Gegend herumspritzt. Insgesamt entsteht immer mehr der Eindruck, dass Charlotte Gainsbourg das Zepter in die Hand nimmt, weil José Garcia („Asterix und Obelix im Reich der Mitte“) kein gleichwertiger Partner ist. Und da sind wir beim Dilemma des Films, denn José Garcia ist als Christophe nur mäßig interessant und komisch. Das liegt allerdings mehr am Drehbuch und nicht an dem viel beschäftigten Darsteller, der tut, was er kann. Zudem scheint es, als ob Florent Bernard Sandrine deutlich mehr Aufmerksamkeit und Zuneigung geschenkt hat als Christophe.

    Der hübsche Filmvorspann, der in Kurzfassung die gemeinsame Geschichte von Sandrine und Christophe erzählt, hat da andere Hoffnungen geweckt, die der Film nicht erfüllen kann. Jedenfalls hat Florent Bernard den Familienvater als Unsympath dicht an der Grenze zum Stinkstiefel angelegt. Auch wenn Christophe zwischendurch mal schlaue Sätze sagt („man muss das Vaterbild entheiligen“), ist er beinahe durchgängig ein unsensibler bis aggressiver Typ, der sich aufführt wie ein wildgewordener Foxterrier, der alles und jeden ankläfft. Das mag authentisch sein, aber genügt nicht, um ihn sympathisch zu machen. Wenn Sandrine sagt, dass er schuld am Ende ihrer Beziehung sei, dann glaubt man ihr. Dieser Mann ist zwar optisch durchaus vorzeigbar, aber normalerweise machen Frauen um solche Kerle einen großen Bogen.

    Was die Nebenrollen betrifft, verfolgt Florent Bernard einen klaren Kurs: Alle haben einen an der Waffel, die Nachmieter der alten Wohnung ebenso wie der Straßenmaler, der die Leroys porträtieren soll. Auf diese Weise versucht Bernard ein paar zusätzliche Lacher zu generieren. Das ist akzeptabel, aber ein bisschen zu wenig für eine Komödie, in der die Komik eigentlich vornehmlich aus Alltagssituationen und den Charakteren heraus entstehen sollte.

    Fazit: Charlotte Gainsbourg rettet mit Witz und Intelligenz die Trennungsgeschichte vor dem Absturz in die Belanglosigkeit und macht sich selbst zur Heldin einer Alltagskomödie, die nicht nur in der französischen Mittelschicht spielt, sondern auch sonst in vielen Belangen durchschnittlich bleibt.

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