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    Don't Move
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Don't Move

    Purer Überlebenskampf auf Netflix!

    Von Lutz Granert

    Im Sommer 2023 hat die Schauspiel-Gewerkschaft SAG-AFTRA in den USA zum Streik aufgerufen, um bessere Konditionen für ihre Mitglieder durchzusetzen. Das zähe Ringen mit den Studios zog sich über vier Monate hin und brachte Hollywood (fast) komplett zum Erliegen. Lediglich 39 Projekten „wirklich unabhängiger Produzenten“ gab die Gewerkschaft unter bestimmten Auflagen trotzdem grünes Licht – darunter auch „Don’t Move“. Netflix hat sich erst im Anschluss für viele Teile der Welt die Auswertungsrechte an dem unter anderem von „Evil Dead“-Mastermind Sam Raimi produzierten Survival-Thrillers gesichert.

    Fernab von Raimis schleimig-blutiger und schwarzhumoriger Handschrift geht das Regie-Duo Brian Netto und Adam Schindler, welches bereits an drei Folgen der Horror-Anthologie-Serie „50 States Of Fright“ zusammengearbeitet hat, allerdings einen ganz eigenen Weg: „Don’t Move“ wurde an unverbrauchten Schauplätzen in den Wäldern Bulgariens gedreht und kommt bei schmalem Budget sowie gerade einmal einer Handvoll Figuren bitterernst und superfies daher.

    Iris (Kelsey Asbille) steht kurz vor dem Selbstmord, als sie ins Visier eines Serienvergewaltigers gerät. Netflix
    Iris (Kelsey Asbille) steht kurz vor dem Selbstmord, als sie ins Visier eines Serienvergewaltigers gerät.

    Nachdem ihr Sohn bei einem gemeinsamen Camping-Ausflug in einem unbeobachteten Moment von einem Felsvorsprung in den Tod gestürzt ist, kämpft Iris (Kelsey Asbille) immer noch mit Schuldgefühlen. Gerade als Iris auf einen Gipfel geklettert ist, um sich ebenfalls in die Tiefe und damit den sicheren Tod zu stürzen, bringt die Zufallsbekanntschaft Richard (Finn Wittrock) sie mit dem Erzählen seines eigenen tragischen Schicksals davon ab. Gemeinsam spazieren sie zurück zum Parkplatz, wo Richard Iris betäubt und ihr eine lähmende Substanz injiziert, die sie innerhalb von 20 Minuten komplett bewegungsunfähig macht. Mit Mühe schleppt sie sich noch bis zu einem Fluss und lässt sich treiben – doch Richard ist ihr dich auf den Fersen…

    Gerade in der ersten Filmhälfte lebt „Don’t Move“ von beklemmenden Momenten, die aus der Sicht der völlig ausgelieferten Iris erzählt werden. Kameramann Zach Kuperstein („The Eyes Of My Mother“) liefert dabei sogar Einstellungen aus der Egoperspektive der erstarrten Frau, in denen sich die Umgebung krümmt, regelrecht wabernd verformt und Umgebungstöne nur noch dumpf wahrgenommen werden. Gerade wenn Iris von dem einsam lebenden Bill (Moray Treadwell) hinter dem Sofa versteckt wird, auf dem Richard seine erfundene Geschichte über eine Autopanne erzählt, ist die Spannung kaum auszuhalten. Bis zum Ende von Iris‘ Tour de Force, in der die Hoffnungsschimmer meist herb im Keim schon wieder erstickt werden, wie etwa bei einem Stopp an einer Tankstelle, wird der Suspense-Level stets auf hohem Niveau gehalten.

    Volle Kanne Terror

    Brian Netto und Adam Schindler konzentrieren sich in ihrem geradlinigen Plot dramaturgisch aufs Wesentliche, kommen mit wenigen Figuren aus – weswegen der Fokus vollständig auf den beiden etwas reißbrettartig gezeichneten Hauptfiguren liegt. Finn Wittrock wirkte in zahlreichen Folgen der Anthologie-Serie „American Horror Story“ mit und legt seinen potenziellen Vergewaltiger als oberflächlich einfühlsamen, aber auch reichlich kaltblütigen Klischee-Psychopathen an, dem es trotz eines Anrufs seiner Familie zu seinen regelmäßigen Auszeiten im Wald an wirklichen Alleinstellungsmerkmalen fehlt. Dasselbe trifft auch auf die aus der Western-Serie „Yellowstone“ bekannte Kelsey Asbille zu: Ein paar helle und freundliche Rückblenden als eine Art Best-of der Erinnerungen an ihren Sohn reichen nicht aus, um die tiefe Verzweiflung, aber auch den starken Überlebenswillen ihrer ambivalenten Figur nachvollziehbar zu vermitteln.

    Mit zunehmender Laufzeit halten im Drehbuch der Autoren T.J. Cimfel und David White, die vorher auch schon für das Skript des Home Invasion-Thrillers „Deadly Home“ verantwortlich zeichneten, einige arg konstruiert wirkende Momente und Logiklöcher Einzug. Wie der mit Kabelbindern gefesselten und nach wie vor weitgehend gelähmten Iris trotzdem das Schwimmen gelingt, sollte etwa nicht genauer hinterfragt werden. Aber selbst wenn noch etwas Skript-Feinschliff sicher gutgetan hätte, ist der knallharte und konsequent erzählte Survival-Thriller insgesamt doch packend inszenierte Genre-Kost.

    Fazit: „Don’t Move“ ist über die komplette Laufzeit von knapp 90 Minuten saumäßig spannend und dramaturgisch kompakt erzählt. Der Täter und sein Opfer hätten bei der intensiven Tour de Force dennoch etwas mehr Tiefgang verdient.

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