Wie zum Teufel ist dieser Film ohne Schnitte durch die FSK gekommen?
Von Christoph PetersenNach dem alle Erwartungen sprengenden Erfolg von „Joker“ wurde das Budget für die Fortsetzung „Joker 2: Folie À Deux“ nahezu vervierfacht – von 55 auf kolportierte 200 Millionen Dollar. Bei der „Terrifier“-Reihe war das ganz ähnlich, nur eben auf einem um Faktor 100 niedrigeren Niveau: Hier standen Damien Leone statt 500.000 Dollar wie bei „Terrifier 2“ plötzlich zwei Millionen Dollar für „Terrifier 3“ zur Verfügung. In den USA sind die beiden Psycho-Clown-Filme im Abstand von nur einer Woche gestartet – und es hätte sich wohl niemand auf diesem Planeten getraut, vorherzusagen, dass sie an den nordamerikanischen Kinokassen am Ende fast identisch abschneiden würden. Aber auf den zweiten Blick ergibt das Ergebnis ja durchaus Sinn:
Todd Phillips zeigt seinen Fans mit „Joker 2“ den Mittelfinger, also bleiben sie zu Hause. Damien Leone hingegen liefert schon in den ersten 15 Minuten von „Terrifier 3“ alles, was sich Gorehounds in ihren kühnsten blutbesudelten Träumen ausmalen könnten – und setzt dann noch einen drauf! Kein Wunder also, dass die Genre-Jünger in Scharen in die Kinos stürmen. Zumal sich der dämonische Killer diesmal auch noch ein Weihnachtsmann-Outfit überstreift und Festtags-Horrorfilme ja oftmals besonders gut ankommen. Wobei da sicher auch noch ein gewisser Mutproben-Multiplikator und FOMO-Faktor hinzugekommen sind, wo doch schon nach kürzester Zeit niemand mehr über Arthur Fleck und seine Musical-Einlagen, sondern fast alle nur noch von Art dem Clown und seinem sadistischen Splatter-Overkill gesprochen haben.
In der Mid-Credit-Szene von „Terrifier 2“ haben wir gesehen, wie die völlig entstellte und mittlerweile vom kleinen blassen Mädchen besessene Nachrichtensprecherin Victoria Heyes (Samantha Scaffidi) in einer Nervenheilanstalt den abgeschlagenen Kopf von Art dem Clown (David Howard Thornton) wiedergeboren hat. Und tatsächlich: Obwohl Final Girl Sienna (Lauren LaVera) ihm mit ihrem magischen Schwert enthauptet hat, ist der dämonische Killer-Clown fünf Jahre später zurück, um sich pünktlich zu Weihnachten durch die Nachbarschaft zu metzeln. Sein Ziel ist dabei immer noch dasselbe: die tief traumatisierte Sienna, die gerade erst selbst aus der Psychotherapie entlassen wurde und nun bei der Familie von ihrer Cousine Gabbie (Antonella Rose) untergekommen ist…
Damien Leone legt in „Terrifier 3“ los wie ein ungeduldiges Kind, das nicht bis zum Weihnachtstag warten kann und deshalb schon am Vorabend wie im Rausch alle Geschenke aufreißt: Nach nicht einmal fünf Minuten schleicht sich Art im Weihnachtsmannkostüm in das Zimmer eines schlafenden, etwa zehnjährigen Jungen, um ihn mit einer Axt nach allen Regeln der Kunst zu zerlegen. Währenddessen hält die Kamera stur auf das vor Angst erstarrte Gesicht seiner noch jüngeren Schwester, die draußen auf der Treppe all die schmatzenden Schlaggeräusche mit anhören muss. Doch es muss niemand Sorge haben, dass Damien Leone plötzlich nicht mehr voll draufhält. Sowohl sehen wir in aller Ausführlichkeit die im Kinderzimmer verteilten Körperteile, und beim sofort folgenden Mord an den Eltern schwenkt auch niemand mehr weg, wenn Arme, Beine oder Köpfe zertrümmert oder abgeschlagen werden.
Wie zum Teufel soll man diesen Auftakt inklusive kleingehacktem Grundschüler noch toppen? Die Antwort lautet: gar nicht! Wer die ersten 15 Minuten durchgestanden hat, ohne sich übergeben zu müssen, wird aller Wahrscheinlichkeit nach auch den Rest bis zum Abspann noch irgendwie durchstehen. Zwischendrin hat man ja zudem auch immer wieder die Szenen mit Sienna und ihrer neuen Familie, um mal Luft zu holen: Obwohl Lauren LaVera („The Well“) weiterhin ein fantastisches Final Girl abgibt, schleichen sich in den redundanten Trauma-Talk mit ihrem inzwischen auf dem College-Campus lebenden Bruder Jonathan (Elliott Fullam) merkliche Längen ein.
Man spürt einfach, dass „Terrifier“-Mastermind Damien Leone am liebsten in seinem dunklen Keller hockt, um dort wie ein Gore-Gourmet an neuen, möglichst real anmutenden Splattereffekten zu arbeiten – und in dieser Hinsicht gibt es diesmal sogar einige auffällige Neuerungen: Zertrümmerte Gliedmaßen sehen etwa ganz anders aus, wenn man sie vorher mit flüssigem Stickstoff behandelt hat. Kein Wunder, dass hier selbst Splatter-Maestro Tom Savini, der legendäre Maskenbildner u.a. von „Dawn Of The Dead“, für einen kurzen Cameo-Auftritt vorbeischaut, um seinem inoffiziellen Nachfolger Damien Leone seine Ehrerbietung zu erweisen.
Wenn man mit dem richtigen Publikum im Kino sitzt, wenn sich gerade Ghostface, Michael Myers oder Jason Voorhees ihr nächstes Opfer vorknöpfen, dann kann es leicht passieren, dass die ikonischen Massenmörder auch schon mal aus dem Dunkel des Saals angefeuert werden. Aber bei den „Terrifier“-Filmen ist das eher nicht der Fall. Obwohl Art der Clown auch dank David Howard Thorntons verstörender Stummfilm-Performance längst zum absoluten Halloween-Favoriten aufgestiegen ist, dreht Damien Leone die Gewaltexzesse häufig so viel weiter, dass sie keinen Spaß mehr machen – sondern ehrlich verstören.
Selbst bei der supernervigen True-Crime-Podcasterin Mia (Alexa Blair Robertson), bei deren Ableben man sonst fast schon applaudieren würde, lässt Art die Motorsäge selbst dann noch weiter heruntersausen, als der genreübliche „Spaß“ eigentlich schon längst vorbei ist. Aber ist das jetzt transgressive Kunst? Sind das die Bilder, die wir brauchen, um uns in Zeiten des Ukraine-Kriegs und des Reʿim-Massakers noch wachzurütteln?
Die Zeiten der ungleich subtileren Vietnamkriegs-Metaphern in „Die Nacht der lebenden Toten“ oder der versteckten Erigierter-Penis-Symbolik in der finalen Szene von „The Texas Chainsaw Massacre“ sind jedenfalls vorüber: In „Terrifier 3“ masturbiert Victoria beim Anblick des sein Opfer skalpierenden Clowns mit einer Glasscherbe, woraufhin das Blut – wohl vor Erregung – zwischen ihren Beinen auf den Boden prasselt. Später wird eines der Opfer zudem mit einer rasselnden Motorsäge anal penetriert. Subtilität? Pustekuchen! Sagt also nicht, wir hätten euch nicht gewarnt …
Fazit: Weihnachten kommt dieses Jahr zwei Monate früher – zumindest für Gorehounds! Art der Clown liefert auch bei seinem dritten Splatter-Streifzug dermaßen gnadenlos ab, dass selbst Horror-erfahrene Kinogänger*innen immer wieder aus ihrer Komfortzone gestoßen werden. In den Szenen ohne den Killer-Clown schleicht sich allerdings auch schon mal die eine oder andere Länge ein.