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    The Dead Don't Hurt
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    The Dead Don't Hurt

    Jeanne d'Arc im Wilden Westen

    Von Christoph Petersen

    Vicky Krieps, seit „Der seidene Faden“, „Bergman Island“ und „Corsage“ einer der angesagtesten Stars des internationalen Arthouse-Kinos, stirbt bereits in der ersten Szene. Schwer atmend liegt sie im Bett, ein Finger spürt ihren Puls, eine einzelne Träne rollt ihre Wange herab, eine letzte Vision von einem Ritter zu Pferde, tot. Aber keine Angst, in Rückblenden werden wir noch mehr von ihr sehen – schließlich ist sie das absolute Highlight der zweiten Regiearbeit von „Herr der Ringe“-Waldläufer Viggo Mortensen: Im ansonsten arg betulichen Western-Drama „The Dead Don’t Hurt“ spielt Krieps die französischstämmige Vivienne Le Coudy, die in ihrer Kindheit stark von der Geschichte der Nationalheiligen Jeanne d’Arc geprägt wurde und nach dem Selbstmord ihres Vaters nach Amerika ausgewandert ist.

    In San Francisco hat sie mit einem reichen Schnösel angebandelt, der ihr mit seiner ständigen Angeberei allerdings mächtig auf den Senkel geht. Als sie am Hafen den Scheunentischler Holger Olsen (Viggo Mortensen) erspäht, lässt sie sich auf einen One-Night-Stand ein – zunächst vor allem, um ihren Schickeria-Liebhaber eifersüchtig zu machen. Aber dann wird doch mehr daraus – und sie begleitet den dänischen Einwanderer irgendwo ins kalifornische Nirgendwo: Hier hat Holger eine kleine Hütte, umgeben von Staub und Sand. So hätte man weniger Arbeit, schwärmt er. Aber sie, die immer wieder von europäischen Laubwäldern träumt, vermisst Bäume und Blumen. Und dann meldet sich Holger nach Ausbruch des Bürgerkriegs auch noch freiwillig zum Dienst in der Armee. Gerade erst angekommen, bleibt Vivienne – womöglich für Jahre – allein zurück…

    Sein Vater ist ein dänischer Geschäftsmann – und er selbst spricht auch fließend Dänisch. Deshalb ist es gar nicht weit hergeholt, dass Viggo Mortensen nun einen dänischen Einwanderer verkörpert. Alamode Film
    Sein Vater ist ein dänischer Geschäftsmann – und er selbst spricht auch fließend Dänisch. Deshalb ist es gar nicht weit hergeholt, dass Viggo Mortensen nun einen dänischen Einwanderer verkörpert.

    Vivienne ist so gar nicht wie andere Western-Heldinnen. Sie greift nicht selbst zum Colt und ist auch kein Badass, wie in anderen feministischen Genrebeiträgen. Stattdessen verkörpert Krieps ihre Figur mit einem Maß an selbstverständlicher Natürlichkeit, wie man sie aus Western ansonsten schlicht nicht gewöhnt ist. Allein zurückgelassen, kümmert sich Vivienne nicht nur ums Blumenbeet, sondern sucht sich auch einen Job im Saloon. Und als sie eines Nachts in ihrer eigenen Hütte brutal vergewaltigt wird, denkt sie nur kurz daran, alles hinzuschmeißen. Stattdessen weist sie ihren mächtigen Peiniger dadurch in die Schranken, dass sie am nächsten Tag trotz zugeschwollenem Gesicht wieder pünktlich bei der Arbeit in der Stadt erscheint – und den Leuten um sich herum weiterhin mit ansteckender Menschlichkeit begegnet.

    Mortensen inszeniert das alles mit einem melancholischen Grundton, der Viviennes standhaften Kampf mitunter allerdings eher romantisiert statt befeuert – und so kippt das Lyrische mitunter ins Dröge. Trotzdem kann man sich an Krieps Performance kaum sattsehen – auch weil das Skript einige saustarke Dialogzeilen für sie bereithält. Etwa die entwaffnend beiläufige, irgendwie schon alles sagende Begrüßung, wenn Holger nach vielen leidvollen Jahren zurückkehrt: „Wie war dein Krieg?“ Auch deshalb ist es so schade, dass ihre einsamen Jahre, obwohl das Herzstück des Films, vergleichsweise wenig Platz einnehmen. Stattdessen konzentriert sich „The Dead Don’t Hurt“ mehr darauf, wie sich Holger nach Viviennes Tod womöglich doch noch zu dem strahlenden Ritter entwickelt, von dem sie immer geträumt hat.

    Vivienne (Vicky Krieps) lässt sich nicht unterkriegen. Aber das Einstehen für ihre Überzeugungen muss sie trotzdem immer wieder teuer bezahlen. Alamode Film
    Vivienne (Vicky Krieps) lässt sich nicht unterkriegen. Aber das Einstehen für ihre Überzeugungen muss sie trotzdem immer wieder teuer bezahlen.

    Da geht es dann um einen mächtigen Geschäftsmann (Garret Dillahunt), seinen psychopathischen Sadisten-Sohn (Solly McLeod), den korrupten Bürgermeister (Danny Huston) sowie einen opportunistischen Richter (Ray McKinnon), der nach einem Sechsfach-Mord einen komplett Unschuldigen aufknüpfen lässt, nur um die Machthaber der Kleinstadt möglichst schnell zu entlasten. Im Gegensatz zu Vivienne und ihrem Schicksal sind sowohl die klischeehaften Figuren als auch der vorhersehbare Plot in diesem Abschnitt aber absolute Genrestandards, denen der auch für das Drehbuch verantwortlich zeichnende Mortensen leider so gar nichts Neues abzugewinnen vermag. Und dann setzt er das in altbekannten Bahnen verlaufende Western-Treiben mitunter auch noch arg hüftsteif in Szene. Da kommt in den zwei Stunden und neun Minuten doch immer mal wieder Langeweile auf.

    Fazit: Speziell Vicky Krieps liefert eine herausragende Performance in diesem Western-Drama, das öfter mal vom Lyrischen ins Dröge abrutscht und sich speziell bei den Nebenfiguren zu sehr auf Klischees verlässt.

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