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    Silber und das Buch der Träume
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Silber und das Buch der Träume

    Teenie-"Inception" ohne Tiefe

    Von Joana Müller

    Liv (Jana McKinnon) versinkt im dunklen Wasser und wird nur von einem weißen Lichtschleier getroffen, der durch die schneebedeckte Eisfläche hindurchscheint, unter der die Jugendliche eingeschlossen ist. Wir befinden uns in den ersten Minuten von „Silber und das Buch der Träume” und wissen noch nicht, dass dieses Szenario Livs wahrgewordener Albtraum ist – und es einen tragischen Grund für die Szene gibt.

    Doch auch wenn wir den Handlungskontext erst später erfahren, vermitteln uns diese ersten Bilder direkt, womit wir es hier zu tun haben: einer Young-Adult-Hochglanzproduktion mit für deutsche Verhältnisse üppigem Budget, von der wir uns zumindest magische Kulissen und einen spannenden Showdown erhoffen dürfen. Dass Helena Hufnagels Verfilmung des ersten Teils der gleichnamigen Bestseller-Reihe von Kerstin Gier diese Erwartungen nur bedingt erfüllt, kommt dann doch etwas enttäuschend – auch wenn das weniger an fehlenden Produktionswerten liegt als an der dünnen Story zwischen „Inception” und „Sex Education”, die einfach nicht so ganz funktionieren will...

    Realität, Traum – oder Albtraum? Liv (Jana McKinnon) steht eine Reise voller Herausforderungen und Mysterien bevor

    Nach dem Tod ihres Vaters zieht Liv Silber mit ihrer Schwester Mia (Riva Krymalowski) zur Familie des neuen Freundes ihrer Mutter nach London. Als sie in der ersten Nacht eine mysteriöse Tür in der Küche bemerkt, findet sie sich plötzlich auf einem Friedhof wieder, auf dem sie ihren neuen Quasi-Stiefbruder Grayson (Théo Augier Bonaventure) mit seinen drei Kumpels Henry (Rhys Mannion), Arthur (Chaneil Kular) und Jasper (Efeosa Afolabi) trifft, die sie für die Auserwählte halten.

    Sie erzählen ihr von dem titelgebenden Buch, durch das sie die Träume anderer Menschen besuchen und ihre eigenen steuern können. Um dadurch ihre größten und innigsten Wünsche wahrzumachen, brauchen sie noch das Blut einer sogenannten Jungfrau und überreden Liv, beim Ritual mitzumachen. Statt ihrer größten Träume werden jedoch nacheinander ihre schlimmsten Albträume wahr, die schon bald Menschenleben fordern. Liv muss herausfinden, wie sie den Fluch stoppen kann – und was Arthurs Ex-Freundin Annabel (Josephine Blazier) damit zu tun hat, die den Jungs damals das Buch der Träume zeigte...

    Ein Puzzle aus altbekannten Fantasy-Motiven

    Die Assoziationen und Querverweise geben sich in „Silber und das Buch der Träume” die Klinke in die Hand: Die mysteriösen Türen, hinter denen magische Welten lauern, kennen wir aus „Narnia”, und wenn Herzenswünsche nach Schulsprecherschaft und verstorbenen Elternteilen geäußert werden, denken wir natürlich unweigerlich an „Harry Potter”; eine Teenie-Romanze inmitten der britischen Hauptstadt mitsamt fantastischer Parallelwelt wiederum gibt es auch in der „Liebe geht durch alle Zeiten”-Trilogie um Felix Fuchssteiners „Rubinrot”, die ebenfalls von Romanautorin Kerstin Gier erdacht wurde – und wenn die Hauptfiguren durch verschiedene Träume springen und langsam den Bezug zur Realität verlieren, ist sogar Christopher Nolans Blockbuster „Inception” nicht weit.

    Natürlich ist es nicht per se etwas Schlechtes, wenn man an beliebte Film- und Buch-Vorbilder zurückdenken muss, zumal das Fantasy-Rad wahrscheinlich sowieso nicht mehr völlig neu erfunden werden kann. Doch dann sollte uns die erdachte Welt zumindest facettenreich und allem voran glaubhaft präsentiert werden. Das scheitert hier jedoch allein schon daran, deutsche Schauspieler*innen nach London zu verfrachten und diese inmitten eines internationalen Casts zu platzieren. Was in Serien wie „1899” oder „Sense 8” funktioniert hat, wirkt nach dem Drehbuch von Sina Flammang und Christian Ditter vor allem in der deutschen Fassung eher gestelzt als flüssig.

    Liv verliebt sich in Henry (Rhys Mannion) – eine interessante Figur wird er dadurch nicht...

    Die Kulisse der britischen Hauptstadt und eine an „Sex Education” erinnernde High School entführt einmal mehr in eine Sehnsuchts-Welt, doch die sich mysteriös und cool gebende Jungs-Clique in ihrem Zentrum kommt weitaus durchschaubarer daher, als es Hufnagel vermutlich lieb gewesen wäre – auch wenn sich der Fantasy-Streifen durch seinen diversen Cast immerhin deutlich von vielen seiner Genre-Zwillinge abhebt. Livs Love Interest Henry ist dabei trotz seiner eigenen tragischen Familiengeschichte leider der Uninteressanteste im Bunde und steht damit dem reichen wie zwielichtigen Arthur gegenüber, bei dem wir uns im Verlauf des Films fragen sollen, ob wir ihm vollends vertrauen können.

    Das Vertrauen war jedoch von Vornherein nur bedingt gegeben, schließlich fasst Grayson eines der Hauptprobleme des Films in einer Szene auf dem Schulhof ganz treffend zusammen: Dafür, dass Liv erst seit wenigen Tagen in London sei, mische sie die Traumwelt der Jungs schon viel zu sehr auf – wo wäre da der Platz, um Vertrauen zu einer Figur zu entwickeln? Tatsächlich geht hier alles wahnsinnig schnell, während die von Hufnagel entworfene Traumwelt und ihre verschiedenen Ebenen viel mehr Zeit verdient hätten, um näher erkundet werden zu können.

    Oberflächlicher Schnelldurchlauf durch zauberhafte Welten

    Stattdessen rast die Fantasy-Verfilmung in knappen 92 Minuten von einem Plot-Point zum nächsten und weckt beim Zuschauen höchstens den Traum, dass der Film eine halbe Stunde länger dauern möge, damit sich so etwas wie Tiefgang entfalten kann. Das Problem zeigt sich auch in der Figur Annabel, die wir nur schwer zu greifen bekommen und deren Beweggründe bis zum Schluss unklar bleiben. Die Hintergrundgeschichte, die Kerstin Gier ihr in der Romanreihe mitgegeben hat, fehlt in der Leinwand-Version zudem gänzlich. Vielleicht bekommen wir in einem zweiten Teil ja mehr davon zu sehen? Der Cliffhanger lässt es zumindest vermuten...

    Hufnagels Film ist am stärksten, wenn Liv auf Entdeckungstour im teilweise doch ganz zauberhaften Traumland geht und – ähnlich wie bei „Inception” – mit dem Regelwerk vertraut gemacht wird. Als sie schließlich im Traum ihrer Schwester endlich ihren Herzenswunsch erfüllt bekommt, noch einmal mit ihrem Vater zu sprechen, dann weiß auch das Spiel von McKinnon („Wir Kinder vom Bahnhof Zoo”) zu ergreifen – während der in den ersten Minuten angekündigte Showdown im dunklen Eis leider doch nur an der Oberfläche kratzt.

    Fazit: „Silber und das Buch der Träume” fühlt sich an wie der „Inception”-Fiebertraum eines Teenagers, der kaum Neues auf den Tisch bringt und sich zu wenig Zeit lässt, um die Geschichte und dessen fantastische Welt glaubhaft zu erzählen. Genre-Fans finden hier dennoch solide Unterhaltung mit einem charmanten Cast in einem modernen London, das zum Träumen einlädt.

     

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