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    Immer wieder Dienstag
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Immer wieder Dienstag

    Skandinavisches Genusskino

    Von Gaby Sikorski

    Seit Ingmar Bergman gilt der schwedische Film-Output – zumindest international – als hochgradig anspruchsvoll. Leichte schwedische Komödien sind in deutschen Kinos ungefähr so rar gesät wie schwedische Weine in unseren Supermarktregalen: Er gibt sie, aber wer kennt sie schon? Und wer trinkt sie freiwillig? Ingmar Bergman höchstpersönlich hat sein Verhältnis zur Komödie einst als „kompliziert“ bezeichnet, obwohl er durchaus Freude an der Leichtigkeit hatte, wie seine ikonische Opernverfilmung „Die Zauberflöte“ mit ihrem zu Teilen verspielten Humor zeigt. Doch insgesamt dominiert in schwedischen Komödien häufig ein leicht bis mittelschwer melancholischer bis mürrischer Unterton oder zumindest eine gewisse Düsternis, siehe Ruben Östlund und seine bitteren, schwarzhumorigen Sozialsatiren wie „Höhere Gewalt“ oder „Triangle Of Sadness“.

    Zu den seltenen Beispielen der leichteren – und im Weltkino trotzdem erfolgreichen – Komödien zählen „Männer im Wasser“ sowie der leichtfüßig-anarchische „Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand“. Mit ihrer Koch-Komödie „Immer wieder Dienstag“ kann Annika Appelin also kaum an eine große Tradition des boulevardesk luftigen Humors anknüpfen wie beispielsweise in Frankreich oder Italien. Aber sie traut sich was und wagt sich für ihr Kinodebüt gemeinsam mit ihrer Drehbuchautorin Anna Fredriksson auf das schwierige und in Schweden wenig erforschte Terrain einer Unterhaltungskomödie mit internationalem Appeal.

    Einst hat Karin (Marie Richardson) ihren Traumberuf Köchin für die Familie aufgegeben. Aber jetzt ist der Zeitpunkt, um Versäumtes nachzuholen. 24 Bilder
    Einst hat Karin (Marie Richardson) ihren Traumberuf Köchin für die Familie aufgegeben. Aber jetzt ist der Zeitpunkt, um Versäumtes nachzuholen.

    Von Anfang an wird hier beinahe ständig gegessen und getrunken. Das ist auffällig, aber irgendwie logisch, denn schließlich geht’s in der Geschichte insgesamt auch um den Spaß am Leben, und dazu gehören Genuss, gutes Essen und gemeinsame Feiern. Temperenzler*innen sollten auf der Hut sein, denn in diesem Film wird lustvoll und beinahe ständig Alkohol konsumiert, und zwar schon gleich zu Beginn: Karin (Marie Richardson) und Sten (Björn Kjellman) feiern mit gewaltigem Aufwand ihren 40. Hochzeitstag. Die Familie und der gesamte Freundeskreis sind versammelt – und Karin, die voll in ihrer Rolle als Köchin und Gastgeberin aufgeht, serviert das Hochzeitsessen von damals. Sekt und Wein fließen in Strömen, alles läuft gut, bis Karin in der Küche das Handy ihres Mannes entdeckt, auf dem gerade eine Nachricht für ihn eintrifft, die nur eine einzige Schlussfolgerung zulässt: Sten betrügt sie.

    Sten ist gerade dabei, seine Fitness zu demonstrieren, indem er an den Dachbalken des schmucken Einfamilienhauses hochklettert, als Karin ihm zum Beweis das Handy entgegenstreckt. Vor Schreck fällt Sten in die Tiefe und verletzt sich dabei so schwer, dass er wochenlang im Krankenhaus bleiben muss, wo ihn Karin pflichtbewusst besucht. Eines Tages trifft sie dort zufällig ihre alte Schulfreundin Monika (Carina Johansson). Die beiden feiern in einem asiatisch inspirierten Edel-Restaurant ihr unerwartetes Wiedersehen. Beim Hinausschwanken entdecken sie ein Plakat, auf dem der berühmte Restaurantchef Henrik Moliner (Peter Stormare) einen Kochkurs anbietet. Spontan beschließen sie mitzumachen, auch Karins beste Freundin Pia (Sussie Ericsson) wird noch überredet. Karin tritt dem generell mies gelaunten Meisterkoch von Anfang an selbstbewusst entgegen. Als sich zwischen Henrik und ihr eine Romanze entwickelt, muss sich Karin entscheiden. Soll sie Sten verlassen?

    Plötzlich ist jedes Dekolletee verdächtig

    Vieles in dieser Alltagskomödie rund um eine 60plus-Frau, für die aus einer unerwarteten Lebenskrise plötzlich neue Chancen erwachsen, ist hübsch ausgedacht – und dennoch realistisch genug, dass es glaubhaft bleibt. Da ist zunächst die Grundsituation: eine Frau, die ihren Mann verlassen will, es aber nicht übers Herz bringt, weil er einen schweren Unfall hatte, an dem sie – objektiv betrachtet – nicht ganz unschuldig ist. Ohne dies groß zu thematisieren, spielt Marie Richardson („Eyes Wide Shut“) die Wut und die Schuldgefühle mit, wenn sie bei Sten am Krankenbett sitzt. Man versteht sie einfach. Karin ist zu Beginn eine Frau, die es gewohnt ist, sich für ihre Familie aufzuopfern. Dass sie für Mann und Kind ihren Berufstraum als Köchin geopfert hat – wen interessiert’s? Umso härter trifft sie die Tatsache, dass ihr Mann untreu ist: Er hintergeht sie mit einer unbekannten Schönen, von der im Handy lediglich das üppige Dekolletee sichtbar ist. Da wird es zum hübschen und tatsächlich unausgesprochenen Running Gag, dass von nun an sämtliche weibliche Bekannte und Freundinnen von Karin, je nach Körbchengröße, mehr oder weniger in Verdacht geraten, diese Frau zu sein. Doch die Untreue ihres Mannes und das neue Leben ohne ihn – er ist ja im Krankenhaus – verändern Karin. Sie wird selbstbewusster, offener und mutiger.

    Marie Richardson, Carina Johansson („Populärmusik aus Vittula“) als Monika und Sussie Ericsson („Mord im Mittsommer“) als Pia sind ein gutes Gespann, wobei Pia eher wenig Profil hat, während Carina M. Johansson mit viel Komik und Einsatz die weltgewandte und lebenslustige, aber letztlich einsame Single-Frau spielt. Peter Stormare, der aus vielen internationalen Produktionen wie „Constantine“ bekannt ist, gibt dem knurrigen, vom Leben stark enttäuschten Starkoch eine immer liebenswertere Persönlichkeit. Auch die weiteren Rollen sind gut besetzt, wobei Klas Wiljergård heraussticht. Er spielt Grizzly, einen der Kochkursteilnehmer. Ihm gelingt mit seinem tatsächlich Teddybär-haften Charme der schwierige Balanceakt zwischen plakativer Komik und Mitleid erregender Tragik scheinbar mühelos – und am Schluss darf er so richtig zeigen, was er alles draufhat.

    Im Schatten der hochwertigen Zutaten entwickelt sich zwischen Karin und Starkoch Henrik (Peter Stormare) eine vorsichtige Romanze. 24 Bilder
    Im Schatten der hochwertigen Zutaten entwickelt sich zwischen Karin und Starkoch Henrik (Peter Stormare) eine vorsichtige Romanze.

    So unterhaltsam der Film auch ist: Komödien sind schwierig, die Leichtigkeit muss hart erarbeitet werden, und am schwierigsten ist es wahrscheinlich, eine Story zu komponieren, die in Ton und Tempo von Anfang bis Ende durchgängig funktioniert. Das ist hier nur begrenzt gelungen. Der Anfang ist großartig, die Entwicklung hat viel Drive und ein gutes Timing. Dazu gibt es viel eingängige Musik. Doch dann wird teilweise einfach zu viel erzählt. Ein Handlungselement kommt zum nächsten, sodass die Handlung immer mehr aufgebläht wird, was insgesamt zulasten des Timings geht. Dass die drei allesamt älteren Damen auch noch gemeinsam einen professionellen Catering Service gründen wollen, wirkt aufgesetzt, zumal die einzigen Aufträge, die im Film behandelt werden, von der Verwandtschaft stammen. Es würde vollauf genügen, wenn die drei Frauen nach dem Kochkurs einfach weiter gerne miteinander kochen, ganz ohne Businessplan.

    Auch der Umgang mit der Zeit gehört zu den weniger gelungenen Aspekten. Es ist irritierend, dass sich zu Beginn die Geschichte gemütlich über einen längeren Zeitraum von Wochen oder Monaten ausdehnt, in dem relativ wenig passiert, während zum Schluss hin die Handlung kulminiert. Es passiert in sehr kurzer Zeit sehr viel, weil plötzlich alles Angefangene noch zu Ende geführt werden muss. Dadurch zieht sich das Finale hin – und das erwartbare Happy End wirkt ein bisschen wie rangeklatscht. Dennoch bleibt die Leichtigkeit insgesamt erhalten. Dass der Gesamteindruck im Großen und Ganzen positiv bleibt, liegt an diversen guten Gags, an einem engagierten Cast und an dem ermutigenden Grundgedanken: Es ist nie zu spät, etwas Neues anzufangen, wenn Du damit glücklich werden kannst.

    Fazit: Eine leichte Alltagskomödie über eine Frau, die nach 40 Jahren vor den Trümmern ihrer Ehe steht, woraufhin sie sich die Möglichkeit für einen Neuanfang erkämpft, der ihr nicht nur ein spätes Glück, sondern auch den Zugang zu einem genussreicheren Leben ermöglicht. Die leider stellenweise unnötig ausgefranste und überladene Handlung punktet mit eingängiger Musik, guten Schauspielleistungen, hübsch angerichteten Speisen und feinen Gags. Skål och smaklig måltid!

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