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    Trauzeugen
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,5
    enttäuschend
    Trauzeugen

    Eine Hochzeit zum Verpassen

    Von Sidney Schering

    Eine Hochzeit soll nicht nur, sondern muss schon fast der schönste Tag im Leben des Brautpaares werden – und bei einer solch unrealistischen Erwartungshaltung kann ja eigentlich nur alles schiefgehen! Kein Wunder also, dass Hochzeiten schon als Steilvorlage für zahllose Komödien gedient haben, in denen der chaotische Rummel aus den verschiedensten Perspektiven zugespitzt wird: Im denkwürdigsten Kapitel des oscarnominierten Episodenfilms „Wild Tales“ dreht etwa eine Braut völlig durch – und in Til Schweigers Komödien-Fehlschlag „Die Hochzeit“ steht ein trödelnder Bräutigam im Mittelpunkt.

    Mit „Das Leben ist ein Fest“, der demnächst als „Ein Fest fürs Leben“ ein deutschen Remake mit Christopher Maria Herbst erhält, haben die „Ziemlich besten Freunde“-Macher sogar dem hinter den Kulissen schuftendem Personal ein Denkmal gesetzt. Das Regie-Duo Finn Christoph StroeksLena May Graf wiederum stellt nun, wie der Titel schon verrät, die „Trauzeugen“ in den Mittelpunkt. Aber statt einer erfrischenden Perspektive oder gewitzter Romantik bietet die Komödie leider bloß lahme Witze sowie einen dramatischen Mangel an Herzflattern.

    Gegensätze ziehen sich an – so wie Scheidungsanwalt Jakob (Edin Hasanović) und Paartherapeutin Marie (Almila Bagriacik)!

    Für den Scheidungsanwalt Jakob (Edin Hasanović) geht nichts über die Karriere. Daher ergreift er freudig die Gelegenheit, seiner aufbrausenden Chefin Frau Dr. Kober (Iris Berben) bei ihrer Scheidung zur Seite zu stehen: Sollte es ihm gelingen, die kostspieligen Forderungen der zukünftigen Ex (Antje Traue) seiner Vorgesetzten abzuschmettern, wäre ihm ein enormer Karrieresprung gewiss! Doch ausgerechnet jetzt beginnt die heiße Phase der Hochzeitsvorbereitungen seines besten Freundes Tobi (László Branko Breiding), der sich noch dazu ein Bein gebrochen hat.

    Tobis Verlobte Ruth (Cristina do Rego) wiederum ist hochschwanger – also wälzt das Hochzeitspaar die noch anstehenden Vorbereitungen auf Jakob und Ruths Trauzeugin Marie (Almila Bagriacik) ab. Die liebt Kitsch und ist noch dazu Paartherapeutin – und somit Jakobs wandelndes Gegenstück. Trauring-Fitting, Fotoshooting und Location-Scouting werden so zur reinen Geduldsprobe. Aber Gegensätze ziehen sich ja bekanntlich an...

    Alles ein bisschen wenig

    Die Prämisse von „Trauzeugen“ ist eigentlich so naheliegend wie vielversprechend: Was, wenn sich mitten im Hochzeitsvorbereitungsstress die Trauzeugin und der Trauzeuge ineinander verlieben – und die beiden dazu noch berufliche Gegenpole sind? Die Antworten, die Finn Christoph Stroeks darauf in seinem Drehbuch gibt, sind allerdings nicht der Rede wert: Kurzfristig muss eine Ersatzlocation organisiert werden und der Ehering des Bräutigams bleibt ein paar Stunden am Mittelfinger des Trauzeugen stecken – und das war es irgendwie auch schon.

    Während Hasanović, der zuletzt in der Zeitschleifen-Komödie „Hello Again“ eine Hochzeit wieder und wieder durchleben musste, die Ring-Eskapade mit geradezu cartoonartigem Einsatz wenigstens zu einer soliden Slapstick-Einlage aufwertet, fasst der Handlungsfaden rund um den spontan geänderten Austragungsort der Festlichkeiten unfreiwillig zusammen, woran es dieser Romantik-Komödie mangelt: Konsequenz! Zunächst wird lang und breit erklärt, wie wichtig der Braut ein bestimmter Festsaal im heimischen Frankfurt am Main ist. Dann muss die Hochzeit in eine abgerockte Scheune im 618 Kilometer entfernten Frankfurt (Oder) umziehen. Die Braut brüllt kurz, dann geht es unbeirrt weiter im uninspirierten Text.

    Zumindest beim Tanzen nimmt man den titelgebenden Trauzeugen ab, dass sie sich ineinander verknallt haben!

    Weder wird Komik daraus geschöpft, dass eine komplette Hochzeitsgesellschaft von Frankfurt nach Frankfurt kutschiert werden muss. Noch dürfen Paartherapeutin Marie und Scheidungsanwalt Jakob pointiertes Verhandlungsgeschick unter Beweis stellen, indem sie dem Paar diese Veränderung schönreden. Nein, nach kurzer Stimmbandbelastungsprobe spielt sich der Rest des Films so ab, als sei schon immer eine Scheunenfete in Frankfurt (Oder) geplant gewesen. Ähnliche Probleme plagen „Trauzeugen“ auch an anderer Stelle:

    Als sich Jakob und Marie kennenlernen, geht es ihm auf den Wecker, dass sie ohne Punkt und Komma redet und ihm ständig Entscheidungen abnimmt. Sie hingegen hat keinerlei Verständnis dafür, welch enormen Fokus er auf seine Karriere legt. Nach allerlei an Pointen armen Diskussionen platzt Marie unangemeldet in einen wichtigen Arbeitstermin, um Jakob etwas mitzuteilen, das auch in eine knappe Textnachricht gepasst hätte. Aber Jakob schaut plötzlich verträumt herein, statt sich aufzuregen.

    Nur die Filmmusik vermittelt, dass sich Jakob in diesem Moment in Marie verguckt. Weder haben die vorherigen Szenen eine Rampe für diesen Herzsprung gebaut, noch hat er Auswirkung darauf, wie sich Jakob fortan Marie gegenüber verhält. Einige Filmminuten später spiegelt sich dieses Spiel – und nur die Art, wie Bagriacik ihre Worte betont, während sie sich über Jakobs enge Weltsicht aufregt, deutet im Tandem mit der Filmmusik an, dass sich auch Marie verliebt hat. Ein Paar zum Mitfiebern wird so aus den beiden Trauzeugen aber nicht – eher im Gegenteil.

    Wie sooft ist die Tanzszene die beste Szene

    Da sich die Figuren weiterhin leidenschaftslos Steine in den Weg legen, ist es naheliegender, darauf zu hoffen, dass sie besser nicht zusammenfinden. Schließlich reicht es bei ihrer laschen Anti-Interaktion nicht einmal für das altmodische Sprichwort: „Was sich liebt, das neckt sich!“ Die recht einfallslose Inszenierung tut ihr Übriges, um den Funkenflug zu vermeiden. Allein, wenn Marie und Jakob die Hochzeitsfeier kapern, indem sie ihre Hassliebe in Form eines spontanen Dance Battles ausleben, entsteht vorübergehend die Illusion von Passion. Dass in diesem Moment keine Worte fallen, sondern allein die ausdrucksstarke Körpersprache des zentralen Star-Duos im Fokus steht, ist sicher kein Zufall.

    Zumindest drücken Henriette Gonnermann als verwirrt-diebische Großmutter, Nilam Farooq als eitle Hochzeitsplanerin und Kurt Krömer als schimpfender Landwirt in Kleinstauftritten „Trauzeugen“ positiv ihren Stempel auf. Die Gaststars haben es allerdings auch deutlich einfacher als die im Mittelpunkt stehenden Hasanović und Bagriacik: Wer nur ein, zwei Szenen lang Sprüche klopft, muss nicht gegen ein orientierungsloses Skript anspielen, das die Charakterwandlung einer Figur zwar behauptet, aber keinerlei Veränderung skizziert. Da wäre man vielleicht doch lieber nach Frankfurt (Main) gefahren und hätte den Abend allein in einem leeren Festsaal verbracht.

    Fazit: Das charmante Talent der Stars Almila Bagriacik und Edin Hasanović wird von einem wenig gewitzten Skript und einer profilarmen Inszenierung überschattet. In dieser Romantik-Komödie herrscht eine derartige Anti-Chemie zwischen den Hauptfiguren, dass sie als Protagonist*innen in einer Scheidungs-Komödie vermutlich viel besser geeignet gewesen wären.

     

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