Weit weg davon, ein neues "Star Wars" zu sein
Von Björn BecherEs ist eine mittlerweile legendäre Geschichte, dass Zack Snyder einst bei Lucasfilm vorstellig wurde, um einen eigenen „Star Wars“-Film zu pitchen – und zwar als „Die sieben Samurai“ im Weltall. Doch sein Konzept wurde am Ende abgelehnt. So verschwand die Idee erst mal in einer Schublade – bis der „300“-Regisseur nach dem Erfolg von „Army Of The Dead“ von Netflix mehr oder weniger freie Hand bekam, zu machen, was er will. Sein Gedanke: Wenn ich schon keinen offiziellen „Star Wars“-Film machen darf, mache ich halt mein eigenes „Star Wars“. Sogar ein ganzes „Rebel Moon“-Universum soll nun über die kommenden Jahre hinweg entstehen – mit Büchern, Comic-Spin-offs sowie vor allem viel Stoff auf Netflix: Bereits im April 2024 kommt mit „Rebel Moon 2: Die Narbenmacherin“ die erste Fortsetzung, auch „Rebel Moon 3“ sowie eine Spin-off-Serie sind aktuell in Arbeit.
Damit lastet nun eine ziemliche Verantwortung auf den Schultern von „Rebel Moon – Teil 1: Kind des Feuers“ – schließlich sollte der Auftakt direkt neugierig auf diese Welt machen, wenn da noch so viel nachkommen wird. Aber selbst wer die Produktionsgeschichte nicht kennt, wird das Vorbild für dieses Universum mit einem Senator, der sich an die Spitze eines Imperiums gemordet hat, sowie einer Rebellion, die seiner Schreckensherrschaft entgegentritt, erkennen. Dass „Rebel Moon“ recht platt „Star Wars“ zitiert, ist aber gar nicht schlimm – schließlich hat sich einst auch Lucas sein Universum aus vielen Vorbildern zusammengeschustert. Aber dass Snyder visuell bis auf einige abgefahrene Einzelszenen viel zu wenig einfällt und er ansonsten blasse Figuren durch eine langweilige Story scheucht, wiegt da schon erheblich schwerer – zumal die nun zuerst auf Netflix erscheinende, 2 Stunden und 13 Minuten lange Version auch noch offensichtlich verstümmelt ist.
In einer Welt, in der Senator Balisarius (Fra Fee) nach der Ermordung der Königsfamilie zum neuen Herrscher und Eroberer aller Planeten aufgestiegen ist, hat die mysteriöse Kora (Sofia Boutella) auf dem Mond Veldt Zuflucht gefunden. Als Teil einer friedlichen Bauerngemeinschaft will sie ihre Vergangenheit hinter sich lassen. Doch dann kreuzt ein mächtiges imperiales Kriegsschiff über der Kolonie auf. Der sadistische Admiral Atticus Noble (Ed Skrein) ist auf der Suche nach der Rebellenführung und will auf Veldt vor allem die Nahrungsvorräte für seine Truppen aufstocken. Brutal macht er der Gemeinde klar, dass er in zehn Wochen wiederkommen wird, um die Felderträge einzusammeln.
Koras erster Instinkt ist die Flucht. Aber als die zurückgelassenen Wachen eine junge Frau vergewaltigen wollen, greift sie ein. Weil sie aus eigener Erfahrung weiß, dass Noble in zehn Wochen nicht einfach seine Ernte einsammeln und verschwinden wird, macht sie dem Dorf klar, dass man sich verteidigen muss. Doch wie? Gemeinsam mit Bauer Gunnar (Michiel Huisman) zieht Kora los, um die Rebellen selbst ausfindig zu machen. In einem Saloon trifft das Duo aber erst einmal auf den durchtriebenen Dieb und Schmuggler Kai (Charlie Hunnam). Der bietet ihnen nicht nur sein Raumschiff für die nötigen Reisen zu anderen Planeten an. Er kennt auch ein paar Kämpfer*innen, die man ebenfalls für die Dorfverteidigung rekrutieren könnte…
Zack Snyder nimmt sich viel Zeit, um die Bauerngemeinde einzuführen. Hier passiert zwar nicht sehr viel, zu viele Dialoge sind recht platt oder dienen nur der Exposition. Doch zu diesem Zeitpunkt hat man noch das Gefühl, dass das alles ja eh nur das Vorgeplänkel für ein großes Abenteuer ist. Trotzdem ist der Auftakt bis zum Treffen in der Bar der klar beste Teil des Films. Denn sobald das Einsammeln von Verbündeten – ganz nach dem Vorbild von „Die sieben Samurai“ – beginnt, ist „Rebel Moon“ nämlich über weite Strecken einfach nur verdammt langweilig.
Das hat auch mit den austauschbaren Figuren zu tun, die von nun an ins Zentrum rücken. Alle vorher aufgebauten Figuren – bis auf Kora und Gunnar – sowie ihre Konflikte verschwinden. Da gibt es etwa einen jungen imperialen Soldaten, der auch eine gute Seite zu haben scheint, Gewissensbisse zeigt. Er ist einfach plötzlich weg – und das ist in diesem Film eher die Regel als die Ausnahme: Wenn jemand spannend ist oder eine gewisse Faszination ausübt (wie etwa der von Anthony Hopkins in der englischen Originalfassung großartig gesprochene Ex-Kampfroboter „Jimmy“), dann muss sie allzu bald dem größtenteils austauschbaren „Sieben Samurai“-Team Platz machen.
Auch wenn die sieben Weltraum-Samurai in der englischen Originalfassung teilweise mit absurden Akzenten reden (aber diese nicht immer durchhalten), wird mit Ausnahme von Gunnar keiner von ihnen zu einer Figur aus Fleisch und Blut. Bezeichnend ist, dass vor dem großen Showdown eine ganze Sequenz darauf verwendet wird, uns kurz vor Schluss doch noch mal zu erklären, wer denn nun all diese Leute überhaupt sind und welche Motivationen sie haben, an diesem Abenteuer teilzunehmen. Das ist bitter nötig, weil wir es trotz der vorherigen gemeinsamen Reise bei fast keinem von ihnen verstanden haben. Egal ob Kai, der muskulöse Tarak (Staiz Nair), Lichtschwertkämpferin Nemesis (Doona Bae), der einfach mit dem Attribut „genial“ versehene Ex-General Titus (Djimon Hounsou) oder Rebellen-Anführer Darrian Bloodaxe (Ray Fisher) – sie bleiben alle komplett egal. Das schmälert auch den Impact des Finales, in dem man plötzlich mitfiebern soll, wenn sie heldenhaft dem möglichen Tod ins Auge blicken.
Die Action, die Snyder natürlich wieder mit seinem engen Vertrauten und persönlichen Stunt-Experten Damon Caro ausgetüftelt hat, trägt nicht viel dazu bei, das Geschehen von „Rebel Moon“ mitreißender zu gestalten. Es gibt zwar kurze Momente, die rausstechen – eine gekonnte Bewegung, ein cooler Schwerthieb oder wie Snyder die unglaubliche Durchschlagskraft der Schusswaffen in einer langen Rückblende, in der schon überraschend früh das Mysterium um Koras Vergangenheit gelüftet wird, bebildert. Doch dem Gros der Action fehlt es an Power und Energie – zumindest in der Fassung, die nun als erstes auf Netflix veröffentlicht wird.
Der Regisseur hat bereits angekündigt, dass zu einem späteren Zeitpunkt noch eine rund eine Stunde längere Version mit höherer Altersfreigabe folgen wird. Die Schnitte sind in „Rebel Moon“ zu bemerken – inhaltlich bei verschwindenden Figuren und angerissenen Erzählungen, aber vor allem bei der Action. Wenn Admiral Noble als brutaler Sadist eingeführt wird, entfaltet das auch deshalb nicht seine volle Wirkung, weil immer wieder weggeschnitten wird, wenn er seinen Gehstock zur Schlagwaffe umfunktioniert. So ist „Rebel Moon“ auch erstaunlich blutleer – sogar auf eine störende Art und Weise, weil es befremdlich konträr zur brutalen Welt mit ihren ganzen sinnlosen Tötungen steht.
Es gibt Momente in „Rebel Moon“, die zeigen, dass Zack Snyder außergewöhnliche Ideen hat. Wenn Obi-Wan und Luke, sorry Kora und Gunnar, in einer Cantina den Dieb, Schmuggler und Piloten Han, sorry Kai, treffen, dann durften sich die Kreaturen-Designer so richtig austoben – u.a. mit einem abgefahrenen blobartigen Wesen mit Tentakeln, welches einen menschlichen Sklaven nutzt, um durch ihn zu reden. Auch beim Aufsammeln der Mitstreiter*innen gibt es einige tolle Einfälle: Ein an eine riesige Version des Raben aus der Kinderserie „Siebenstein“ erinnerndes Federvieh sorgt für einen furiosen Ritt durch die Landschaft. Eine von Jena Malone mit viel Schmerz in der Stimme gesprochene Riesenspinne entfacht eine Actionszene, die zur Abwechslung auch mal mit der nötigen Gravitas aufgeladen ist. Aber es sind eben meist nur kurze Momente, die aufhorchen lassen.
Wenn Bösewicht Admiral Atticus Noble in einer Szene von einem Untergebenen unterrichtet wird und dabei angedeutet wird, dass er womöglich gerade mitten im erotischen Vorspiel mit einem Tentakel-Monster gestört wurde, gibt uns das einen kurzen Einblick in eine verrückte Welt. Der ist aber nach 30 Sekunden schon wieder vorbei und wird auch nie mehr aufgegriffen. Musste Snyder wie bei seinen zahlreichen Actionszenen auch hier zugunsten der Jugendfreundlichkeit zahm bleiben? Hatte er einfach nur einzelne Mini-Ideen, aber keinen wirklichen Plan, sie zu einem großen Ganzen zusammenzufügen? Oder sind das alles eh erst mal nur Teaser für all das, was da in den kommenden Jahren in diesem Universum noch alles folgen soll?
Mit einem Industrial-Look, den Snyder sichtlich in die Jahre gekommenen Raumschiffen und eigentlich schon ausrangierten Robotern verpasst, hat „Rebel Moon“ eigentlich einen übergeordneten visuellen Ansatz, der diese neue Fantasy-Welt nicht nur vom Vorbild „Star Wars“ abhebt, sondern auch erst einmal interessant macht. Aber wirklich genutzt wird diese ästhetische Steilvorlage selten – gerade visuell ist das Sci-Fi-Epos enttäuschend, besonders wenn man bedenkt, für welche Qualitäten Snyder sonst so bekannt ist.
Womöglich stand dann doch zu wenig Geld (angeblich „nur“ 166 Millionen Dollar für die ersten beiden Filme zusammen) zur Verfügung. Bezeichnend ist da schon, dass Snyder nach der von einem Erklär-Voice-Over unterlegten Aufnahme eines fliegenden Raumschiffs kaum eine Szene im All spielen lässt. Besonders enttäuschend ist, wie wenig er aus dem durch die Story bereits vorgegebenen Planeten-Abklappern macht. Statt unterschiedliche Welten zu erkunden, uns an neue Schauplätze zu entführen, spielt das Geschehen meist an austauschbaren Orten wie grau-tristen Landeplattformen oder Hallen, die alle gleich ausschauen. Wenn Snyder dann doch mal eine aufregende Welt wie einen Gladiatorenarena-Planeten andeutet, verlegt er das Geschehen aber umgehend in eine kleine Gasse, die es so auch auf jeder anderen Welt hätte geben können.
Nicht nur deswegen wirkt „Rebel Moon“ nie episch. Selbst die Orte, von denen man etwas mehr sieht, bleiben unglaublich unbeeindruckend. Die Bildhintergründe sind ausgesprochen flach – und dabei weit weg von der Matte-Painting-Kunst, die in den 70er-Jahren viel besser aussah als dieser Greenscreen-Murks. Dem Geschehen fehlt nicht nur die Tiefe, Snyder arbeitet dazu auch mit Unschärfen. Was der „Man Of Steel“-Regisseur mit diesen bezwecken will, erschließt sich aber nicht – womöglich geht es eben doch nur damit zu verschleiern, wie wenig aufregend das alles aussieht. Es ist schon bezeichnend, dass Koras und Gunnars Bauerndorf vor einem gigantischen Berg mit einem riesigen Wasserfall steht, dieser aber selbst auf der großen Kinoleinwand (wo wir den Film sehen konnten) nicht für eine Sekunde des Staunens sorgt. Es sind Schwächen, die auch ein längerer Director’s Cut wahrscheinlich nicht wird retten können.
Fazit: Zack Snyder und Netflix sind angetreten, um das neue „Star Wars“ zu machen – und dabei erst einmal auf ganzer Linie gescheitert. Die Probleme mit der lückenhaften Erzählung, der blutleeren Action sowie den blassen Figuren kann der bereits angekündigte „Director's Cut“ mit höherer Altersfreigabe vielleicht ein Stück weit lösen. Dass „Rebel Moon – Teil 1: Kind des Feuers“ abgesehen von Einzelideen aber auch visuell erschreckend wenig hermacht, ist die eigentliche Enttäuschung.