„The eyes of Texas are upon you,
All the live long day.
The eyes of Texas are upon you,
You cannot get away.
Do not think you can escape them,
At night, or early in the morn'.
The eyes of Texas are upon you,
'Till Gabriel blows his horn!”
(J. Lance Sinclair)
Es gibt Filme, die inszenieren auf eine ganz unaufdringliche Weise Lernprozesse – dazu in einer Zeit gedreht, in der dies nicht unbedingt selbstverständlich genannt werden kann. Lernprozesse, in denen nicht über Schwarz-Weiß-Malerei, sondern fast schon auf eine behutsame Art und Weise und doch in gewisser Weise radikal Vorurteile bloß gelegt und im Laufe der Handlung zumindest weitgehend abgebaut werden, ohne dass am Schluss alles himmelblau erscheint.
George Stevens, der so bekannte Filme drehte wie „Die Frau, von der man spricht” (1944), „Zeuge der Anklage” (1942), „Ein Platz an der Sonne” (1951) oder „Das Tagebuch der Anne Frank” (1959), begab sich 1956 mit dem Drama "Giganten" mitten hinein in einen Bundesstaat der Vereinigten Staaten, der traditionell für solche Vorurteile steht, wie sie in den Südstaaten bis heute reichlich „gepflegt” werden: Texas. Nach einem Roman von Edna Ferber erzählt Stevens die Geschichte der Rancher-Familie Benedict über einen Zeitraum von rund 30 Jahren bis in die 50er Jahre des 20. Jahrhunderts.
Jordan Benedict Jr. (Rock Hudson), genannt Bick, lebt mit seiner raubeinigen Schwester Luz (Mercedes McCambridge) sozusagen mitten in der Pampa. Der Besitz der Benedicts – genannte Reata – ist derart groß, dass man ihn getrost einen eigenen Staat im Staate nennen könnte. Ein pompöses Haus ziert die ansonsten endlos scheinenden und fast menschenleeren Ebenen, auf denen sich Zehntausende von Rindern tummeln. Das vor etlicher Zeit den Mexikanern geraubte Texas – offiziell wurde es natürlich Mexiko abgekauft (zu Spottpreisen) – wird zu einem großen Teil von Mexikanern bewirtschaftet, die in herunter gekommenen Siedlungen leben und von den Amerikanern schlichtweg als „Pack” oder „Gesindel” bezeichnet werden. Die soziale Distanz zwischen Herren und Knechten hat nicht nur Tradition; die sozialen Grenzen dürfen – das ist ein ungeschriebenes, aber ehernes Gesetz – auch auf keinen Fall überschritten werden.
Auch Bick betrachtet die mexikanischen Tagelöhner als „Pack”, als „Gesindel”, auf das man sich letztlich nicht verlassen kann. Seine Schwester Luz führt das Regime im Haus und erledigt den Papierkram.
Das alles ändert sich, als Bick eine Tochter aus gutem Haus aus einem der Nordstaaten kennen lernt, die schöne, intelligente und äußerst selbstbewusste Leslie Lynnton (Elizabeth Taylor), liberal gesinnt und jeglicher Ungerechtigkeit gegenüber ablehnend eingestellt. Von Anfang an provoziert die junge Frau den Redneck aus dem fernen Texas, der sich dennoch in Leslie verliebt – vice versa.
Bick hat klare Vorstellungen vom Leben einer Frau an seiner Seite: Sie hat sich in die Führung der Ranch nicht einzumischen, ebensowenig ist Politik Frauensache. Als beide nach der Hochzeit auf der Ranch ankommen, ist bereits der erste Konflikt vorprogrammiert. Während Luz befürchtet, die junge Frau könne ihre Stellung im Haus gefährden und sich distanziert gegenüber Luz verhält, erklärt diese klipp und klar, sie wolle Luz nicht verdrängen, aber sie sei im Haus auch kein Gast, sondern die Frau des Hausherren.
Nachdem Luz bei einem Reitunfall – sie stürzt von einem Hengst, das Bick Leslie geschenkt hatte – schwer verletzt stirbt, scheint zunächst Ruhe in das Leben der Benedicts einzukehren. Doch Leslie kann etliche Dinge, die für Bick und die anderen texanischen Rancher selbstverständlich sind, nicht akzeptieren. Sie drängt den örtlichen Arzt, mit ihr in die Siedlung der Mexikaner zu fahren, um das kranke Baby einer Frau dort zu behandeln. Und sie wird sich auch künftig – zum Ärger ihres Mannes – um das Wohlergehen der mexikanischen Tagelöhner kümmern.
Die Benedicts bekommen im Laufe der Zeit drei Kinder, zwei Töchter und einen Sohn. Und auch bezüglich der Zukunft der Kinder kommt es des öfteren zu Konflikten zwischen Leslie und Bick. Ein weiterer Konflikt kündigt sich an, als der Eigenbrötler Jett Rink (James Dean), der von Luz – der einzigen Person, die ihn wirklich mochte – ein kleines Stück Land geerbt hatte, dort Öl findet und in kürzester Zeit zu einem harten Konkurrenten von Bick wird (der Jett nie leiden konnte). Der Konflikt eskaliert, als Jett die Rancher dazu bringen will, von Rinderzucht auf Öl umzusteigen. Nur wenige wie Bick wollen diesen Schritt nicht nachvollziehen ...
„Giant” ist eines jener großangelegten epischen Dramen, wie man sie heutzutage kaum noch zu sehen bekommt. Über eine Länge von gut drei Stunden entwickelt Stevens die großen Konflikte jener Jahrzehnte entlang der Familie Benedict, die stellvertretend für die nicht minder großen gesellschaftlichen Veränderungen stehen.
Diese Konflikte – Rassismus, Rolle der Frau, Umwälzung der Wirtschaft, Rolle der Kinder – schildert Stevens vor allem entlang der Auseinandersetzungen zwischen Bick und Leslie, zwischen den Benedicts und Jett Rink sowie zwischen den Eltern und ihren drei erwachsenen Kindern. Traditionelle Rollenklischees werden dabei aufgebrochen, aber eben auf eine behutsame Art.
Besondere Aufmerksamkeit erfährt dabei das Verhältnis zwischen Bick und Leslie. Bick ist zwar ein von Vorurteilen, überholten Denkweisen und Traditionen beherrschter Texaner; aber er liebt seine Frau und ist vor allem – wenn auch nur allmählich in einem Prozess, der Jahre dauert – dazu bereit, sich der äußerst selbstbewussten Leslie zu stellen. Obwohl er stur und uneinsichtig erscheint, begreift auch er, dass sich die Zeiten ändern. Leslie ist prinzipienfest, wobei ihre Grundsätze kaum einer Art (oberflächlichen) political correctness, wie sie heute „gepflegt” wird, sondern einem tiefen Gerechtigkeitsempfinden und einer ebenso intensiven Menschenliebe entspringen.
Anders gestaltet sich der Konflikt mit Jett Rink. James Dean (in seiner letzten Rolle, bevor er nur wenige Wochen nach Ende der Drehaufnahmen bei einem Autounfall ums Leben kam) spielt einen einsamen jungen Mann, der nur zu Bicks Schwester eine Art freundschaftlichen Kontakt hat. Jetts Verhältnis zu Bick ist geprägt von einer Mischung aus Bewunderung und Neid – nicht nur was Bicks Besitz angeht. Von Anfang an ist er verliebt in Leslie, wohlwissend, dass er nie eine Chance haben wird, sie für sich zu gewinnen. Als er durch das Öl auf seinem von Luz geerbten Land zu einem reichen Mann wird, nimmt seine Einsamkeit proportional zu seinem (auch öffentlich gefeierten) Erfolg zu. Er fängt an zu trinken, wird zum exzentrischen Außenseiter und bricht auf einer Art Siegesfeier, die er selbst für sich organisiert hatte, volltrunken zusammen, als er vor Senatoren, dem Gouverneur und anderem wohl situierten Publikum eine Rede halten soll.
In der Darstellung der Entwicklung von Bick einerseits, Rink andererseits liegt eine der großen Stärken des Films. Während Jett Rink, je reicher er wird, umso mehr dem persönlichen Untergang zutreibt, entwickelt sich aus dem störrischen und von Vorurteilen geprägten Rancher – vor allem eben auch durch den Einfluss von Leslie – ein verständnisvoller und weitgehend toleranter Mann. Als ein Restaurantbesitzer eine mexikanische Familie hinausschmeißen will, legt sich Bick mit dem Mann an – und verliert den Zweikampf. Danach erklärt ihm Leslie, dass sie jetzt endlich auf ihn stolz ist, weil er sich aus eigenem Antrieb heraus und aus Solidarität mit den Mexikanern sogar hat verprügeln lassen.
Ebenso eindrücklich schildert Stevens die Konflikte zwischen Bick und seinen Kindern, vor allem seinem Sohn Jordy, den der junge Dennis Hopper spielt. Denn Jordy will nicht – wie Bick dies als selbstverständlich geplant hatte – später einmal die Ranch übernehmen, sondern Arzt werden. Jordy kommt nach seiner Mutter, und noch dazu heiratet er heimlich – um seinen Vater vor vollendete Tatsachen zu stellen – eine mexikanische Krankenschwester, die er gegen jegliche rassistische Vorurteile und Angriffe beschützt.
Die großartige Besetzung des Films – allen voran Elizabeth Taylor, Rock Hudson und v.a. James Dean, aber auch Hopper und Carroll Baker, die die Tochter Luz Benedict II spielt – und die ebenso faszinierenden Bilder von William C. Mellor, unterstützt durch die Musik Dimitri Tiomkins, machen „Giant” auch noch heute zu einem sehr sehenswerten Film.
Zugleich ist „Giant” natürlich auch ein Film – wie der Titel mehr als deutlich suggeriert –, in dem die Gigantomanie zweier Männer – Bick und Jett Rink – einer vielleicht „leisen”, aber überzeugenden Kritik unterzogen wird, ohne die beiden bloß zu stellen. Erstaunlich ist für jene Zeit auch, dass Stevens – nur wenige Jahre nach der McCarthy-Ära und dem damit eben auch verbundenen konservativen „Schub” (der nach McCarthy keineswegs beendet war) – Konflikte wie Rassismus, Stellung der Frau usw. in einer Weise artikuliert, die für 50er Jahre außergewöhnlich offen war.