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    Chantal im Märchenland
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Chantal im Märchenland

    Fack Ju Gebrüda Grim

    Von Christoph Petersen

    Genug leise geheult! Mit ihrer szenenstehlenden Rolle als Chantal, die zwar Insta durchgespielt, aber mit dem Abiturstoff so ihre lieben Probleme hat, zählte Jella Haase zu den maßgeblichen Stützpfeilern des unglaublichen Erfolgs der „Fack Ju Göhte“-Trilogie, die allein in Deutschland insgesamt mehr als 21 (!) Millionen Besucher*innen in die Kinos locken konnte. Auch sieben Jahre nach „Fack Ju Göhte 3“ haben Chantal und ihr Social-Media-Sprech noch immer einen festen Platz in der Meme-Kultur – und so ist es kein Wunder, dass ausgerechnet ihre Figur mit „Chantal im Märchenland“ nun ein eigenes Kino-Spin-off erhält. Schon eher eine Überraschung ist, dass „Göhte“-Mastermind Bora Dagtekin („Das perfekte Geheimnis“) nicht den naheliegenden Weg geht und sie nach ihrem Gerade-eben-so-Abi an die Universität oder ins Berufsleben begleitet.

    Stattdessen werden Chantal und ihre beste Freundin Zeynep (Gizem Emre) durch einen Zauberspiegel ins titelgebende Märchenland gesogen – und die dort vorherrschenden, streng patriarchalischen Regeln findet Chantal einfach nur cringe. Die Idee, mit den schwer angestaubten Edler-Prinz-rettet-wehrlose-Prinzessin-Plots klassischer Märchen und Sagen mal so richtig aufzuräumen, hatten in den vergangenen Jahren schon viele, in „Ralph reichts 2“ nicht zuletzt Kinomärchen-Platzhirsch Disney selbst. Da kommt Chantal also eher spät zur Party – und trotzdem macht ihr im Sekundentakt Oneliner produzierender Plattenbau-Verve auch im vierten Anlauf eine Menge Laune, selbst wenn die allzu stolze Laufzeit und die unnötig dick aufgetragene Moral den Spaß ein Stück weit ausbremsen.

    Chantal (Jella Haase) bekommt von der Fee Funkelchen (Maria Happel) erklärt, wie sie womöglich in ihre eigene Welt zurückkehren kann. Nur will sie das überhaupt? Constantin Film Verleih
    Chantal (Jella Haase) bekommt von der Fee Funkelchen (Maria Happel) erklärt, wie sie womöglich in ihre eigene Welt zurückkehren kann. Nur will sie das überhaupt?

    Weil sie sich aus Angst vor Absagen nicht traut, ihre Bewerbungen für eine Ausbildungsstelle abzuschicken, sieht Chantal für sich nur noch eine einzige Chance, nämlich als Beauty-Influencerin. Aber das ist mit nur knapp über 300 Follower*innen gar nicht mal so einfach – und so wird eine potenzielle Marketingkampagne für ein gesalzenes Kaugummi schnell zum letzten Strohhalm. Doch dann kommt alles ganz anders: Chantal landet als Prinzessin im Märchenland – und sobald sie der Hexe mit der Spindel gezeigt hat, was 'ne Harke ist, verfällt sie nicht wie vorgesehen in einen 100-jährigen Schlaf, sondern wird stattdessen mit dem zum Fenster hereinkletternden Prinz Bosco (Max von der Groeben) verlobt.

    Der ist allerdings – gar nicht mal so heimlich – seinem Knecht Lorenz (Ben Felipe) zugeneigt. Also soll es wieder nach Hause gehen, nur ist in der Zwischenzeit leider der Spiegel zerbrochen, und den kann nur eine Hexe reparieren. Also müssen Chantal und Zeynep mithilfe von Stallbursche Aladin (Mido Kotaini) in den verzauberten Wald, wo die Hexe Sansara (Nora Tschirner) ihnen erst mal verklickert, dass die bösen Gerüchte über die magischen Schwestern alle nur vom kindlichen König Wilderich (Cooper Dillon) verbreitet wurden. Und überhaupt scheint dieser alle heldenhaften Geschichten seines Reiches so umschreiben zu lassen, dass Frauen darin möglichst nichts selbst zustande bringen…

    Jella Haase hat Chantal längst perfektioniert

    „Fack Ju Göhte“ war auch deshalb so unfassbar erfolgreich, weil Schul-Komödien generell ein sehr breites Publikum ansprechen. „Chantal im Märchenland“ ist in seinem Humor hingen sehr viel spitzer, da kann man sich in dem mit Popkulturreferenzen vollgepflasterten Bitch-Talk der Protagonistin auch schnell mal verloren fühlen, wenn man nicht selbst den ganzen Tag mit Insta und Influencer*innen verbringt (nach der Berliner Pressevorführung konnte man jedenfalls miterleben, wie erst einmal nicht verstandene Begrifflichkeiten und Social-Media-Mechaniken abgeklärt wurden). Aber gerade das macht die Qualität aus: Chantal haut raus und raus, ohne Rücksicht auf Verluste – und Jella Haase hat das Timing der Figur und ihres parodistischen Plattenbau-Sprechs längst so perfekt verinnerlicht, dass es selbst dann noch Spaß macht, wenn mal einige der kalauernden Oneliner nicht zünden.

    Andersherum kann man sich auch fragen, ob das junge Zielpublikum sofort Jasmin Tabatabai erkennt und versteht, warum ausgerechnet sie in der magischen Lampe von Aladin steckt (nämlich wegen ihres Real-Life-Vornamens und dem gecancelten Will Smith). Aber wie gesagt, Chantal und der Film ziehen ihr Ding einfach durch, und das ist erstmal gut so. Ein neuer Spruch für die Ewigkeit wie „Chantal, heul leise!“ ist zwar nicht dabei, aber den gab es auch schon in „Fack Ju Göhte 2“ und „Fack Ju Göhte 3“ nicht mehr. Nichtsdestotrotz dürften einige der Dialoge auch diesmal wieder über eine lange Zeit hinweg zitiert werden: „Wusstest du, dass es eine Märchenwelt gibt, ist das bekannt?“ „Woher soll ich das wissen, bin ich Physiker?“ Statt leise geheult darf da gerne laut gelacht werden.

    Chantal und Zeynep (Gizem Emre) werden in den Zauberspiegel gesogen – dagegen können sie sich stemmen, so viel sie wollen! Constantin Film Verleih
    Chantal und Zeynep (Gizem Emre) werden in den Zauberspiegel gesogen – dagegen können sie sich stemmen, so viel sie wollen!

    Mit Ausnahme von Nora Tschirner („Wunderschön“) können die übrigen Darsteller*innen in ihren Rollen der Hauptfigur allerdings nur schwer das Wasser reichen: Vielleicht wäre es besser gewesen, mehr ernsthafte Charaktere zu haben, an denen sich Chantal reiben kann, statt fast alle Märchenlandbewohner*innen ebenfalls herumblödeln zu lassen. Da dazu auch noch die Abrechnung mit den Geschichten der Gebrüder Grimm in eher bekannten Bahnen verläuft und die eigentliche „Handlung“ erst spät richtig an Fahrt aufnimmt, lastet eigentlich alles nahezu vollständig auf den Schultern der Titelheldin. Nun sind die Schultern von Jella Haase dafür ganz sicher nicht der schlechteste Ort, ganz im Gegenteil, aber mit zwei Stunden und drei Minuten ist „Chantal im Märchenland“ eben auch der längste Film der Reihe – und da schleicht sich doch der eine oder andere Hänger ein.

    Gerade wenn am Ende die eh auf der Hand liegende Moral von der Geschicht' noch mehrfach ausbuchstabiert wird, zieht sich der Film auf der Schlussgeraden sogar ein wenig wie Chantals immer wieder werbewirksam in Szene gesetztes Salz-Kaugummi. Aber eine Sache macht „Chantal im Märchenland“ dafür sogar klar besser als die Original-Trilogie: Wo das Produkt Placement mit dem großen gelben M gerade in „Fack Ju Göhte 2“ einfach nur unglaublich mies war, sind die Gags rund um McDonald’s-Menüs und Samsung-Galaxy-Klapphandys diesmal tatsächlich ziemlich gelungen.

    Fazit: Aus dem Plattenbau ins Märchenland! Jella Haase hat mit Chantal eine der erfolgreichsten (und ja, auch lustigsten!) deutschen Comedy-Kunstfiguren der letzten 20 Jahre geschaffen. Als solche trägt sie nun auch ihren eigenen Kinofilm, selbst wenn die eine zentrale Pointe über die (zu) stolze Laufzeit hinweg schon sehr ausgereizt wird.

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