So einen Film habt ihr garantiert noch nie gesehen: "Rocketman" trifft "Planet der Affen"!
Von Oliver Kube„Better Man – Die Robbie Williams Story“ schildert den Aufstieg, Fall und Wiederaufstieg des britischen Pop-Idols Robbie Williams. Das klingt – zumindest für Nicht-Superfans des Ex-Take-That-Bad-Boys – erst mal wenig aufregend. Schließlich laufen die meisten Musiker*innen-Biopics – sei es „Bird“, „Walk The Line“, „Rocketman“ oder zuletzt „Bob Marley: One Love“ und „Back To Black“ – über weite Strecken immer nach einem ähnlichen Muster ab: Schon früh zeigt sich bei dem späteren Star ein großes Talent. Doch irgendjemand oder irgendwas steht dessen Entfaltung zunächst noch im Wege. Mit Kampf und Ehrgeiz gelingt dennoch der Durchbruch und so der Aufstieg an die Spitze. Dort angekommen ist eine Weile alles wunderbar, bis sich ein Hindernis (meistens Drogen und Alkohol) auftut, das zu einem herben Rückschlag führt. Jetzt ist es an dem Star, sich wieder zurückzukämpfen, um noch erfolgreicher zu werden als zuvor.
Im nächsten Absatz dieses Textes folgt der für FILMSTARTS-Kritiken an dieser Stelle übliche Abriss der Story des Films. Schnell wird euch beim Lesen auffallen, wie sehr diese auch bei „Better Man“ dem oben geschilderten, arg abgegriffen wirkenden Schema ähnelt. „Da lässt sich eben nichts machen, Williams’ reale Geschichte ist nun mal so verlaufen“, könnte man meinen. Aber „The Greatest Showman“-Regisseur Michael Gracey hatte offenbar keine Lust darauf, einfach nur eine weitere generische Superstar-Story zu erzählen. Nach ein wenig Grübeln kam er deshalb gemeinsam mit seinen Co-Drehbuchautoren Oliver Cole und Simon Gleeson auf einen ebenso mutigen wie genialen Einfall. Dieser hat zur Folge, dass sich „Better Man“ von all seinen Vorgängern (und garantiert auch allen Nachfolgern) meilenweit absetzt: Statt eines Schauspielers, der dem jungen Robbie Williams möglichst ähnlich sieht, wird der Sänger im Film so verkörpert, wie er sich über die Jahre oft selbst gesehen hat: als einen singenden und tanzenden Affen in Menschenklamotten.
Wie sein Vater Peter (Steve Pemberton), ein desillusionierter und frustrierter Streifenpolizist, träumt auch der kleine Robert Williams (Asmara Feik als Affe) davon, ein großer Entertainer zu werden. Als der Vater die Familie früh im Stich lässt, wird der Ehrgeiz des eher schwächlichen Jungen aus der Industriestadt Stoke-on-Trent noch ausgeprägter – und sei es nur, um es dem Alten mal so richtig zu zeigen. Dank seines frechen Charmes wird der mittlerweile 16-jährige Breakdancer von dem cleveren Musikmanager Nigel Martin-Smith (Damon Herriman) als Mitglied für die von ihm neu gegründete Boyband Take That engagiert. Außerdem nennt der Manager seinen Schützling in Robbie (ab jetzt: Jonno Davies als Affe) um. Es dauert nicht lange und das Quintett startet voll durch – von Auftritten in mickrigen Gay-Clubs geradewegs an die Spitze der Charts und hinein in gigantische Stadien.
Doch die steile Karriere ist nicht unbedingt das, was Robbie sich erträumt hatte. Vor allem deshalb nicht, weil er sich dabei mehr und mehr wie Nigels Marionette fühlt. Selbst Kreativität zeigen darf er nicht. Stattdessen muss er die Klappe halten und brav zu den Liedern seines Kollegen Gary Barlow (Jake Simmance) tanzen. Aus Frust gibt er sich deshalb Drogen, Alkohol und bedeutungslosem Sex mit Groupies hin. Dabei übertreibt er es allerdings dermaßen, dass er aus der Band fliegt. So findet sich Robbie am Tiefpunkt einer emotionalen Achterbahnfahrt wieder. Selbstzweifel, Süchte und andere persönliche Krisen drohen ihn endgültig zu zerstören – es sei denn, er bringt endlich den Mut auf, sich seinen inneren Dämonen zu stellen…
Die Sache mit dem Affen klingt zunächst nach einem schlechten Scherz oder maximal nach einem coolen Gimmick für einen dreiminütigen Videoclip zur nächsten Single von Robbie Williams. Doch überraschenderweise nutzt sich das Ganze nicht schon nach ein paar Szenen ab, sondern funktioniert bis zum Ende der gut zweistündigen Laufzeit ganz hervorragend. Dafür, dass der Affe so echt aussieht und sich völlig stimmig in die realen Bilder einfügt, sorgte übrigens Wētā FX, das von Mastermind Peter Jackson mitbegründete Spezialeffekte-Studio hinter der „Herr der Ringe“-Trilogie. Ähnlich wie damals bei der Figur Gollum wurden auch die Affen-Auftritte in „Better Man“ mit einem Körperdouble im Motion-Capture-Verfahren gedreht.
Der Robbie-Affe wirkt realistischer als viele seiner Artgenossen aus dem jüngsten „Planet der Affen“-Blockbuster. Gestik und Mimik sind so großartig, dass wir als Zuschauer*innen tatsächlich sehr schnell damit klarkommen, dass hier ein sprechender Affe zum Popstar aufsteigt und niemand auf der Leinwand diesen Umstand als seltsam oder gar absurd empfindet. Die emotionalen Parts, besonders die ständig am Protagonisten nagenden Selbstzweifel, die schwierige Beziehung zum egoistischen Vater sowie die liebevollen Momente mit der von Westend-Veteranin Alison Steadman rührend verkörperten Großmutter, gehen allesamt zielgerichtet ans Herz. Und das, ohne dass wir uns davon auf billige Weise manipuliert fühlen würden.
Auch strukturell macht Regisseur Michael Gracey vieles richtig. Die Geschichte hat Fluss, weist kaum Längen auf und integriert jede Menge Hits wie „Let Me Entertain You“, „Rock DJ“ sowie natürlich den Megaschleicher „Angels“ sehr homogen in den Soundtrack. Hin und wieder werden Montagen eingebaut, um auf teilweise recht krasse Art die mentalen und physischen Auswirkungen der konsumierten Kokainberge zu illustrieren. Selbst die gar nicht so wenigen und mit teilweise herrlichem Bombast inszenierten Musical-Szenen wirken ungezwungen, denn auch diese bringen die Story voran. Die gelungenste von allen stellt Robbies Begegnung und nachfolgende Romanze mit der ebenfalls als Popstar erfolgreichen Nicole Appleton (Raechelle Banno) von der Girlband All Saints dar. Hier kommt sogar ein Hauch von altem Hollywood auf, wenn sich die Schöne und das Biest des Nachts auf dem hölzernen Außendeck eines Schiffes – tanzend und „She's The One“ singend – ineinander verlieben.
Die Tatsache, dass er sich ihr gegenüber später wie ein Arschloch erster Klasse verhalten wird, spart der Film übrigens keineswegs aus. Das ist alles sehr erfreulich und sogar für Nicht-Fans des Stars immens unterhaltsam gemacht. Für den Künstler selbst könnte sich nach Erscheinen von „Better Man“ allerdings ein Problem ergeben: Werden seine Anhänger*innen bei der nächsten Tournee wirklich akzeptieren, dass da wieder ein mittlerweile etwas in die Jahre gekommener alter weißer Mann und kein teuflisch attraktiver Affe auf der Bühne steht?
Fazit: „Better Man“ hätte ein typisches Popstar-Biopic werden können. Aber mithilfe des ebenso mutigen wie genialen Kunstgriffs, Robbie Williams von einem CGI-Affen spielen zu lassen, erhebt „Greatest Showman“-Mastermind Michael Gracey sein Werk zu einem angenehm erfrischenden sowie spektakulär umgesetzten Leinwand-Experiment. Zugleich funktioniert der Film auch ganz hervorragend als satirischer Kommentar auf das Genre des Musiker-Biopics an sich.