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    Ted K
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Ted K

    Vom Naturliebhaber zum Joker

    Von Janick Nolting

    22 Verletzte, drei Tote: Theodore Kaczynski, der Unabomber, hat die USA mit Bombenanschlägen in Angst und Schrecken versetzt. 25 Jahre lang lebte er in einer Waldhütte und wurde zu einem der gefährlichsten Terroristen des Landes, bis ihn das FBI 1996 nach langwieriger Fahndung verhaftete. Regisseur Tony Stone hat sich mit „Ted K“ an eine neue filmische Annäherung gewagt, die den Kriminalfall als schrägen Trip aufbereitet.

    Einen Ort der Stille wollte Ted Kaczynski (Sharlto Copley) finden. Doch weit gefehlt: Zwar hat der ehemalige Mathe-Professor mit seinem alten Leben bereits abgeschlossen und haust nun in einer Hütte in den Bergen Montanas, doch die Welt da draußen holt ihn ein. Über den Baumwipfeln fliegen Jets, Gift wird versprüht, der Wald gerodet. Ted plant, sich an jenen zu rächen, die für die moderne Industriegesellschaft verantwortlich sind…

    Ted ist dann irgendwie auch schon ganz schön Stolz auf das Medienecho, das er mit seinen Anschlägen provoziert.

    Die Natur war bisher in allen Filmen von Tony Stone bestimmendes Thema. In „Peter And The Farm“ portraitiert er beispielsweise einen Farmer, der sich in seinem schmutzigen, von Schuldgefühlen zerfressenen Mikrokosmos verliert. Und in „Out Of Our Minds“ zeigt Stone eine Waldrodung als Splatterfilm mit blutenden Baumstämmen. „Ted K“ ist die konsequente Fortschreibung dieser Arbeiten. Auch hier bluten Pflanzen und Flüsse.

    Ein klassisches Biopic über das Leben des Terroristen ist „Ted K“ nicht. Der Weg in den Wald ist per Texttafel schnell umrissen. Details wie die fragwürdigen Menschenexperimente, an denen Kaczynski teilnahm, werden ausgespart. Tony Stone greift stattdessen auf die Originalschriften des Unibomber zurück, die als Voice Over beschworen werden, während Sharlto Copley („District 9“) einen wahren Kraftakt zu bewältigen hat. Er spielt den Terroristen Kaczynski mit großer Eindringlichkeit und, sofern es ihm das Drehbuch ermöglicht, der nötigen Ambivalenz. Die sorgt nämlich dafür, dass der Film nicht vollends ins Skurrile abdriftet, Subtilität ist sonst schließlich nicht die Stärke seines Regisseurs.

    Furiose Inszenierung

    „Ted K“ besticht stattdessen mit ungeheurer Gestaltungsfreude. Bilder überlagern sich, auf der Tonspur gehen dröhnende Elektro-Sounds und klassische Stücke Hand in Hand, Montagen bewegen sich teils am Rande des Musikvideos. Über „Ted K“ liegt eine psychotische, fiebrige Stimmung, die immer wieder ins Surreale kippt. Etwa wenn sich Teds Waldhütte wild zu überschlagen beginnt. Im Hintergrund trällert Bobby Vinton „Mr. Lonely“. Der Film führt in solchen Momenten die Isolation und den Wahn seines Protagonisten ad absurdum. Leider sind Szenen wie diese das beste Beispiel, dass bei all dem furiosen visuellen Einfallsreichtum vor allem ein Gefühl der Unentschlossenheit dominiert, was man in dieser Wahnsinnsstudie eigentlich zu finden erhofft?

    Stones unmittelbare, auf die Hauptfigur beschränkte Erzählperspektive lässt nur wenige Ausbrüche aus deren Weltsicht zu. Den Einfall der Maschinen inszeniert er als akustische Schockeffekte, so wie sie von Ted wahrgenommen werden. Später lösen sich die audiovisuellen Spielereien jedoch fortwährend von ihrem Protagonisten, machen ihn zum Ausstellungsobjekt in seinem eigens kreierten Käfig. Es fehlt der letzte Gedanke, was die überstilisierte Form ihrem Gegenstand eigentlich abgewinnen will. Ted selbst blickt mehrfach direkt in die Kamera, als wolle er sein Publikum zum Urteilen ermahnen. Sein Regisseur verliert sich derweil im grellbunten Lichterrausch.

    Letztlich bleibt nicht viel mehr als eine Faszination am Bösen. Als Verkehrung von „Apocalypse Now“ schießt Ted in einer Szene brüllend auf die Hubschrauber am Himmel. Wagners Walküren und das Donnern der Rotorblätter schaukeln sich zu einer lärmenden Kakophonie hoch. Eine nette Idee, aber der Film nutzt in solchen Momenten dann doch nur Kaczynskis Wahn als Spektakel aus, anstatt sich genauer auf den beunruhigenden Kern zu konzentrieren.

    Pure Provokation oder brisante Debatte?

    Technik-Abhängigkeit, Naturverehrung und Fortschrittsmisstrauen, die sich bis ins Zerstörerische radikalisieren – „Ted K“ wagt sich an heikle Themen. Kaczynski forderte eine Zerschlagung von Industrie und Technik. Der Mensch sollte wieder in einen Ur-Zustand zurückkehren. Teds Skrupellosigkeit und fehlende Reue sind es, die am meisten schockieren.

    Der Film muss das selbstverständlich nicht moralisieren. Es scheint jedoch fraglich, ob zwei Stunden im Kopf des Öko-Terroristen wirklich als fruchtbarer Beitrag zu gegenwärtigen Diskursen rund um Klima- und Umweltschutz taugen. Zumal der Raubbau an der Natur, der visuell immer wieder als Anlass für die Anschläge ins Zentrum gezerrt wird, als Motiv für Teds Handeln zu kurz gegriffen ist, wie man aus den Off-Texten entnehmen kann.

    Verharmlosung der Gewalt

    „Ted K“ zeigt den Unabomber als Joker-Figur, inklusive sexueller Frustration und einer wahnhaft triumphierenden Lach-Szene. Wie Todd Phillips in „Joker“ greift auch Stone dabei auf Erzählweisen des New-Hollywood-Kinos zurück und begeht bei der Inszenierung seines Außenseiters die Gratwanderung zwischen Medienstar, Kritiker und Monster. Im Gegensatz zu Phillips‘ Film verlässt man „Ted K“ jedoch mit einer ernüchternden Gleichgültigkeit.

    Auch weil er daran scheitert, den Opfern ein Gewicht zu geben und das ganze Ausmaß der Verbrechen spürbar werden zu lassen. In seiner jetzigen Form mit all den hin- und herspringenden Montagen zwischen Zivilisation, Abgeschiedenheit und Innenschau gleicht „Ted K“ einer schrillen Revue, die das Böse in seiner Raffinesse mit Ehrfurcht verfolgt, aber dessen grausame Taten dann allzu banal ins Licht rückt.

    Egal ob Psychose, Waldwanderung, Städtereise oder Attentat: „Ted K“ beschießt sein Publikum mit den immer gleichen knalligen Farben, Überblendungen und Klang-Exzessen. Der Film rast durch die Jahre bis zur Verhaftung, irgendwann wiederholen sich Szenen nur noch in Schleifen und Variationen. Vielleicht das eindrücklichste Statement, das sich Regisseur Tony Stone abringt: Ted K, ein Individuum, das bei allen Umsturzfantasien doch nur noch um sich selbst kreist.

    Fazit: Tony Stones Unabomber-Film ist audiovisuell berauschendes Provokationskino, das seinem brisanten Stoff aber nur wenig Erhellendes abgewinnen kann. Die Ziellosigkeit von „Ted K“ zwischen Thriller, Groteske, Polit-Parabel und Charakterstudie wirkt auf Dauer eher ermüdend.

    Wir haben „Ted K“ im Rahmen der Berlinale 2021 geshen, wo er in der Sektion Panorama gezeigt wird.

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