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    Heart Of Stone
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,5
    enttäuschend
    Heart Of Stone

    Die Discounter-Antwort auf "Mission: Impossible"

    Von Sidney Schering

    2018 wählte das Time Magazin Gal Gadot zu den 100 einflussreichsten Menschen der Welt – ein eindrucksvolles Zeugnis des kulturellen Echos, das insbesondere von ihrem DC-Solofilm „Wonder Woman“ ausging. Seither lief es allerdings längst nicht mehr so gut – woran sicherlich auch ein Scherflein Pech und mieses Timing Schuld hatten: „Wonder Woman 1984“ wurde zur Hochphase der Corona-Pandemie mit weit weniger Fanfare veröffentlicht, als man es beim Sequel eines globalen Phänomens erwarten würde. Auch „Tod auf dem Nil“ lief nach mehreren Verschiebungen und den Skandalen um Co-Star Armie Hammer ein Stück weit unter dem Radar. Der Actionfilm „Red Notice“ wiederum bescherte Netflix zwar massenhaft Aufrufe und Gal Gadot einen saftigen Gehaltsscheck, die Kritiken fielen jedoch mau aus.

    Dieses Jahr absolvierte die Schauspielerin bislang nur kleine Cameo-Auftritte – noch dazu in drei Big-Budget-Produktionen („Shazam! 2“, „Fast & Furious 10“, „The Flash“), die allesamt hinter den wirtschaftlichen Erwartungen zurückgeblieben sind. Kurzum: Gal Gadot braucht allmählich mal wieder ein Projekt, das ihren Superstar-Status bestätigt – und das wird sicher nicht das Netflix-Original „Heart Of Stone“ sein. Denn der von ihr mitproduzierte Agenten-Actioner von Regisseurs Tom Harper funktioniert vor allem als Erinnerung daran, was an der „Mission: Impossible“-Reihe so toll (und so viel besser als hier) ist.

    Gal Gadot liefert – wird aber vom Skript und der Regie im Stich gelassen.

    Rachel Stone (Gal Gadot) ist für den MI6 tätig – und zwar als Hackerin. Bei einer Mission legt sie ihren Laptop aber trotzdem mal kurz zur Seite, um ihr Team, bestehend aus den Agent*innen Yang (Jing Lusi) und Parker (Jamie Dornan) sowie dem Fahrer Bailey (Paul Ready), an vorderster Front zu unterstützen. Das Trio redet ihr dabei gut zu, da sie als Computer-Expertin ja nicht für den Feldeinsatz ausgebildet wurde. Aber Pustekuchen: In Wahrheit gibt sich Stone bloß unerfahren, um ihre Tarnung nicht zu gefährden. Stone ist nämlich zeitgleich als Feldagentin für Charter zuständig, eine mysteriöse Organisation ohne nationale Bindung.

    Das sprichwörtliche Ass in Charters Ärmel ist die vom „Herzbuben“ (Matthias Schweighöfer) gelenkte Künstliche Intelligenz namens „Herz“, die alle Eventualitäten im Voraus berechnet und so im Einsatz das optimale Vorgehen bestimmt. Jedoch hat es auch die 22-jährige Spitzen-Hackerin Keya Dhawan (Alia Bhatt) auf „Herz“ abgesehen – und mischt sich in Stones MI6-Mission ein. Wie aber soll Stone ihr MI6-Team beschützen, ihre Tarnung aufrechterhalten und gleichzeitig verhindern, dass Charters Geheimwaffe in die falschen Hände gerät?

    Das Vorbild ist omnipräsent

    Neben Gal Gadot fungierte bei „Heart Of Stone“ auch David Ellison als Produzent. Der Gründer und CEO von Skydance war mit seiner Produktionsfirma auch an sämtlichen „Mission: Impossible“-Filmen seit Teil vier beteiligt – und irgendwie lässt sich der Verdacht nicht abschütteln, dass Gadot und Ellison hier ihr eigenes „Mission: Impossible“ auf die Beine stellen wollen. Trotz der Parallelen auf dem Papier scheitert dieses Vorhaben allerdings an der Umsetzung, die eher wie ein verwässertes „Mission: Impossible“ anmutet – und sich ganz sicher nicht als neue, frische Alternative anbietet (selbst wenn das enttäuschende Kinokassen-Abschneiden von „Mission: Impossible 7 – Dead Reckoning Teil 1“ das Tor dafür gerade ein Stück weit aufgestoßen hat).

    Beim direkten Vergleich zieht „Heart Of Stone“ vor allem in den Actionszenen den Kürzeren: Ob Fallschirmsprung, Skydiving oder innerstädtische Auto-Verfolgungsjagd über Kopfsteinpflaster, hügelige Straßen und Steintreppen hinweg – nie kommen in der Netflix-Variante auch nur ansatzweise der Thrill und der Spaß auf, den wir bei den jüngsten „Mission: Impossible“-Abenteuern erlebt haben. Schuld daran sind ein Übermaß an halbgaren CG-Elementen, auffälligen Greenscreen-Aufnahmen sowie ein Schnitt frei von Rhythmusgefühl. Dazu kommt die schwammige Regieführung: Nahaufnahmen sind oftmals derart nah an den Figuren, dass ihre riskanten Manöver kaum zu erkennen sind. In Totalen ist die Kamera dagegen wiederholt dermaßen von der Action distanziert, dass sie ebenfalls nichtig wirkt. Trotz hoher Dichte an Kampfszenen und Verfolgungsjagden hat „Heart Of Stone“ daher nur maximal eine Handvoll an Actionpassagen zu bieten, bei denen der Adrenalinpegel zumindest ein wenig hochgeht.

    Matthias Schweighöfer hatte sicherlich noch nie einen solch tollen Rollennamen wie in „Heart Of Stone“: Herzbube!

    Dass mit „Herz“ dazu noch ein gezügeltes Pendant zur allmächtigen „Entität“ aus „Dead Reckoning Teil 1“ im Mittelpunkt steht, lässt „Heart Of Stone“ endgültig wie eine Discounter-Variante der Tom-Cruise-Stuntparade wirken: Christopher McQuarrie macht in „Mission: Impossible 7“ aus einem diffusen Algorithmus eine prägnante, einschüchternde Präsenz. Das „Herz“ hingegen wird optisch völlig austauschbar präsentiert – und das Drehbuch von Greg Rucka und Allison Schroeder macht in seiner Kritik am übereifrigen Umgang mit Algorithmen auch bloß halbe Sachen.

    Das Beste ist der Cast

    Was „Heart Of Stone“ trotzdem noch mehr oder weniger zusammenhält, ist neben dem temporeich-eingängigen Score von Steven Price („Last Night In Soho“) vor allem der Cast: Obwohl sie sich durch einige verkrampfte Expositionsdialoge ackern müssen, holen Gal Gadot und ihre Co-Stars viel aus dem Material heraus. Gadot gelingt es, zwischen der echten Stone und ihrer im Feldeinsatz unerprobten Tarnung eine intuitive Trennlinie zu ziehen – und strahlt entsprechend immer die gerade passende (In-)Kompetenz in den Actionszenen aus. Jamie Dornan („Fifty Shades Of Grey“) gibt sich löblich Mühe, Parker mittels Hundeblick und amüsiertem Grinsen mehr Profil zu geben, als er auf dem Papier hat.

    Der Bollywood-Megastar Alia Bhatt („Gangubai Kathiawadi“) wiederum gefällt als quirlige, antagonistische Hackerin, die sich in Dinge verstrickt, die ihr über den Kopf wachsen. Sophie Okonedo („Das Rad der Zeit“) strahlt derweil als Charter-Chefin Nomad eine streng-charismatische Autorität aus. Und Matthias Schweighöfer (bald als Frank Farian im Milli-Vanilli-Biopic „Girl You Know It's True“ zu sehen), der als „Herzbube“ vor allem den Job hat, Stone die neusten Berechnungen der Charter-KI einfach nur vorzulesen, meistert diese undankbare Aufgabe, ohne mit der Wimper zu zucken (wenn auch mit weniger Humor als seine „Mission: Impossible“-Hacker-Kollegen Simon Pegg und Ving Rhames).

    Fazit: Ohne den hochkarätigen Cast, der seinen nur schwach umrissenen Figuren zumindest ein wenig Profil verleiht, könnte „Heart Of Stone“ glatt als Mockbuster von „Mission: Impossible 7“ durchgehen.

     

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