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    Die drei Musketiere: D'Artagnan
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Die drei Musketiere: D'Artagnan

    Ein solider Start für das Musketier Cinematic Universe

    Von Sidney Schering

    Ob als kunterbunter Kostümfilm mit Gene Kelly, als actionreiche Trilogie des späteren „Superman II“-Regisseurs Richard Lester oder als Disney-Abenteuerspaß mit Kiefer Sutherland und Charlie Sheen: Nur wenige Stoffe wurden derart oft verfilmt wie Alexandre Dumas' „Die drei Musketiere“. Das zuerst als Zeitungs-Fortsetzungsroman veröffentlichte Meisterwerk diente auch schon als Vorlage von mittlerweile drei BBC-Serien sowie mehreren (!) russischen Musicalfilmen. Zudem wurden die obligatorischen Degenkämpfe 2001 in der losen Adaption „The Musketeer“ mehr schlecht als recht um Martial-Arts-Elemente bereichert, während „Resident Evil“-Regisseur Paul W.S. Anderson zehn Jahr später auf 3D-Effekte und Luftschiffe zurückgriff, um den Klassiker mit „Die drei Musketiere“ in die Moderne zu holen.

    Bei dieser Fülle an internationalen Adaptionen könnte man fast vergessen, dass es sich hier ursprünglich um französisches Kulturgut handelt. Schließlich thematisiert die Vorlage eine Zeit, in der die Grande Nation von religiösen Konflikten und auseinanderdriftenden Positionen zum Adel gespalten war. Nun findet wieder eine französische Perspektive auf den Stoff ihren Weg ins Kino – und dabei wird geklotzt statt gekleckert: Regisseur Martin Bourboulon stemmt gleich zwei Kinofilme (der zweite Teil „Die drei Musketiere: Milady“ folgt im Dezember), während auf Disney+ darüber hinaus noch zwei Serien-Ableger erscheinen sollen. „Die drei Musketiere: D’Artagnan“ bildet nun den Auftakt für dieses Mammutprojekt – und lässt trotz unbestreitbarer Stärken doch das gewisse je ne sais quoi vermissen.

    D'Artagnan (François Civil) verfolgt vor allem ein Ziel – er will unbedingt ein Musketier werden!

    D'Artagnan (François Civil) stammt aus der Gascogne und möchte sich den Musketieren des Königs anschließen. In Paris angekommen, verliebt er sich Hals über Kopf in Constance Bonacieux (Lyna Khoudri), die Vertraute der Königin (Vicky Krieps). Die Kontaktaufnahme mit den Musketieren wiederum gerät deutlich haariger: Innerhalb kurzer Zeit bringt D'Artagnan den adeligen Athos (Vincent Cassel), den Lebemann Porthos (Pio Marmaï) und den zwar gläubigen, aber auch ziemlich frivolen Aramis (Romain Duris) gegen sich auf.

    Erst als sich abzeichnet, dass die geheimnisvolle Milady de Winter (Eva Green) mit Kardinal Richelieu (Éric Ruf) finstere Pläne schmiedet, rauft sich das Quartett zusammen und kämpft in dem durch Religionskriege gespaltenen Königreich fortan gemeinsam für Zusammenhalt und Ordnung…

    Es geht richtig gut los

    Zum Auftakt von „Die drei Musketiere: D’Artagnan“ ertönt eine schwer wabernde Musik, die anmutet, als wolle Komponist Guillaume Roussel die dramatische Klangfarbe von „The Dark Knight“ imitieren. Heftiger Regen prasselt auf die durch Matsch schreitenden Figuren nieder, die der Regisseur und sein Kameramann Nicolas Bolduc („Enemy“) in drastische Schatten hüllen. Nur das Nötigste ist zu erkennen, während Fieslinge ein Attentat verüben. Daraufhin begräbt ein Einbeiniger die Opfer – eines davon lebendig: D’Artagnan, der sich hustend aus dem Dreck wühlt, als sei er ein Zombie aus einem Horrorfilm.

    Es ist eine eindrucksvolle Eröffnung, nach der man gerne glaubt, dass der Musketier-Mythos vielleicht doch noch nicht zu Tode adaptiert wurde. Allerdings halten Bourboulon und die Drehbuchautoren Alexandre de La Patellière und Matthieu Delaporte diese Qualität nicht über zwei Stunden durch. Stattdessen hangeln sie sich vor aufwändig-schmutziger Kulisse zunehmend von Handlungselement zu Handlungselement, während es an einer durchgängigen Vision fehlt: So legen die dreckige Eröffnungspassage sowie die sporadisch wiederkehrende Erkennungsmusik im „The Dark Knight“-Klanggewand zwar eine düstere Neuninterpretation des Stoffes nahe, aber die leichtgängigeren Elemente des Stoffes bleiben trotzdem intakt – etwa wenn sich D’Artagnan ohne guten Grund ein Duell auf Leben und Tod nach dem anderen einbrockt.

    Die geheimnisvolle Milady de Winter (Eva Green) führt bestimmt nichts Gutes im Schilde!

    Leider folgen die verschiedenen Tonlagen eher unmotiviert aufeinander, als dass sie sich stimmig ergänzen würden. Der Plot bleibt in erster Linie ein Alibi für die actionreichen Missionen, bei denen es allerdings – auch aufgrund des düsteren Grollens unter der Oberfläche – an der nötigen Schmissigkeit eines vergnüglichen Mantel-und-Degen-Abenteuers mangelt. Auf der anderen Seite hätte man auch expliziter auf den schwelenden Selbstzweifel eines „Dark Knight“ setzen und einen Film über die Verletzlichkeit des männlichen Musketier-Egos bzw. die Dünnhäutigkeit der herrschenden Monarchen drehen können. Aber dazu fehlt es dem Skript auf Dauer an der nötigen Substanz.

    Zumindest machen de La Patellière und Delaporte spürbar, wie sehr dieses Frankreich von innen heraus zu zersplittern droht: Berater des Hofes warnen vor Terroranschlägen seitens der Protestanten, die sich gegen die Monarchie verschworen haben sollen. Eine der besten Sequenzen des Films zeigt eben einen solchen Attentatsversuch – gewürzt mit reichlich Suspense. Dennoch bleibt die angespannte politische Situation ein Hintergrundrauschen, das dem zentralen Heldenquartett trotz seines Treueschwurs gegenüber der Krone keinerlei Gewissenskonflikte abverlangt.

    Mangelndes Zusammengehörigkeitsgefühl

    Die Helden nehmen sich nicht nur wenig Zeit, um sich über Politik den Kopf zu zerbrechen, sie haben auch nur selten Spaß zusammen: Dass das bereits eingeschworene Trio Athos, Porthos und Aramis mit Neuzugang D’Artagnan ab einem gewissen Punkt eine innige Einheit bilden soll, bleibt deshalb erzählerische Behauptung. In den wenigen kurzen Szenen, in denen die vier Helden Bande knüpfen, kommt das jedenfalls nicht glaubhaft rüber. Völlig spaßbefreit geht es in „Die drei Musketiere: D’Artagnan“ trotzdem nicht zu: Insbesondere „Final Cut Of The Dead“-Hauptdarsteller Romain Duris punktet als doppelzüngiger Mann Gottes mit süffisanten Dialogen – und wenn er bei einem Verhör ein Kruzifix zweckentfremdet, hat das sogar einen staubtrockenen Witz.

    Generell ist der Mittelteil, in dem Aramis, Porthos und D’Artagnan einen auf Sherlock Holmes machen, um Athos davor zu bewahren, unschuldig gehängt zu werden, die reizvollste Strecke des Films. Denn in diesem Abschnitt des Films findet Bourboulons dreckige, aber dennoch nicht allzu sehr um Tiefsinn bemühte Herangehensweise endlich eine stimmige Balance: Drei Helden suchen nach Beweisen, um Recht und Ordnung für einen von ihnen einzufordern – und gehen dabei mit ihren zynisch-fiesen Kommentaren des Öfteren zu weit.

    Athos (links: Vincent Cassel), Porthos (rechts: Pio Marmaï) Aramis (Mitte: Romain Duris) sind die legendären drei Musketiere!

    Auf ähnlich schroffe Weise agieren die Helden auch in den Actionszenen, die sich zwar inszenatorisch enorm vom Rest des Films abheben, dabei aber wenigstens einprägsame Akzente setzen: Gleich mehrere Konfrontationen sind in Form langer Plansequenzen inszeniert, in denen die Kamera eine subjektive Perspektive einnimmt und rastlos das Chaos um sich herum einzufangen versucht. Diese desorientierenden Szenen, in denen die Musketiere ihrem Namen alle Ehre machen und vor allem von ihren Musketen Gebrauch machen, wecken vage Erinnerungen an die Kampfsequenzen aus Alejandro G. Iñárritus „The Revenant – Der Rückkehrer“ – inklusive des erschütternden Sounddesigns der Schusswechsel.

    Fazit: Düsterer Reboot oder leichtfüßiges Abenteuer? „Die drei Musketiere: D’Artagnan“ setzt sich da trotz wuchtiger Action-Sequenzen ein wenig zwischen die Stühle. Dennoch bleibt unsere Vorfreude auf den zweiten Teil „Die drei Musketiere: Milady“ ungebrochen: Eva Green ist als betrügerische Verführerin einfach richtig gut, und da die bekannteren Elemente der Vorlage größtenteils im ersten Film abgearbeitet wurden, erwartet uns in der zweiten Hälfte sicherlich noch die eine oder andere Überraschung.

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