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    Arboretum
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,0
    schlecht
    Arboretum

    Weltschmerz um des Weltschmerzes willen

    Von Thorsten Hanisch

    Arboretum“ erzählt von zwei gelangweilt-frustrierten Außenseitern in einem kleinen Dorf in Thüringen. Als der eine zarte Bande mit einer Punkerin knüpft, laufen die Dinge mehr und mehr aus dem Ruder und münden schließlich in einem Möchtegern-Paukenschlag-Finale, das zwar schockierend und tragisch sein soll, aber bei den meisten wohl eher für ein Schulterzucken sorgen wird. Das unabhängig finanzierte Depri-Drama von Regie-Debütant Julian Richberg suhlt sich 79 Minuten lang in Weltschmerz – hat darüber hinaus aber wenig über seine Protagonisten und ihre Situation zu sagen.

    Erik (Oskar Bökelmann) und Sebastian (Niklas Doddo) haben`s schwer: Die zutiefst frustrierten Außenseiter und beste Freunde werden regelmäßige Opfer des Schulrowdys Patrick (Tobias Krebs) und dessen Kumpanen. Zu allem Überfluss ist es in ihrem Heimatkaff auch noch ganz schön öde, es passiert einfach nichts – weswegen die beiden ihre Freizeit am liebsten mit PS2-Prügelspielen oder Schießübungen verbringen. Doch eines Tages verguckt sich Erik in die Punkerin Elli (Anna Jung), die ihn zu einer Party einlädt. Sebastian hat zwar keinen Bock, lässt sich dann aber doch überzeugen, nur um auf der Party von plötzlich hereinstürzenden Neonazis vermöbelt zu werden. Langsam aber sicher kriegt die Freundschaft der Jungs einen Riss. Erik hört Stimmen und fängt an, ein geheimnisvolles Wesen im Wald zu sehen – und doch scheint sich sein Leben dank Elli zum Guten zu entwickeln. Bei Sebastian allerdings brodelt der Hass immer mehr an die Oberfläche…

    Sebastian (Niklas Doddo): Auf der Playstion wird geprügelt, im wahren Leben geschossen…

    Es überrascht nicht, in einem Interview mit Regisseur Julian Richberg zu lesen, dass dieser bei seinem Umzug von der hessischen Kleinstadt Fritzlar nach Berlin große Wut auf seine Heimat im Bauch hatte und sein Debütfilm, obwohl geographisch woanders verortet, von persönlichen Erlebnissen geprägt ist. Denn eins muss man ihm lassen: Die dargestellte Provinz-Tristesse wirkt dank überwiegend authentisch spielender Darsteller und gut gestalteter Sets absolut überzeugend. Nur keimt leider mit zunehmender Laufzeit der Verdacht auf, dass Richberg vor allem seine Wut auf die Leinwand blasen wollte – sich aber nicht im Klaren darüber war, was er eigentlich erzählen will (beziehungsweise ob er überhaupt etwas zu erzählen hat).

    Das fängt bereits bei den Protagonisten an, bei denen nie so richtig deutlich wird, woher die ins psychotische gehende Wut eigentlich kommt: Schulschläger, Langeweile und Frust werden wohl ziemlich viele Jugendliche kennen, aber die wenigsten flippen deswegen aus – Erik dagegen stochert bereits in seiner ersten Szene mit einem Messer in einem toten Vogel rum, hört Stimmen im Wald und droht wenige Minuten später Patrick „die Augen aus seinem fetten Schweinegesicht zu schneiden, damit dieser ihm zuschauen kann, wie er ihn ausweidet“. Und wenn dann noch Sebastian gleich in seiner ersten Szene meint, dass er will, dass was Wichtiges, was Großes passiert, dann ist klar, wohin die Reise geht und dran ändert auch Eriks zarte Liaison mit Elli nichts.

    Ellie (Anna Jung) ist für Erik (Oskar Bökelmann) zumindest kurzzeitig ein möglicher Ausweg aus der allgegenwärtigen Tristesse.

    Statt seine beiden Protagonisten zu erkunden, sie und damit die Katastrophe greifbar zu machen, vielleicht sogar aufzuzeigen, wie sie hätte verhindert werden können, fährt Richberg einen offenbar von „Donnie Darko“ inspirierten Horrorfilm-Budenzauber auf, der zwar für einen Film dieser Preisklasse gut getrickst ist, aber nicht wirklich was zur Geschichte beiträgt. Zugleich wird auf weiteren Ebenen munter der ganz dicke Pinsel geschwungen: Sebastians Großvater ist ein Altnazi, was bei ihm zu Hause aber nicht thematisiert werden darf …

    … und Eriks Vater ist von seiner Vergangenheit als NVA-Mauerschütze traumatisiert und fängt ausgerechnet während einer Live-Berichterstattung über die Terroranschläge vom 11. September 2001 an, von seiner Vergangenheit zu erzählen. Bei soviel menschlichen Abgründen verwundert es dann nur noch wenig, dass sich der Bruder von Patrick als Neonazi entpuppt und selbst die in diesem Grusel-Kabinett am normalsten wirkende Elli natürlich auf eine „wilde Vergangenheit“ zurückblickt und einst mit drei Kerlen gleichzeitig Sex hatte.

    Fazit: Das Debüt von Julian Richberg bemüht den ganz dicken Pinsel und erzielt gerade deswegen kaum eine Wirkung. Stattdessen bewegt sich hier vieles nahe an einem Sozialporno: Die Figuren sind im Endeffekt keine, sondern verkörpern vornehmlich Probleme. Alles finster-finster, Abgrund wird mit Anspruch verwechselt. Als dreieinhalbminütiger Emo-Song wäre das sicherlich okay, aber für einen abendfüllenden Spielfilm ist das definitiv zu wenig.

     

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