So traurig wie wunderschön
Von Ulf LepelmeierManchmal kann ein einfaches Lächeln schon das Gemüt heben und einem den Tag retten. Das Lächeln, das sich Hund und Roboter in „Robot Dreams“ direkt nach der Aktivierung des Blechmanns zuwerfen, ist sogar so herzlich, dass man sofort glaubt, dass dieser Moment eine tiefe Verbundenheit und Freundschaft begründet. Fortan ist der einsame Hund nicht mehr allein und hat mit dem Roboter einen Begleiter, der mit staunenden Augen die für ihn neue Welt erkundet.
Der spanische Regisseur Pablo Berger präsentiert mit seiner für den Animationsfilm-Oscar 2024 nominierten Comic-Adaption einen ungemein herzlichen, nostalgischen Film, der zwar von Tieren und Robotern bevölkert wird, aber trotzdem zutiefst menschlich von Einsamkeit, Freundschaft und schicksalhaften Lebensabzweigungen erzählt. Und das sogar ganz ohne Dialoge.
Hund führt ein einsames Leben im New York Ende der 1980er Jahre. In seiner kleinen Wohnung sitzt er beständig allein vor dem Fernseher und macht sich jeden Abend Tiefkühl-Käsemakkaroni in der Mikrowelle warm. Doch dann sieht er eines Tages die Werbung für einen Roboterfreund und ist sofort von der Idee begeistert. Nach der Lieferung und dem Zusammenbau der Maschine ist auch direkt eine Verbindung zwischen den beiden gegeben. Hund ist happy und genießt die gemeinsame Zeit mit dem etwas naiven Roboter, der noch viel übers Leben zu lernen hat.
Das Duo ist fortan unzertrennlich und unternimmt alles zusammen. Doch dann schlägt das Schicksal bei einem spätsommerlichen Ausflug auf Coney Island gnadenlos zu, als die Batterie von Roboter gänzlich entladen ist und Hund nichts anderes übrigbleibt, als seinen Freund allein am Strand zurückzulassen. Als das Strandgelände dann auch noch bis zur nächsten Sommersaison geschlossen und Hund somit die Rückkehr zu seinem Roboter verwehrt wird, müssen beide mit der neuen Situation umgehen. Ihre Freundschaft wird auf eine schwere und langwierige Probe gestellt…
Schon bei „Blancanieves – Ein Märchen von Schwarz und Weiß“, der die Schneewittchen-Geschichte in die 1920er Jahre nach Andalusien verlegt und in schwarz-weiß eine bewegende Ode an die Stummfilmzeit darstellt, zeigte Pablo Berger, wie gut er einen Film gänzlich ohne Dialoge umzusetzen versteht. Obwohl er seine Schneewittchen-Variante kulturell und zeitlich klar verankerte, zelebrierte er – wie nun auch mit „Robot Dreams“ – die Universalität und damit Zugänglichkeit der Geschichte. Dabei erinnert sein erster Animationsfilm mit seiner fragmentarischen Erzählweise, die wie eine gelungene Sammlung von miteinander verbundenen Kurzgeschichten anmutet, an die traditionellen Kurzfilme der Pixar-Studios, die mit ihren klar ausgearbeiteten Geschichten und charmanten Figuren auch ohne Worte direkt ins Herz treffen.
Der einfache, aber effektive Animationsstil ist mit schlichter Linienführung und klaren Farben direkt an die Comic-Vorlage von Sara Varon angelehnt, die 2008 auch in Deutschland unter dem Titel „Robot und Hund: Wahre Freundschaft rostet nicht“* veröffentlicht wurde. Berger nimmt sich der melancholischen Story in handgezeichneten Animationen gekonnt an und lässt zugleich voller Nostalgie und mit vielen amüsanten Details die Zeit der späten 1980er Jahre in New York wieder auferstehen. Denn auch wenn die US-Metropole hier von anthropomorphisierten Tieren bevölkert wird, durchströmt den Film das Flair der Ära von Kassettenrekordern, MTV und den ersten Videospielen. Insofern hat Hund dann leider auch kein Mobiltelefon zur Hand, um Hilfe herbeizurufen und muss in die Bibliothek und den nächsten Buchladen eilen, um in Fachbüchern herauszubekommen, wie er dem am Strand zurückgelassenen und vor sich hin rostenden Roboter helfen kann.
Der Gute-Laune-Titel „September“ der Gruppe Earth, Wind & Fire ist der Herzenssong der beiden Freunde, der sich als Motiv für die schöne gemeinsame Sommerzeit durch den gesamten Film zieht. Als Hund seinen Roboterfreund auf Coney Island zurücklassen muss und ein Wiedersehen für eine lange Zeit nicht möglich scheint, beginnt der melancholische Teil des Films und die „September“-Melodie erklingt als Erinnerung an die gemeinsamen Erlebnisse. Hund wird bald versuchen, sich von dem Trennungsschmerz und der wiedereinsetzenden Einsamkeit so gut es geht abzulenken, während dem bewegungsunfähigen Roboter nichts anderes bleibt, als sich in die titelgebenden Träume zu flüchten.
Diese erweisen sich als alternative Realitäten, welche die (Un-)Möglichkeit einer gemeinsamen Zukunft mit Hund durchspielen. Beide Freunde Durchleben im Laufe der Monate der Trennung verschiedene Gefühlsebenen von Hoffnung und Freude bis hin zu Neid, Trauer und Verlustangst, die durchaus betroffen machen, aber so gestaltet sind, dass sie auch für ein jüngeres Publikum nachvollziehbar bleiben. Dabei zeigt der Regisseur ein glückliches Händchen mit dem bittersüßen Ende seines Films, der so wunderbar die Waage zwischen melancholisch und freudig-optimistisch hält. Das Finale zeigt noch einmal ganz deutlich, dass dieser universelle Film das Herz definitiv am rechten Fleck trägt.
Fazit: Ein auf das Bedeutsamste reduzierter, aber gerade deshalb hochemotionaler Comic-Nostalgietrip für Groß und Klein! Eine berührende Geschichte über eine Freundschaft zwischen Einsamkeit, Verbundenheit, Verlustangst und der Möglichkeit eines Neuanfangs.
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