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    Mrs. Harris und ein Kleid von Dior
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Mrs. Harris und ein Kleid von Dior

    Hübsch designtes Wohlfühlkino

    Von Jörg Brandes

    In den 1920er und 30er Jahren war Paul Gallico (1897-1976) in den USA zunächst ein bekannter Sportjournalist. Dann sattelte er um auf Schriftstellerei. Viele seiner Bücher wurden auch verfilmt. Nach seinem 1969 erschienenen Roman „The Poseidon Adventure“ entstand etwa 1972 „Die Höllenfahrt der Poseidon“. Der Katastrophenfilm von Ronald Neame wiederum lieferte die Vorlage für Wolfgang Petersens „Poseidon“-Remake von 2006. Zu Gallicos umfangreichem Œuvre zählen aber auch vier Bände über die Abenteuer einer englischen Putzfrau, startend mit dem 1958 erschienenen „Mrs. Harris Goes To Paris“. Was die Frau in der französischen Hauptstadt eigentlich will, verriet wiederum der deutsche Titel „Mrs. Harris und ein Kleid von Dior“.

    Bereits 1982 schickte das deutsche Fernsehen Inge Meysel in Mode-Mission auf die Reise in die französische Hauptstadt. Mit der Mutter der Nation in der Rolle der Mrs. Harris folgten bis 1991 noch fünf weitere Filme, die allerdings nicht alle nach Gallico-Vorlagen entstanden. Für eine britische TV-Produktion von 1992 wiederum verkörperte Angela Lansbury die nach einem Kleid von Dior strebende Putzkraft. Meysel und Lansbury werden nun abgelöst von Lesley Manville („Dalí Land“), die das Publikum in der ersten Kinoverfilmung des Stoffes nonchalant für ihre Figur einnimmt. Das ist in dem nostalgischen Vergnügen, das uns Regisseur Anthony Fabian mit seiner Gallico-Verfilmung von „Mrs. Harris und ein Kleid von Dior“ bereitet, schon mal die halbe Miete. Mindestens.

    Die Londoner Putzfrau Ada Harris (Lesley Manville) ist bei ihrer ersten Dior-Modenschau in Paris ganz hin und weg von den tollen Kleidern.

    Als Ada Harris (Lesley Manville) bei ihrer Kundin Lady Dant (Anna Chancellor), ein Kleid von Dior erspäht, ist es um die Londoner Putzfrau geschehen. Sie ist von dem Stück so fasziniert, dass sie unbedingt auch so etwas Schönes haben möchte. Dass das Kleid stolze 500 Pfund kosten soll, schreckt sie nicht ab. Irgendwann hat die Kriegswitwe tatsächlich genug Geld zusammen, um sich die Shopping-Tour nach Paris leisten zu können. Doch ein Kleid bei Dior zu erstehen, ist gar nicht so einfach, erst recht nicht für eine vermeintlich unbetuchte Kundin.

    Die Direktorin des Modehauses, Madame Colbert (Isabelle Huppert), versucht jedenfalls alles, um Ada abzuwimmeln. Nur weil sich der Marquis de Chassagne (Lambert Wilson) ihrer annimmt, bekommt Mrs. Harris dennoch Zutritt zu einer Modenschau. Das Kleid, in das sich Ada sofort verliebt, ist allerdings schon einer anderen Kundin versprochen – und bevor Favorit Nr. 2 für sie maßgeschneidert ist, dauert es. Für einen längeren Aufenthalt in Paris war ihr Budget jedoch nicht ausgelegt – und das ist freilich nicht das einzige Problem, das in der Stadt der Liebe noch auf Mrs. Harris wartet…

    Ab ins Paris der 1950er Jahre

    Anthony Fabian belässt die Story in der Zeit, in der schon die literarische Vorlage spielt. Dort, in den 1950er Jahren, ist sie auch bestens aufgehoben. Wäre sie in der tristen und für viele Menschen unsicheren Gegenwart angesiedelt, würde sie wohl deutlich weniger gut funktionieren. So aber kann der Film mit seiner Aschenputtel-artigen Mär hemmungslos in Nostalgie schwelgen. Das gilt auch für die Optik: Das Set-Design ist superb. Zudem konnte sich Kostümbildnerin Jenny Beavan, die zuletzt für ihre Arbeit an „Cruella“ bereits zum dritten Mal mit einem Oscar ausgezeichnet wurde, erneut so richtig austoben. Fünf Modelle waren Leihgaben aus der Originalkollektion des Hauses Dior. Alle anderen Kleider schneiderte Beavan mit ihrem Team selbst.

    Bislang keinen Oscar hat indes Lesley Manville gewonnen – trotz umfangreicher Filmografie. Aber immerhin war sie schon einmal nominiert – und zwar ausgerechnet für ihre Nebenrolle in Paul Thomas Andersons Drama „Der seidene Faden“ (2017), das ebenfalls in der Modewelt der 50er Jahre spielte. Große Aufmerksamkeit erlangte die versierte britische Mimin auch mit ihrem Part der Prinzessin Margaret in der Serie „The Crown“. Nun nutzt sie die Gelegenheit, in einer Hauptrolle zu glänzen. Zwanglos changierend zwischen dramatischer Tiefe und komödiantischer Leichtigkeit, ist sie als Titelheldin eine Sympathieträgerin par excellence. Absolut glaubwürdig stattet sie ihre Mrs. Harris mit ebenso großer Zähigkeit wie ansteckender Herzlichkeit aus.

    Die kratzbürstige Madame Colbert (Isabelle Huppert) ist womöglich doch nicht ganz so bösartig, wie es zunächst noch den Anschein hat.

    Kein Wunder also, dass Ada das Leben vieler Menschen in ihrer Umgebung bereichert. Etwa das des schüchternen Dior-Buchhalters André (Lucas Bravo) und das des Sartre lesenden Models Natasha (Alba Baptista). Ihre Hauptantagonistin ist indes die von Isabelle Huppert („Elle“) hingebungsvoll kratzbürstig gespielte Madame Colbert. Die Dior-Direktorin ist dann aber doch ein ambivalenterer Charakter, als es zunächst erscheint. Letztlich ist auch sie empfänglich für Mrs. Harris’ unbezähmbare Liebenswürdigkeit. Dem größten Teil des Publikums im Kinosaal wird es da wohl kaum anders ergehen…

    Fazit: Eine in der Hauptrolle großartig gespielte und im besten Sinne altmodische Dramödie mit einer märchenhaften Story, die von der Erfüllung eines Traums erzählt. Perfekt zugeschnitten auf Zuschauer*innen, die sich im Kino auch gerne (mal) nostalgischen Gefühlen hingeben.

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