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    Hinter der Sonne
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Hinter der Sonne
    Von René Malgo

    Mit „Hinter der Sonne“ gelang Walter Salles ein poetisches, eindringlich gefilmtes Drama über die Blutrache, dessen aufreizend langsamer Stil einen leichten Zugang zum Film aber nicht so ohne weiteres zulässt.

    Tonho (Rodrigo Santoro) bekommt den Befehl von seinem Vater (José Dumont), den Tod seines älteren Bruders zu rächen. Er weiß, dass diese Tat seinen eigenen Tod bedeuten würde. Denn schon lange ist seine Familie mit einem benachbarten Großgrundbesitzer verfeindet. Nach und nach töten sich die jeweiligen Familienmitglieder gegenseitig, strickt nach den Regeln der brasilianischen Blutrache. Als jedoch ein Zwei-Mann-Wander-Zirkus in die Gegend kommt, verliebt sich Tonho in die hübsche Schaustellerin Clara (Flavia Marco Antonio). Auf Drängen seines kleinen Bruders Pacu (Ravi Ramos Lacerda) trifft er sie. Pacus kritische Fragen lassen ihn über Sinn und Unsinn der Blutrache nachdenken. Trotzdem entscheidet er sich, den Mörder seines Bruders zu töten, um die Familienehre zu retten. Damit besiegelt er sein Schicksal…

    „Hinter der Sonne“ ist kein typisches Rache-Drama oder ein als Parabel verkappter Actionfilm. Thema ist zwar die Blutrache und in diesem Zusammenhang bietet der Film auch einige wenige sehr brutale Szenen, aber grundsätzlich verzichtet Walter Salles auf vordergründige Effekte. Die Brutalität resultiert dann auch aus dem Gesamtzusammenhang und der distanzierten, aufreizend langsamen Art. Walter Salles’ formvollendete Regie erweist sich als der große Trumpf des Films. „Hinter der Sonne“ bietet schöne Bilder einer öden Landschaft. Die ästhetischen Panoramaaufnahmen und die betuliche, gekonnte Inszenierung schaffen eine dichte Atmosphäre und eine poetische, traurige Stimmung.

    Die Geschichte erzählt nicht viel. Trotz der relativen Kürze des Filmes (105 Minuten) muss der Betrachter viel Geduld aufbringen. „Hinter der Sonne“ spricht mehr durch Blicke und Gesten, als durch Worte. Der spärliche Umgang mit dem gesprochenen Wort dient der trefflichen Atmosphäre, erschwert aber auch den allgemeinen Zugang zum Drama. Vieles muss sich der Zuschauer selbst denken, er wird dazu angehalten, sich eingehend mit der Thematik auseinanderzusetzen. „Hinter der Sonne“ hinterfragt den Sinn der Blutrache, erzählt aus der Sicht des jungen Pacu. Die gelungenen, durch kleine Details gefestigten Charakterisierungen werten die Tiefe der Story auf. Der Anspruch des Films an sich selbst ist vorbildlich, wobei „Hinter der Sonne“ bewusst auf weitgehende Ereignislosigkeit setzt. Die richtige Entscheidung, das Thema Blutrache hätte auch wesentlich reißerischer und so weniger unter die Haut gehend umgesetzt werden können.

    Die Darsteller können durch die Bank überzeugen. Mangels Dialogen werden die Emotionen des Filmes durch ihre Mimik an den Betrachter gebracht, was ausgezeichnet funktioniert. Der kleine Pacu ist als Erzähler Identifikationsfigur des Filmes. Ravi Ramos Lacerda macht seine Sache sehr gut, das erwachsene Publikum dürfte keine Mühe haben, mit dem kleinen Jungen zu sympathisieren. Schwarz-Weiß-Malerei wird außen vor gelassen, „Hinter der Sonne“ schildert lediglich ohne jegliche Wertung das Milieu. Eine kritische Distanz wird bewahrt und auch wenn die moralische Grundhaltung des Werkes unübersehbar ist, hält sich das Drama mit vorschnellen Verurteilungen oder zwar idealistischen, aber realitätsfernen Lösungsvorschlägen zurück. Vorbildlich!

    Die Hitze Brasiliens ist in jeder Einstellung spürbar, das harte Leben der Bauern und ihre Prinzipien nachvollziehbar. Wer keine Mühe mit durch und durch unaufgeregten Filmen zu aufregenden Themen hat, darf einen Blick riskieren. Das poetische, sehr schön gefilmte Drama mitsamt einer berührenden Liebesgeschichte kann empfohlen werden.

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