Steven Spielberg hatte keine Zeit mehr und Rob Marshall hatte für sein Debüt “Chicago” gerade sechs Oscars (inklusive bester Film) bekommen. So wechselte das Projekt „Die Geisha“ seinen Regisseur – eine fatale Fehlentscheidung, wie sich nun herausgestellt hat. Spielberg hat sich selbst in seinen anspruchsloseren Werken wie der „Indiana Jones“-Trilogie trotz allen Humors immer auf reflexive und äußerst interessante Weise mit fremden Traditionen auseinandergesetzt. Marshall hingegen überschwemmt den Zuschauer zwar mit wunderschönen, hochstilisierten Bildern, scheitert aber an seiner unglaublichen Ignoranz gegenüber der chinesischen und japanischen Kultur.
Japan zu Beginn der 30er Jahre des letzten Jahrhunderts: Die neunjährige Chiyo (Suzuka Ohgo) lebt mit ihren Eltern und ihrer Schwester in einem armen Fischerdorf. Als die Mutter schwer erkrankt und dem Sterben nahe ist, werden die Mädchen in das Vergnügungsviertel Gion der alten Kaiserstadt Kyoto verkauft. Chiyo hat noch Glück, sie landet in einem Okiya, einem Geisha-Haus. Ihre Schwester, die nicht so schön ist wie Chiyo, wird hingegen in ein heruntergekommenes Bordell gebracht. Die Mutter des Okiya (Kaori Momoi) entscheidet, dass Chiyo zu einer Geisha ausgebildet werden und von nun an den Namen Sayuri tragen soll. Ganz zum missfallen der erfolgreichsten Geisha des Hauses Hatsumomo (Gong Li), die in Sayuri eine Konkurrentin für ihre jüngere Schwester Kürbis (Youki Kudoh) sieht und mit allen Mitteln Sayuris Aufstieg zu verhindern gedenkt. Als Sayuri zu fliehen versucht, hat Hatsumomo ihr Ziel erreicht: Sayuri wird zu einer Dienerin der anderen Geishas heruntergestuft. Nur ihre Liebe zu einem Vorsitzenden (Ken Watanabe) lässt sie weiter an ihrem Ziel, eine Geisha zu werden, festhalten.
Einige Jahre später: Sayuri (die nun von Ziyi Zhang verkörpert wird) ist mittlerweile zur jungen Frau herangereift. Mameha (Michelle Yeoh), eine Geisha-Ausbilderin, nimmt sich ihrer an. Sie will nichts geringeres, als aus Sayuri die bekannteste Geisha Kiotos zu machen. Als Sayuri auf einer Geisha-Schau den Eröffnungstanz vollführt und die Gebote für ihre Entjungferung ins unermessliche steigen, scheint das Ziel erreicht. Doch dann bricht der Zweite Weltkrieg über Japan herein. Die US-Soldaten bringen die offene Spaßgesellschaft mit in das Land. Die alten Traditionen und damit die Geishas drohen, ihre Bedeutung für immer zu verlieren…
Marshall legt bei seinem Epos viel Wert auf Authentizität. Leider beschränkt sich dieser Begriff bei ihm nur darauf, hunderte Experten zu engagieren, damit jeder Lampion und jeder Papierschirm historisch seine Richtigkeit hat. An einem Angesichts des kulturellen Umfelds angemessenen Verhalten seiner Charaktere scheint er wiederum kein besonderes Interesse zu haben. Eigentlich ist die Kunst der Geishas vollkommen emotionslos. Es dürfen keine echten Gefühle mit in die Darbietungen einfließen. Diese Traditionen wurde den Mädchen ihre ganze Kindheit hindurch eingebläut. Der Film hingegen präsentiert die Geishas als einen Haufen keifender Zicken, die selbst in „Desperate Housewives“ noch eine gute Figur abgeben würden. Die absolute Beherrschtheit und Präzision der Frauen scheinen nur ganz selten hindurch, wirken dann aber anbetracht der sonstigen Gefühlsausbrüche aufgesetzt und alibihaft. Höhepunkt dieses laschen Umgangs mit der Geisha-Kultur ist Sayuris großer Auftritt als Eröffnungstänzerin, der eher an eine moderne Kunst-Performance als an die klassischen Geisha-Vorführungen erinnert.
Trotz dieser Verwestlichung von Charakteren und Geschichte schafft Marshall es dann aber nicht einmal, beim Zuschauer in alter Hollywood-Manier die richtigen Knöpfe zu drücken und so ein emotionales Feuerwerk abzuschießen. Stattdessen bleibt die Inszenierung in all ihrer aufgesetzten Schönheit so steril, dass die Figuren kein Interesse für sich wecken können. Egal ob es traurig, fröhlich, dramatisch oder entspannt zugeht – jede Einstellung erstrahlt in dem gleichen, Feuerschein ertränkten Glanz. Selten war Einfallslosigkeit und Langeweile so schön anzusehen.
Mit Ziyi Zhang, Michelle Yeoh und Gong Li sind die Hauptrollen mit drei der bekanntesten und begabtesten Darstellerinnen Chinas besetzt. Auch wenn sie sich gegen die eintönige Inszenierung nicht durchsetzen können und eher blass bleiben, sieht man ihnen doch gerne zu. In China aber hat dieser Cast zu großen Protesten geführt. Die Chinesen haben den Japanern den Krieg noch immer nicht verziehen und finden es empörend, dass nun gerade chinesische Darstellerinnen die Japanerinnen zu Zeiten dieses Krieges verkörpern. Marshall kommentierte diese Vorwürfe damit, dass er sich für die qualitativ besten Schauspielerinnen entschieden habe. Auch hier stellt er also wieder westliche Werte – hier: Qualitätsdenken – über die Empfindungen gerade der Kulturen, von denen er in seinem Film erzählt. Am Ende übt Marshall Kritik an den Partys feiernden, die Traditionen missachtenden US-Soldaten, denen es während der Besatzungszeit nur um das eigene Vergnügen ging. Dabei sollte er sich lieber zuerst an die eigene Nase fassen.
Natürlich kann sich der Zuschauer die gut zwei Stunden an oberflächlich schönen Bildern ergötzen und den wundervollen Cello-Soli des virtuosen Yo-Yo Ma lauschen, vielmehr sollte er sich aber über den kulturellen Ausverkauf Japans durch Hollywood ereifern.