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    Matrix Reloaded
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Matrix Reloaded
    Von Carsten Baumgardt

    Im Jahr 1999 revolutionierten die beiden Independentfilmer Larry und Andy Wachowski das moderne Kino und stellten Sehgewohnheiten auf den Kopf. Der Sci-Fi-Actioner „Matrix" zeigte nicht nur bahnbrechende Special Effects und furiose Action, sondern hatte auch noch eine philosophisch angehauchte, intelligente Geschichte zu bieten, die einen Kult auslöste, der bis zum Start des zweiten Teils der Trilogie zu einer regelrechten Hysterie heranwuchs. So stiegen die Erwartungen an „Matrix Reloaded“ ins Unermessliche. Dass „Reloaded“ die immens hohen Ansprüche nicht voll erfüllen kann, liegt an der Konzeption, die die Wachowski-Brüder durchsetzten. Mehr Action, mehr Stunts, mehr Kämpfe, mehr Special Effects, aber weniger Hirn. „Matrix Reloaded“ ist ein guter Film, aber kein überragender. Dafür verstecken sich zu viele kleine, aber unübersehbare Schwächen in dem Film, sodass der Gesamteindruck getrübt wird und ein Meisterwerk-Status nicht in Frage kommt.

    Und wenn die Prophezeiung wahr wäre? Wenn dieser Krieg schon morgen vorbei sein könnte? Lohnt es sich nicht dafür zu kämpfen? Und zu sterben? Thomas „Neo“ Anderson (Keanu Reeves) traf eine schwer wiegende Entscheidung, als er bewusst jene Frage stellte, die auch Morpheus (Laurence Fishburne) und Trinity (Carrie-Anne Moss) zuvor gestellt hatten. Um die Wahrheit zu suchen und zu akzeptieren. Um seinen Verstand aus den Fesseln der Matrix zu befreien...

    Mittlerweile ist Neo als Auserwählter in Zion von allen akzeptiert, er kann seine Fähigkeiten besser kontrollieren und einsetzen. Das ist auch bitter nötig. Ein Gerücht erweist sich als wahr. 250.000 Wächter der Maschinen sind darauf programmiert, sich in die unterirdische Stadt Zion zu graben und die dort noch lebenden Menschen zu töten. Der Vordenker und heimliche Anführer Morpheus, der fest an die Erfüllung der Prophezeiung des Orakels (Gloria Foster) glaubt, macht den Bürgern Zions Hoffnung, dass die Rettung nahe, und der Erwählte Neo den Krieg gegen die Maschinen bald beenden werde. Die Masse steht hinter Neo, Morpheus schafft es, die Bewohners Zions auf seine Seite zu bringen. So kann Morpheus mit seiner Crew in der Nebukadnezar den nächsten Trip in die Matrix unternehmen, obwohl Commander Lock (Harry J. Lennix), der die Verteidigung Zions koordiniert, dagegen ist, auch nur ein Schiff zu entbehren. Schließlich steht der Großangriff der Wächter-Armee kurz bevor. Auf der Erkundungsreise in der Matrix sammelt Neo weitere Erkenntnisse, trifft das Orakel und muss entscheiden, ob er der Frau trauen kann. Gleichzeitig muss sich Neo mit dem abtrünnigen Agenten Smith (Hugo Weaving) auseinandersetzen. Er hat einen Weg gefunden, sich fast beliebig zu duplizieren und attackiert den Auserwählten unnachgiebig. Bald macht Neo eine unerwartete Entdeckung und steht vor einer folgenschweren Entscheidung. Wenn er versagt, wird Zion untergehen...

    Für verhältnismäßig bescheidene 65 Millionen Dollar erfanden die Wachowski-Brüder („Bound – Gefesselt“) vor vier Jahren das Action-Kino neu. Es war ihre unwiderstehliche Mischung aus revolutionären Actionszenen in Kung-Fu-Ästhetik, sensationellen Special Effects und inhaltlichem Anspruch - der Einflüsse sämtlicher Weltreligionen verarbeitete - die daraus einen neuen, eigenständigen Mythos schuf, der in einem bis heute ungebrochenen Kult mündete. Teil zwei und drei („Matrix Revolutions" ) wurden aus Kostengründen in 270 Tagen in Oakland und Sydney an einem Stück gedreht. Offiziell beträgt das Budget für beiden Filme 300 Millionen, Insider sprechen gar von 350 Millionen Dollar. Dass das Geld wieder eingespielt wird, stand außer Frage. „Reloaded“ spielte allein in den USA mehr als 250 Millionen Dollar ein und somit wesentlich mehr Geld als „Matrix" in der Endabrechnung. Das zeigt wie immens hoch die Erwartungshaltung der Fans war. Und genau daran und am phantastischen ersten Teil muss sich „Reloaded“ messen lassen. Kein leichtes Unterfangen.

    Rein äußerlich erfüllt das zweite Kapitel alle Ansprüche. Das Mega-Budget ist in jeder einzelnen Szene des Films auf der Leinwand spür- und sichtbar. Die satten 1.000 Special Effects (statt 412 in „Matrix") gehen bis an den Rand des Machbaren. Sie setzen zwar Maßstäbe, stellen aber keine Revolution wie in Teil eins dar. Dabei tritt auch ein deutlicher Kritikpunkt zutage. Bei vielen, vor allem bei den langsamen, zeitlupenartigen Szenen, ist den Bildern ihre Herkunft aus dem Computer deutlich anzusehen – leider. Außerdem wiederholt sich die Kampfchronologie - Neo gegen Agent Smith oder den Rest der Welt - ein bisschen zu oft. Der unbestrittene Höhepunkt von „Reloaded“ ist die 14-minütige Autoverfolgungsjagd über den Highway - ein spektakuläres Crash-Ballett. Hier wird genau das geboten, was sich alle erhofft haben. Sensationelle Action, die den Betrachter in den Kinosessel presst. Inhaltlich tut sich „Reloaded“ zu Beginn etwas schwer. Nach furiosem Start mit einer actiongeladenen Eröffnungssequenz in der legendären Bullit Time kommt der Film in der ersten halben Stunde nicht so recht in Fahrt. Danach zieht das Tempo jedoch an und die Reise kann beginnen. Wer Teil eins nicht gesehen hat, ist mit „Reloaded“ allerdings hoffnungslos überfordert und kann der Handlung nicht folgen.

    Neos Suche in der Matrix kann dann halbwegs das halten, was erwartet wurde. Der Gigantismus, der sich allein schon durch das Budget ergibt, wird in vollen Zügen zelebriert. Leider bleibt der philosophische Einschlag, der den ersten Teil so besonders machte, etwas auf der Strecke. Zwar sind auch in „Reloaded“ noch jede Menge Anspielungen versteckt, aber das Hirn des Zuschauers wird weniger gefordert als zuvor. Produzent Joel Silver erklärt das Phänomen Matrix folgendermaßen: „Die Wachowskis sind unglaublich belesen – ob es sich um Philosophie, Mythologie oder Comic-Hefte handelt. Was sie an Themen in diese Filme einbringen, spiegelt ihre Beschäftigung mit zeitlosen Fragen, durch die der Mensch sein Wissen entwickelt und seinen Verstand geschult hat. Sie schaffen ein Epos und erzählen es in einem visionären Stil, der die Entertainment-Branche auf den Kopf stellt – heraus kommt ein Action-Film für Leute, die nachdenken. Man kann die Filme auch einfach aus dem Bauch heraus genießen, aber wer sich intensiver damit beschäftigen will, der stößt auf einige wirklich tiefschürfende Thesen.“ Doch einen echten anregenden Kopfzerbrecher präsentieren die Wachowskis diesmal erst kurz vor Ende mit dem Architekten (Helmut Bakaitis) der Matrix. Ist er real oder nur ein Trick der Maschinen? Hier zeigt der Film wieder die Klasse des ersten Kapitels. Dagegen sind die Superman-Flugeinlagen von Keanu Reeves so gewöhnungsbedürftig wie die Trinity-Rettungsszene kitschig ist.

    Die Stammcrew von „Matrix" bildet den Kern von „Reloaded“. Der schauspielerisch nicht gerade begnadete Keanu Reeves („Sweet November", „Hardball", „Speed") hat in Neo seinen optimalen Part gefunden und überzeugt trotz seiner begrenzten Mittel durch Coolness und körperliche Fähigkeiten. „Er macht eine Entwicklung durch, versucht sich mit dem zu arrangieren, was man von ihm erwartet. Er sucht weiterhin nach der Wahrheit, das heißt, er muss noch härter als zuvor kämpfen und sich den Anforderungen der Zukunft stellen", erklärt Reeves seine Filmfigur. Laurence Fishburne („Event Horizion", „Apocalypse Now"), der sich vom Lehrer zum geistigen Führer entwickelt, spielt ebenso charismatisch wie in Teil eins. Zusammen mit Carrie-Anne Moss („Memento"), die sich mehr noch als Kriegerin entwickelt und aus der Liebe zu Neo ihre Kraft schöpft, bildet er die Seele von „Reloaded“.

    Von den neuen Figuren kommt Jada Pinkett Smith („Ali") als Niobe, Kapitän der Logos, des kleinsten und schnellsten Hovercraft-Schiffs der Rebellenflotte, ein wenig zu kurz. Wogegen Monica Bellucci („Pakt der Wölfe") als Persephone einen kleinen, aber prägnanten Auftritt hat. Gleiches gilt für den Franzosen Lambert Wilson, der als fast pervers genusssüchtiger Merovingian in einer Schlüsselszene mit Neo, Morpheus und Trinity zu sehen ist. Er spürt emotional überhaupt nichts mehr und giert nach Gefühlen. „Man könnte Merovingian und Persephone als Vampire bezeichnen“, sagt Monica Bellucci, die seine intrigante Vorzeige-Gattin spielt. „Die beiden versuchen Gefühle in anderen auszulösen, um sich daran zu weiden. Persephone wirkt sehr elegant, sehr raffiniert, ist aber durch und durch korrupt und setzt ihre Macht skrupellos ein, um das zu bekommen, was sie will – Gefühle.“ Schlüsselmacher Randall Duk Kim und Stadtrat Anthony Zerbe fügen sich ebenfalls gut in das Konzept ein und bringen die Geschichte voran. Nicht zu vergessen Hugo Weaving („Herr der Ringe 1" + „2"). Der heimliche Liebling vieler Fans ist im wahrsten Sinne des Wortes omnipräsent. Im Laufe seiner Entwicklung weg vom monotonen Agenten spürt er immer deutlicher menschliche Regungen in sich: Wut, Eifersucht. Plötzlich kann er riechen, er bekommt eine Ahnung davon, was Menschlichkeit ausmacht. Das passt ihm überhaupt nicht, weil er das für eine Schwäche hält.

    Was die Wachowskis dem Publikum am Ende präsentieren, ist so gewagt wie dreist. Im brutalsten Cliffhanger der Filmgeschichte verpflichten sie den Zuschauer quasi dazu, am 5. November 2003 „Matrix Revolutions", den abschließenden Teil der Trilogie, im Kino zu sehen. Mitten in einer entscheidenden Szene bricht der Film ab und knallt dem Betrachter ein „Fortsetzung folgt“ vor den Kopf. So wird man den Gedanken nicht los, nur einen halben Film gesehen zu haben. Andererseits ist „Matrix" als Trilogie konzipiert und ein halbes Jahr Wartezeit ist nicht so lang. Bleibt festzuhalten: „Reloaded“, der meisterwartete Film des Jahres, muss mit dem Problem der höchst möglichen Ansprüche leben. Die Wachowski-Brüder können das Rad nicht ein zweites Mal neu erfinden, tappen in die Sequel-Falle, alles toppen zu wollen und vergessen dabei, sich auf den inhaltlichen Kern der Geschichte zu konzentrieren. Was nicht heißen soll, dass sie sich verzettelt haben oder „Reloaded“ eine Enttäuschung sei, sie sind einfach den Gesetzen des Marktes gefolgt. So ist der Film ohne Zweifel ein starkes Stück Sci-Fi-Actionkino, das aber nicht an die Originalität des ersten Teils heranreicht.

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