Unter einer Phobie versteht der psychoanalytisch geschulte Fachmann gerichtete, an bestimmte Objekte oder Situationen gebundene neurotische Angstsymptome. Unter den Punkt F40.2 zählt die International Convention of Deseases (ICD-10) der Weltgesundheitsorganisation die Zoophobien, die Ängste also vor bestimmten Tieren. Wer zum Beispiel an einer Arachnophobie, einer Spinnenangst, leidet, dem krampft sich bereits beim Anblick einer gewöhnlichen Araneus diadematus, auch Gartenkreuzspinne geheißen, der Magen zusammen, und der traut sich kaum in den Keller eingedenk des horriblen Risikos, dort möglicherweise auf ein Exemplar der Gattung Tegenaria ferruginea zu stoßen. Durchaus nicht empfehlenswert ist für solche Zeitgenossen der Besuch des Insektariums eines landläufiges Zoos oder Tierparks, läuft er doch Gefahr, dort auf die subtropischen und tropischen und zumeist körperlich etwas umfangreicher geratenen Artverwandten unserer possierlichen europäischen Achtbeiner zu treffen. Ganz und gar nicht förderlich dürfte sich ein Besuch der neuen Roland-Emmerich-Produktion "Eight legged freaks" auf die seelische, physische sowie nervliche Befindlichkeit eines nach F 40.2 eingestuften Phobikers auswirken: Lassen der als ausführender Produzent fungierende Schwabe und sein Kompagnon Dean Devlin hier doch ganze Heerscharen der herzallerliebsten Chelicerata-Angehörigen aufmarschieren, und das in körperlichen Abmessungen, die weder in Brehms Tierleben noch bei Professor Grzimek bislang Erwähnung gefunden haben dürften.
Der alte Jack Arnold hätte seine wahre Freude an diesem Film. Drehte der doch 1955 mit "Tarantula" den Klassiker in Sachen akromegalischer Spinnen-Monster schlechthin. Arnold war es auch, der mit seinen Werken in den 50er und 60er Jahren so etwas wie den Standard des klassischen Monster-Trashs definierte. Seine Filme, egal ob "It Came from Outer Space" oder "The monolith monsters", liefen stets nach dem gleichen Muster ab: Ein oder mehrere Ungeheuer (entweder aus dem Weltall oder einem außer Kontrolle geratenen wissenschaftlichen Experiment) bedrohen von Gott und der Welt verlassenes Wüstenkaff, wo es einem einsamen, aber gut aussenden Helden zumeist in letzter Sekunde mit irgend einem haarsträubenden Taschenspielertrick gelingt, das endgültige Verhängnis abzuwenden. Ihren Jack Arnold haben Emmerich/Devlin und ihr Regisseur, der bislang so gut wie nicht in Erscheinung getretene Ellory Elkayem (der auch für das Screenplay mit verantwortlich zeichnete), wahrlich gelernt. Punktgenau exerzieren sie das Regelwerk des klassischen B-Pictures, von der kurzen Einführung der wichtigsten Personen und Locations, des leicht abgehalfterten Helden, der toughen Heldin, des altklugen, besserwisserischen Kindes, der rotznasigen Teenie-Göre, des schmierigen Bürgermeisters, des Quoten-Schwarzen und des depperten Deputy-Sheriffs sowie vor allem der Monster, die anfangs zwar auch schon nicht sonderlich hübsch anzuschauen, aber doch zumindest noch von überschaubarer Größe sind, über die ersten Toten und die erste Massenpanik bis hin zum großen Monster-Showdown. Zu Beginn des Films fristen die achtbeinigen Titelgeber ihr Dasein noch in diversen Terrarien eines reichlich sinistren Spinnenforschers, der in bester Leo-G.-Carroll-Tradition an einsamem Orte mit seinen krabbelnden Lieblingen experimentiert und durchgehend geheimnisvolle Miene zu undurchschaubarer Wissenschaft macht.
Das Drehbuch hält sich glücklicherweise nicht lange mit einer umständlichen Exposition auf: Eine kleine Unachtsamkeit mit einem der Spinnengehege, schon ist eines der Schoßtierchen entfleucht und macht es sich zunächst auf dem Rücken und sodann in der Nähe der Halswirbelsäule seines Herrchens bequem, was in netter Weise an den ersten "Indiana Jones" erinnert und binnen kürzester Zeit zum physischen Dahinscheiden desselben sowie zur Liberté weiterer achtbeiniger Krabbeltierchen führt. Dass die binnen weniger Tage auf die Größe eines handelsüblichen Campinganhängers anwachsen - spätestens hier dürfte dann auch dem letzten Zuschauer klar sein, dass dieser Film wirklich gar nichts ernst nimmt, am wenigsten sich selbst - ist einem Fass voller Giftmüll zu verdanken, welches zu Beginn ebenso schwungvoll wie unheilverkündend seinen Weg vom Anhänger eines Lastwagens in ein Gewässer in der Nähe der Spinnenunterkunft nimmt.
Dass Roland Emmerich immer schon ein Faible für klassischen Monster- und Science-Fiction-Trash hatte, bewies er nicht zuletzt in seinen Mammutproduktionen "Independence Day" und "Godzilla". Was ihm in seinen Big-Budget-Produktionen jedoch vielfach zum Vorwurf gemacht wurde, dass nämlich die Story zu einfältig, das Logikmodul komplett abgeschaltet und die Figuren am Reißbrett entworfene Pappkameraden seien, genau das darf er endlich als ausführender Produzent von "Eight Legged Freaks" wonnevoll ausleben. Denn dieser Film will gar nichts anderes sein als eine bisweilen hübsch ironische, stellenweise sogar slapstickhaft alberne Überzeichnung jener legendären Vorlagen aus den 50er und 60er Jahren, die weithin als die Begründer und Klassiker des Trashs gelten. "Size Does Matter" lautet auch hier die Devise, und so darf beim Kampf Mensch gegen Spinne ein größeres und tricktechnisch höchst ansprechend animiertes Monstrum nach dem anderen aufmarschieren respektive aufkrabbeln, um der Gattung homo sapiens einmal so richtig die Erfindung von E605, DDT, Aldrin und Lindan heimzuzahlen. Nur am Anfang, als das Spinnenvolk noch seine natürliche, gottgegebene Größe besitzt, ist ab und an so etwas wie Nervenkitzel zu verspüren. Spätestens beim ersten Aufkreuzen der ebenso vielbeinigen wie körperlich aus dem Leim gegangenen Arachniden in der Wüste von Arizona, wo als erstes eine Tankstelle aufgemischt, ein Tanklastzug geentert und zum Halali auf ein paar vorwitziger Crossfahrer geblasen wird, ist jeglicher Grusel verflogen. Stattdessen gibt es Spinnen-Rock'n'Roll, dass die Cheliceren krachen. Und wenn sich eine dieser hüpfenden Ungetüme über einen ausgestopften Hirschkopf an der Wand einer Wüstenkneipe hermacht und dazu wie Otto Waalkes schnattert, ist endgültig schenkelklopfende Arachniden-Anarchie angesagt.
Zitiert und persifliert wird, was das Genre hergibt. Am deutlichsten referenzieren Emmerich/Devlin/Elkayem neben den Jack-Arnold-Werken (natürlich) den Ameisen-Klassiker "Them!" (der auch in einer kurzen Szene auf einem Fernsehbildschirm zu sehen ist) sowie John Bud Carlos' grandios ekligen (und überhaupt nicht ironischen) Spinnen-Heuler "Kingdom of the spiders", dessen Handlung mehr oder weniger mit der von "Eight legged freaks" identisch ist. Daneben können sich Emmerich & Co. so manchen anderen Seitenhieb nicht verkneifen: Da plappert ein Papagei gleich zu Beginn einen Spruch aus "Scream 3" daher, das Giftmüllfass erinnert an "Return of the living dead 2", und im Showdown, bei dem sich die Überlebenden in einem Einkaufszentrum gegen das Pedipalpen-bewehrte und Ocellen-glotzende Heer verschanzen, müssen gleich "Dawn of the dead" sowie "Friday the 13th" dran glauben. Und wenn sich einer der Crossfahrer beim Sprung mit seiner Maschine einen Kung-Fu-Kampf mit einer etwa Milchkuh-großen Salticus-scenicus-Abart liefert, dann ist das die schönste "MI: 2"-Parodie, die seit langer Zeit auf der Kinoleinwand zu sehen war. Mit diebischem Vergnügen erlaubt der Film sich auch so manchen nach Hollywood-Lesart politisch unkorrekten Scherz: Während beispielsweise "Arachnophobia" 1991 noch Heimtiere, die erklärten Lieblinge der Amerikaner, verschonte, dürfen hier auch Papis Mieze und Mamas Hund genüßlich Bekanntschaft mit den Beißwerkzeugen der achtbeinigen Brut machen.
Auch darstellerisch bewegt sich "Eight legged freaks" auf fröhlich-unbeschwertem B-Picture-Niveau. Hauptdarsteller David Arquette ist mit dem Terrain und seinen Spielarten spätestens seit den "Scream"-Filmen vertraut. Kari Wuhrer, die bereits in "Anaconda" im Angesicht von Monstern gekonnt Kurven präsentierte, kommt uns hier als Sheriff mit dem meisten Sex-Appeal westlich des Missouri vor Augen und den Monstern schwerbewaffnet in die Quere. Der 14-jährige Scott Terra, der bislang fast ausschließlich in TV-Produktionen zu sehen war, liefert als neunmalkluge heranwachsende Spinnen-Koryphäe mit Harry-Potter-Touch eine recht ansprechende Vorstellung. Die 18-jährige Scarlett Johansson überzeugte bereits als traumatisiertes Mädchen in Robert Redfords "The horse whisperer". "Eight legged freaks" ist ein tricktechnisch recht reizvolles, sehr ironisches und stellenweise absurd klamaukiges Monsterballett mit überzeugenden State-of-the-art-Effekten, inhaltlich eine wunderschön nostalgische Zeitreise zurück in jene Kino-Ära, in der ein Leo G. Carroll noch an Riesentaranteln experimentierte, Arthur Franz sich als Monster auf dem Campus herumtrieb, Grant Williams das Monolith-Monster bekämpfte und als Mr. C unaufhaltsam schrumpfte, Julie Adams vom Creature of the black lagoon verschleppt wurde und Metaluna 4 nicht mehr antwortete.