Ein "Stirb langsam"-Klon mit Bruce Willis auf der dunklen Seite
Von Lutz GranertNach seinem TV-Hit „Das Model und der Schnüffler“ gelang Bruce Willis 1988 der Durchbruch zum Kinostar – und zwar mit einem der stilbildenden Klassiker des Actionfilms schlechthin: „Stirb langsam“ begeistert noch heute vor allem aufgrund von Willis‘ verschwitzem Charisma, den trockenen Onelinern und der hochspannenden Action – der Plot, bei dem ein Cop im Alleingang einer Bande von geiselnehmenden Terroristen in einem Hochhaus das Handwerk legt, ist hingegen vor allem ein Mittel zum Zweck. Aber das haben offensichtlich viele nicht verstanden …
… denn nach dem riesigen kommerziellen Erfolg der „Stirb langsam“-Reihe fand das Handlungsgerüst in den Action-Produktionen speziell der Neunzigerjahre etliche Nachahmer. Darunter waren zwar einige vergleichsweise gelungene Beiträge wie „Alarmstufe: Rot“ (= „Stirb langsam auf einem Kriegsschiff“) oder „Demolition High“ („Stirb langsam an der Schule“) – aber die allermeisten „Stirb langsam“-Klone waren nach ihrem Erscheinen verdientermaßen auch sofort wieder vergessen (wobei man selbst heute immer noch ab und zu den Pitch „Stirb langsam in XY“ vernimmt).
In diesem "Stirb langsam"-Klon spielt Patrick Muldoon einen deutlich weniger charmanten Bruce Willis ...
Inzwischen ist Bruce Willis‘ Karriere als Blockbuster-Superstar vorüber. Stattdessen langweilt er sich inzwischen fast schon im Monatsrhythmus durch austauschbare Direct-to-DVD-Produktionen. Aber das „Ein Mann gegen alle“-Schema scheint dabei auch seinen berühmtesten Vertreter nicht loszulassen – selbst wenn Willis in dem Action-Thriller „Deadlock“ die Fronten wechselt und den Fiesling gibt. Wer nun bei einem immerhin annehmbaren Budget von elf Millionen US-Dollar auf ein sprühendes Actionfeuerwerk mit zahlreichen Meta-Momenten oder Reminiszenzen an Willis' ikonische Auftritte als John McClane hofft, wird jedoch enttäuscht.
Regisseur Jared Cohn, der bereits preisgünstige Trash-Heuler wie „Shark Season“ und „Alien Predator – Hunting Season“ für die Billig-Produktionsschmiede The Asylum inszenierte, versemmelt bei nahezu jeder Actionszene das Timing. Außerdem scheint so etwas wie Spielfreude bei den beiden unterforderten Stars– neben Bruce Willis wurde „Starship Troopers“-Soldat Patrick Muldoon engagiert, der seit Ende der Neunziger nur selten über Parts in Familienfilmen hinausgekommen ist – nur selten durch.
Bei einem Polizeieinsatz, bei dem eine Bande schwerbewaffneter Drogendealer hochgenommen werden soll, stürmen die Beamten fatalerweise den falschen Hauseingang. Ein Mann wird dabei erschossen, sein Bruder wegen Drogenbesitzes inhaftiert. Das findet ihr Vater, der Verbrecher Ron (Bruce Willis), allerdings gar nicht witzig – und so erschießt er kurzerhand die beiden Beamten, die ihm die traurige Nachricht überbringen. Aber damit ist sein Rachedurst noch lange nicht gestillt.
Gemeinsam mit einer Gruppe von Söldnern nimmt er die Mitarbeiter*innen sowie eine anwesende Schulklasse in einem an einer Talsperre liegenden Wasserkraftwerk als Geiseln. So will er erreichen, dass die am missglückten Einsatz beteiligten Beamten antanzen. Außerdem droht er damit, eine nahegelegene Kleinstadt zu überschwemmen. Nur der Schweißer und einstige Elitesoldat Mack (Patrick Muldoon), der gerade zufällig mit Reparaturarbeiten am Damm beschäftigt ist, kann den Terroristen noch Paroli bieten...
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Als „Deadlock“ 2020 im Rahmen des Filmmarktes in Cannes erstmals vorgestellt wurde, trug der Action-Thriller noch den Arbeitstitel „Reactor“, weil die Geiselnahme ursprünglich in einem Atomkraftwerk stattfinden sollte. Doch beim Location-Scouting im US-Bundesstaat Georgia konnte kein geeignetes Objekt für den Dreh gefunden werden, weswegen „Deadlock“ nach einigen Änderungen am Skript nun in einem Wasserkraftwerk spielt. Aber auch darüber hinaus hätte das Drehbuch ruhig noch etwas Finetuning vertragen können:
Der Racheplan des Geiselnehmers, der die Überflutung der naheliegenden Stadt als „sein Vermächtnis“ ansieht, ist nämlich absolut hanebüchen. Auch wie Mack nach einem unübersichtlich montierten Shoot-Out (man fragt sich hier generell oft, wer eigentlich wohin und auf wen schießt) erst mit dem Schlauchboot entkommt und dann unbemerkt wieder ins Kraftwerk gelangt, bleibt beim Schauen vollkommen schleierhaft. Und dass die NSA, die als Auslandsgeheimdienst mit so etwas ohnehin nichts zu tun hätte, den militärischen Einsatztrupp erst dann zum Kraftwerk schickt, wenn bereits das ganze Tal unter Wasser steht (für diese Szenen wurde leicht erkennbar irgendwelches stock footage von realen Hurricane-Verheerungen in den Film geschnippelt), erschließt sich logisch ebenfalls nicht.
... und Bruce Willis einen deutlich bräsigeren Alan Rickman.
Bruce Willis spielt mit Drei-Tage-Bart und eingewickelt in ein Palästinensertuch zuweilen diabolisch auf, vor allem wenn er seine Rachsucht rausposaunt oder in den Dialogen mit den verängstigten Geiseln Empathie heuchelt. Trotzdem sitzt er dabei während seiner Screentime weitgehend nur auf dem immergleichen gepolsterten Lederstuhl herum. Größere Actionszenen überlässt er seinen Co-Stars. Aber obwohl der drahtige Patrick Muldoon mit vollem Körpereinsatz bei der Sache ist: Wirklich Spannung kommt bei den mit zu nahen Einstellungen gefilmten Fights, den sich ständigen wiederholenden Choreografien samt ermüdenden Ballereien sowie bei allerlei Herumgeklettere auf Gerüsten nie wirklich auf.
Auch so etwas wie Witz geht Muldoon in den wenigen Dialogzeilen völlig ab – allerdings mit einer Ausnahme! Als ein Bösewicht seine Handfeuerwaffe niederlegt und zum Faustkampf ansetzen will, knallt Mack ihn in lakonischer „Indiana Jones“-Manier mit einer trockenen Begründung nieder: „Sorry dude, I get a town to save.“ Mehr solche Oneliner hätten dem ansonsten so unverdient-bierernsten, gänzlich uninspirierten Treiben sicherlich gut getan – dann so hat „Deadlock“ nicht mal als Trash-Granate beim nächsten alkohol- und testosterongetränkten Videoabend etwas zu bieten.
Fazit: Das Setting in einem Wasserkraftwerk ist fast schon das originellste an diesem zähen „Stirb langsam“-Klon, in dem leider nichts mehr von Bruce Willis' einstiger Star-Power übriggeblieben ist. Action gibt es in „Deadlock“ zwar reichlich, aber sowohl Handgemenge als auch Shoot-Outs sind so unübersichtlich gefilmt und geschnitten, dass sie Actionfans eher entnervt als entzückt zurücklassen.
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