Jane Campion dreht einen sexy Thriller? Die Frau, die einst „Portrait of a Lady“ machte und jetzt einen Film abliefert, der so giftig kalt aussieht, als hätte man ihn durch eine dicke Scheibe Eis gedreht? Kaum zu glauben. Und als nächstes bringt Michael Bay einen Hochzeitsfilm mit Colin Firth auf die Leinwand... Doch eigentlich ist es gar nicht so abwegig, dass die Australierin Susanna Moores Roman „In The Cut" adaptiert hat, denn die raue und zugleich poetische Vorlage passt durchaus zu dem Outsiderstatus, den Campion sich in all den Jahren, vor allem in künstlerischer Hinsicht, angeeignet und erarbeitet hat und bringt schon eine gewisse Spannung in das, mittlerweile doch sehr abgenutzte, Genre. Dieser Film zeigt New York, als eine Art Limbo, in der sich Traumsequenzen mit Lyrik mischen - schön und furchtbar zugleich.
Als Frannie Avery (Meg Ryan) von James Malloy (Mark Ruffalo) besucht wird, weiß sie noch nicht, warum der New Yorker Polizist, der einem Psychokiller hinterher jagt, gerade in ihrem Garten den Kopf dessen letzten Opfers findet. Das einzige, was sie weiß ist, dass sie Malloy schon einmal gesehen hat: beim Oralverkehr im Keller eines Nachtclubs nämlich. Die Frau, die in diesem Moment den Kopf zwischen seinen Beinen hatte, ist diejenige, die ihn später in dieser Nacht auch auf brutale Art und Weise verloren haben muss... Mit dieser Ohrfeige von einem Anfang beginnt „In The Cut" und zieht einen hinein in einen graziösen und vielschichtigen Psycho-Thriller, wobei sich zwischen Frannie und Malloy eine gefährliche und leidenschaftliche Sexaffäre entwickelt, bei der nie klar ist, wo die Romantik anfängt und die Liebe aufhört. Und prüde ist hier nicht das Stichwort, denn die Anziehung zwischen den beiden, wird nur noch verstärkt durch die mehr als eindeutige und schmutzige New Yorker Sprache von Malloy sowie seiner berüchtigten sexuellen Vergangenheit. Nicht zu vergessen der Möglichkeit, dass er ein Frauenmörder sein könnte.
Faszinierendes Zeug also, wobei Meg Ryan und Mark Ruffalo sich selbst übertreffen, ganz klar aber auch Abstriche bei der weiblichen Besetzung gemacht werden müssen. Ehrlicherweise ist dies nur der erste Schritt ins kalte Wasser für Ryan, was ernsthafte und besonders mutige Rollen und Filme angeht – und man kann trotzdem sagen: Hut ab! Hin und wieder spielt Ruffalo sie an die Wand, doch Campion versteht ihr Handwerk und zeigt uns Ryan immer wieder aus neuen Perspektiven und hilft an einigen Stellen mit einer hypnotischen Kamera, wo die schauspielerischen Leistungen nicht ganz so überzeugen können. „In The Cut" wirkt an manchen Stellen fast, wie ein Stummfilm und auch Ryan spielt zum größten Teil ohne Text. Die meisten Dialogpassagen haben ihre Kollegen, aber auch das kommt ihr sehr entgegen und verlangt so mehr von ihr, als nur „süß" sein.
Mark Ruffalo war zunächst sehr skeptisch, ob er diesen schwierigen Part überhaupt meistern kann, als er das Drehbuch zu lesen bekam. Nach einem Gehirntumor fühlte sich der Schauspieler schwach und sehr verwundbar, doch genau das war es, was Campion für die Rolle des Malloy benutzen wollte. Letztendlich ist dies deutlich zu spüren und macht den Charakter als Ganzes so faszinierend. Ein Mann, der in den Straßen von New York lebt und arbeitet, der eine harte und auch zerbrechliche Statur mit sich herumträgt und trotzdem ehrlich sein möchte. Weniger überzeugend ist leider das überambitionierte Drehbuch, was viel zu viele falsche Fährten auslegt und im Grunde jeden männlichen Nebendarsteller zum potentiellen Psychokiller macht, wobei schon nach 45 Minuten klar ist, wer es sein könnte. Die Stärke des Films liegt aber nicht darin, herauszufinden, wer der Killer ist und darum hätte man ruhigen Gewissens auf manche überflüssigen Puzzleteile verzichten können. Außerdem wirkt der Storyverlauf, trotz oder gerade wegen den mutigen Darstellern und der glamourösen Kameraführung, viel zu linear.
Die Nebendarsteller sollten an dieser Stelle noch erwähnt werden, denn auch hier hat Campion nichts dem Zufall überlassen. Sowohl Jennifer Jason Leigh, als Frannies kleine Schwester, als auch Kevin Bacon, als durchgeknallter Ex-Schauspieler und angehender Arzt, sind alles andere als fehlbesetzt. Zu Beginn fällt es einem schon schwer, in die künstlerische Stimmung von „In The Cut" einzutauchen, denn jedes Bild sieht aus, als wäre es für eine Werbung geschossen worden. Der Einsatz von sogenannten „Shift & Tilt"-Optiken verstärken einen extremen Unschärfeneindruck, was so aussieht, als wäre nur ein kleiner Ausschnitt im Bild wirklich scharf. Dennoch kann man sich der verzaubernden Wirkung genau dieser Bilder nicht entziehen und schon ist man gefesselt. Wer also „Basic Instinct" mochte, darf sich Campions Streifen gerne ansehen. Man darf aber nicht allzu enttäuscht sein, denn es geht nicht darum den cleveren Twist am Ende einzufordern. Ob man nun Meg Ryan hasst oder liebt, „In The Cut" ist genau der Film, um beides noch einmal genau zu überprüfen, denn noch nie war sie so anders, als ihr Klischee. Außerdem gibt es Leute, die behaupten, dass ein Film mit solch einem Schlussbild nicht wirklich böse sein kann.