Komik entsteht immer da, wo Gegensätze aufeinander prallen: In "Sister Act" trifft ein Showgirl aus Reno auf eine Gruppe streng katholischer Nonnen und aus dem gegenseitigen Misstrauen wird bald eine enge Freundschaft. Hinter dieser Erfolgskomödie der 90er-Jahre steht niemand Geringeres als Emile Ardolino, der schon Ende der 80er mit "Dirty Dancing" einen echten Kultfilm inszenierte. Bei "Sister Act" bleibt er seinem Konzept insofern treu, als dass auch dieser Film einer gradlinigen Genre-Struktur folgt und musikalische Unterhaltung für die ganze Familie bietet.
Die Sängerin Deloris Van Cartier (Whoopi Goldberg) beobachtet zufällig einen Mord und wird im Rahmen des Zeugenschutzprogramms in einem katholischen Kloster untergebracht. Die Mutter Oberin (Maggie Smith) ist von Beginn an skeptisch. Sie fürchtet den schlechten moralischen Einfluss des quirligen Showgirls auf ihre Schützlinge. Tatsächlich bringt Deloris, nun in Schwester Mary Clarence umbenannt, das konservative Klosterleben mächtig in Unruhe. Nicht nur dass sie die Schwestern dazu überredet, die Klostermauern zu verlassen und auf den Straßen San Franciscos Sozialarbeit zu leisten, sie übernimmt auch die Leitung des Chores. Statt traditioneller Kirchenlieder überrascht sie mit einer bühnenreifen, mitreißenden Mischung aus Kirchenmusik und Motown-Sound. Doch als dies nicht nur neue Gläubige, sondern auch die Presse anlockt, droht ihre Tarnung aufzufliegen.
Heute erinnert man sich an "Sister Act" wohl vor allem durch die schwungvollen Eigenkompositionen "My God" und "I Will Follow Him", die gemeinsam mit Motown-Klassikern wie "Rescue Me" oder "Shout" den Soundtrack zu einem veritablen Hit-Album machten.
Doch der Film hebt sich vor allem durch seine durchdachten Charakterzeichnung von zahlreichen Fließband-Komödien ab. Deloris und die Mutter Oberin sind komplexe Figuren, die im Laufe der Geschichte eine Entwicklung vollziehen. Weder die eine noch die andere ist zu irgendeinem Zeitpunkt gänzlich unsympathisch – ebenso wenig jedoch inszeniert Ardolino seine beiden Hauptfiguren in einem einseitig positiven Licht. Beide haben ihren Ecken und Kanten: Währen Deloris sich mit geradezu kindlichem Starrsinn gegen die Regeln des Klosterlebens aufbäumt, zögert die Mutter Oberin viel zu lange, das Potenzial im Engagement der Sängerin zu sehen und sich für sie zu öffnen.
Natürlich gibt es in "Sister Act" auch ein Wiedersehen mit einigen, komödiantischen Stereotypen, wie beispielsweise den tölpelhaften Handlangern des Bösewichts (Harvey Keitel). Auch wird den einzelnen Nonnen, die Deloris im Laufe ihres Klosteraufenthalts kennenlernt, kein ausdifferenzierter Charakter zugesprochen. Im Vergleich mit den Hauptfiguren wirken sie sehr blass und eher leblos. Dennoch geht Emile Ardolino mit all seinen Figuren respektvoll um und gibt die gläubigen Frauen nie der Lächerlichkeit preis. Statt sich über die klösterliche Lebensweise der Nonnen lustig zu machen, findet er das Komische und das Skurrile seines Films in den einzelnen Persönlichkeiten. Dabei kann vor allem die füllige Sister Mary Patrick (Kathy Najimy) ihr Temperament voll und ganz ausleben und läuft zu komödiantischer Höchstform auf.
Es sind jedoch nicht nur die meisten Charaktere überaus gelungen, auch die Handlung bringt einige erfrischende, gut durchdachte und darum sehr unterhaltende Strukturen mit sich. Autor Joseph Howard hat die Wende- und Höhepunkte der Geschichte so geschickt platziert, dass "Sister Act" über die gesamte Laufzeit das Interesse des Publikums aufrechterhält. Dabei geht es ihm hauptsächlich um die Geschichte der Hauptfigur Deloris und ihren außergewöhnlichen Kirchenchor. Es ist genau diese dramaturgische Besinnung auf das Wesentliche, die "Sister Act" so gut funktionieren lässt und ein breites Publikum erreichen kann. Dadurch vermisst der Zuschauer auch nicht im Geringsten die fehlende Action. Denn Emile Ardolino verzichtet auf eine explizite Darstellung von Gewalt und eine drastische Inszenierung großer Gefahr. Seine Verfolgungsjagten werden nicht etwa mit bedrohlichen Klängen unterlegt, sondern mit beschwingter Musik. "Sister Act" wird so zu einem durch und durch familienfreundlichen Film.
FAZIT: Das Erfolgsrezept von Sister Act besteht aus einer glücklichen Zusammenstellung von sympathischen Charakteren, die der Zuschauer sofort ins Herz schließen kann und einem Soundtrack, der generationsübergreifende Unterhaltung bietet. Die Konzentration auf das Wesentliche und der Verzicht auf dramaturgisch, unnötige Spielereien machen "Sister Act" zu einem zeitlosen Komödienklassiker.