Ein vielversprechender Start für Jesse Eisenbergs Regiekarriere
Von Teresa VenaNach seinem Durchbruch mit Noah Baumbachs Indie-Hit „Der Tintenfisch und der Wal“ (2005) startete Jesse Eisenberg eine Hollywood-Karriere, die Kritikerhits wie David Finchers „The Social Network“ ebenso umfasst wie ironische Genre-Highlights à la „Zombieland“ und seinen großen Blockbuster-Bösewicht-Auftritt als Lex Luthor in „Batman V Superman“. Aber der inzwischen 38-Jährige war in dieser Zeit nicht nur vor der Kamera aktiv, er schreibt auch schon seit einer ganzen Weile humoristische Beiträge etwa für den New Yorker.
Ebenso hat er mit „The Revisionist“ ein Theaterstück verfasst und darüber hinaus auch noch ein Hörspiel aufgenommen, auf dem nun wiederum seine erste Kino-Regiearbeit beruht. „When You Finish Saving The World“ erinnert dabei durchaus an die Filme seines einstigen Durchbruch-Regisseurs Noah Baumbach – und bietet neben „Stranger Things“-Star Finn Wolfhard auch Oscargewinnerin Julianne Moore in einer der besten Rollen ihrer Karriere. Oder anders gesagt: Jesse Eisenberg legt nach vielen Jahren als Ausnahmeschauspieler jetzt auch noch ein richtig starkes Regiedebüt vor.
Kommunikationsprobleme wären wohl ein viel zu harmloser Ausdruck für diese Mutter-Sohn-Beziehung.
Während Teenager Ziggy (Finn Wolfhard) seine Zeit am liebsten mit dem Komponieren von Songs verbringt, die er dann seiner Online-Community vorträgt, leitet seine Mutter Evelyn (Julianne Moore) ein Heim für Frauen, die Opfer häuslicher Gewalt geworden sind. Sie findet, ihr Sohn könnte sich ruhig ein Beispiel an ihr nehmen – schließlich versuche sie ja, die Welt ein bisschen besser zu machen. Zu ihren aktuellen Bemühungen gehört auch, dass sie Kyle (Billy Bryk), den Sohn einer der Frauen, die im Heim Unterschlupf gefunden haben, unter ihre Fittiche nimmt, um ihm eine berufliche Perspektive aufzuzeigen.
Ziggy wiederum möchte seinen Schwarm Lila (Alisha Boe) beeindrucken – aber die interessiert sich für politischen Aktivismus, womit er nun gar nichts am Hut hat. Seine Bestrebungen, in Lilas Freundeskreis vorzudringen, schlagen deshalb auch weitgehend fehl. Als er eines ihrer Gedichte vertont, ist sie dennoch kurz beeindruckt, bevor sein Desinteresse am verhandelten Thema wieder durchscheint. Von seiner Mutter, mit der er sich kleine alltägliche Kämpfe liefert, die meist damit enden, dass Evelyn ihn mit einer sarkastischen Bemerkung abkanzelt, kann er allerdings keine Hilfe erwarten. Die ist von ihrem egozentrischen Sohn nämlich extrem enttäuscht – zumindest bis sie bemerkt, dass sie womöglich doch gar nicht so verschieden sind…
Jesse Eisenberg spielt in seinem Regiedebüt zwar nicht selbst mit – und doch ähnelt der Protagonist jenen, die er vor allem zu Beginn seiner Karriere häufig selbst verkörpert hat. Ziggy ist ein grundsätzlich netter Kerl, der aber seine Unsicherheit durch pausenloses Plappern zu überdecken versucht und einem deshalb irgendwann zwangsläufig auf die Nerven geht, obwohl er doch den dringenden Wunsch hat, irgendwo dazuzugehören. Dass das nicht gelingt, liegt allerdings nicht nur an Ziggy selbst. Klar, er hat eine gewisse selbstbezogene Art, die oberflächlich wirkt. Aber dabei trägt er doch nur öffentlich zur Schau, was andere hinter einer pseudo-politischen oder pseudo-humanistischen Fassade verstecken. Meisterhaft spielt Finn Wolfhard diesen desorientierten Teenager, der an den unangemessen Ansprüchen seines Umfelds scheitert. Die kommunistische Parolen schwingende Lila freut sich zwar, als er eins ihrer Gedichte vertont, ist aber geradezu entsetzt, dass er damit auch Geld verdienen möchte.
Am meisten von Ziggy enttäuscht ist aber seine eigene Mutter. Sie habe ihn als Kleinkind zu jeder einzelnen Demo mitgenommen, auf denen er dann mit seinem kleinen Spielzeuginstrument die Schlachtrufe begleitet habe – und trotzdem komponiere er jetzt nur noch banale Popsongs für seine Internetgefolgschaft. Dass Evelyn von der Masse von 12.000 Followern nicht beeindruckt ist, egal wie oft Ziggy diese Zahl auch ostentativ wiederholt, versteckt sie nicht. Seinen Versuch, von ihr rhetorisches Werkzeug für die politischen Diskussion mit seiner Angebeteten an die Hand zu bekommen, schmettert sie vehement ab, weil sie ihn für unehrlich hält. Mutter und Sohn schenken sich gegenseitig nichts.
Damit Evelyn nicht in Ziggys Live-Performances hineinbricht, muss er ein Warnsignal an der Tür anbringen. Das riesige rotierende Rotlicht, das eine ganze Fabrikhalle ausleuchten würde, setzt der Film geschickt als Symbol für das Verhältnis der beiden ein. Es herrscht kein offener Krieg, aber sie bewegen sich in einem von passiv-aggressivem Verhalten umrandeten Minenfeld. Wenn Ziggy sagt, er brauche noch fünf Sekunden, bis er startklar sei, holt Evelyn die Uhr hervor und zählt. Nach genau fünf Sekunden fährt sie ohne ihn ab.
Der Film besteht überwiegend aus einer Ansammlung solcher kleinen Gesten. Nichts für sich übermäßig Dramatisches oder besonders Böswilliges – und doch drücken sie einen auf beiden Seiten vorhandenen Überdruss aus, der doch eigentlich in erster Linie eine Unzufriedenheit mit sich selbst ist. Zumindest für eine Zeit finden die beiden ein Ventil nach außen: Evelyn projiziert ihre Wünsche auf Kyle. Sie ist beeindruckt von seiner Bereitschaft, ihr zuzuhören und zu helfen. Dass der junge Mann in einem besonderen Abhängigkeitsverhältnis zu ihr steht und sich auch deswegen bemüht, sie nicht vor den Kopf zu stoßen, fällt ihr allerdings nicht ein. Julianne Moore spielt diese singuläre auf eine betont trockene, niemals sentimentale Art. So schafft sie den Spagat zwischen der desillusionierten Mutter, die ständig sarkastische Spitzen gegen ihren Sohn abfeuert, und der Frau, die sich von der (eingebildeten) Bewunderung von Kyle revitalisiert fühlt.
Immer wieder manövriert Eisenberg seine Figuren dabei in Situationen mit beachtlichem Fremdschämfaktor. Dazu gehört auch die erfundene Ausdrucksweise von Ziggy, der alles, was ihm besonders schwerfällt, als „tera hard“ und alles Positive als „lift“ bezeichnet. Was Evelyn betrifft, ist eine Szene besonders markant, wenn sie gemeinsam mit Kyle eine Kollegin besucht, bei der sie mit ihrem guten Draht zu ihrem Schützling angeben möchte. Allerdings verstehen sich die Kollegin und Kyle sofort super miteinander und fangen sogar an, Spanisch zu sprechen. Die sich ausgeschlossen fühlende Evelyn bricht den Besuch deshalb abrupt ab, um wieder alleine mit Kyle sein zu können. Regelrecht bloß stellt Eisenberg seine Protagonisten trotz der durchaus satirisch gemeinten Beobachtungen allerdings nicht. Sein Blick bleibt grundsätzlich wohlwollend, trotz all der herausgearbeiteten Fehler fast schon rührend. Er möchte sie vielmehr wachrütteln und ihnen sagen: Schaut genau hin, was ihr da tut, damit es nicht nur eine Ablenkung ist. Bevor ihr die Welt rettet, rettet erstmal euch selbst.
Fazit: Jesse Eisenberg ist mit einer ersten Regiearbeit eine künstlerisch souverän umgesetzte, in den Hauptrollen grandios besetzte und gänzlich unpathetische Tragikomödie gelungen, die ihren Charme aus einer latenten Selbstironie mit scharfen satirischen Spitzen bezieht.
Wir haben „When You Finish Saving The World“ im Rahmen des online abgehaltenen Sundance Filmfestival 2022 gesehen.