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    Malasaña 32 - Haus des Bösen
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Malasaña 32 - Haus des Bösen

    Die spanische Antwort auf "Conjuring"

    Von Julius Vietzen

    Haunted-House-Filme laufen oft nach einem ähnlichen Schema ab: Eine Familie zieht in ein neues Zuhause, doch das vermeintliche Traumhaus entpuppt sich schon bald als der pure Horror. Dass das selbst beim x-ten Mal noch richtig spannend sein kann, hat etwa James Wan mit „Conjuring – Die Heimsuchung“ bewiesen. Immerhin haben wir den Geister-Thriller bei seinem Erscheinen 2013 sogar zum gruseligsten Film des Jahres erklärt. Auch „Malasaña 32 - Haus des Bösen“ folgt im Großen und Ganzen den gängigen Konventionen des Genres. Schließlich beginnt der spanische Horrorfilm damit, dass eine Familie in ein neues Apartment zieht und dort schon bald von unheimlichen Vorkommnissen heimgesucht wird.

    Doch Regisseur Albert Pintó („Killing God - Liebe Deinen Nächsten“) und sein vierköpfiges Autor*innenteam variieren die bekannten Versatzstücke oft genug, um trotz des Settings in den Siebzigern nicht etwa altbacken, sondern im Gegenteil sogar erstaunlich frisch zu wirken – und das liegt nicht nur daran, dass „Malasaña 32“ trotz des deutschen Untertitels „Haus des Bösen“ zur Abwechslung mal nicht in einem abgelegenen Gemäuer, sondern in einer verfluchten Wohnung in einem Mietshaus mitten in der Metropole Madrid spielt. Erst am Ende schwenkt die Erzählung wieder auf die üblichen Bahnen zurück – und enttäuscht auf der Zielgeraden zudem mit einem problematischen Twist.

    Familie Olmedo bestaunt das neue Zuhause, das sich schon bald als der blanke Horror entpuppt.

    Madrid, 1976: Vier Jahre nach dem Tod der vorherigen Bewohnerin ziehen Manolo (Iván Marcos) und Candela Olmedo (Bea Segura) gemeinsam mit ihren Kindern Amparo (Begoña Vargas), Pepe (Sergio Castellanos) und Rafael (Iván Renedo) sowie Candelas pflegebedürftigem Vater (José Luis de Madariaga) in die immer noch möblierte Wohnung in einem Mietshaus. Hier erhoffen sie sich ein besseres Leben als auf dem Land, wo sie ihr alten Haus verkauft und alle Zelte hinter sich abgebrochen haben. Auch wegen des Kredits für die neue Wohnung gibt es für sie praktisch kein Zurück mehr.

    Aber schon bald nach dem Einzug machen vor allem die beinahe erwachsene Amparo und der fünfjährige Rafael unheimliche Erfahrungen, während ihre Eltern bei der Arbeit schuften. Als Amparo eines Tages ihren jüngeren Bruder alleinlässt, um den auf die Straße gelaufenen Großvater wieder in die Wohnung zu holen, muss sie nach ihrer Rückkehr feststellen, dass Rafael verschwunden ist. Kurz darauf hört die Familie aus der ebenfalls leerstehenden Nachbarwohnung Hilferufe, die schwer nach denen eines kleinen Jungen klingen…

    Schneller Grusel – auch abseits der gewohnten Bahnen

    Albert Pintó zieht das Tempo vom Start weg straff an. Die ersten Gruselmomente sind – gerade im Vergleich zur Jump-Scare-Konkurrenz aus den USA – zwar noch angenehm subtil inszeniert, so dass man schon ganz genau hinschauen muss, um den sich ankündigenden Spuk zu erspähen: So ändern sich etwa auf einem Porträt im Flur der Wohnung Gesichtsausdruck und Kopfhaltung zwischen einzelnen Einstellungen. Aber kaum ist die Familie Olmedo erst einmal eingezogen, bricht sich der Horror auch schon Bahn! Das kulminiert schon nach einer guten Stunde im Horror-Höhepunkt des Films, bei dem alle Familienmitglieder auf sich alleine gestellt mit verschiedenen Gruselgestalten konfrontiert werden – eine starke Sequenz, bei der Albert Pintó über Minuten die Spannung aufrechterhält und mit immer weiteren Schockmomenten weiter befeuert. In diesen Momenten kommt „Malasaña 32“ dem fast schon körperlich fühlbaren Horror eines „Conjuring“ sehr nah.

    Wobei „Malasaña 32“ noch eine weitere Ähnlichkeit speziell mit „Conjuring 2“ aufweist, die dem Film ebenfalls sehr zugute kommt: Denn die wirtschaftliche Situation der Protagonisten, die in den allermeisten Horrorfilmen einfach vollkommen ausgeblendet wird, spielt in beiden Fällen eine ganz zentrale Rolle! Nicht nur hat die Familie all ihr Geld in das Appartement gesteckt, weshalb sie sich dem Horror auch nicht einfach entziehen kann – die Eltern Manolo und Candela müssen, ob sie wollen oder nicht, auch unbedingt tagsüber zur Arbeit und ihre Kinder mit dem Spuk alleinlassen, weil der Verlust ihrer Jobs in eine kaum minder hoffnungslose Situation münden würde.

    (Hier weist der natürlich schon vor der Pandemie abgedrehte „Malasaña 32“ überraschende Parallelen zur Corona-Lage auf. Schließlich ist es auch diesmal wieder so, dass sich viele finanziell bessergestellte Menschen in ihren Wohnungen oder Häusern verschanzen können, während vor allem viele schlecht bezahlte Arbeiter weiter mit öffentlichen Verkehrsmitteln zum Dienst müssen, Ansteckungsgefahr hin oder her.)

    In „Malasaña 32“ ausnahmsweise mal nicht nur als Schreckgespenst zu sehen: Horror-Ikone Javier Botet.

    Eine der oben erwähnten Gruselgestalten ist der Geist der greisen Vormieterin, der mit meterlangen Fingernägeln und verdrehten Füßen von Javier Botet gespielt wird, der in den vergangenen Jahren als so ziemlich jede Schauergestalt im Kino zu sehen war, die man sich nur vorstellen kann: Er war Mama in „Mama“, der Crooked Man in „Conjuring 2“, der Xenomorph in „Alien: Covenant“, der Hobo in „ES“ und „ES: Kapitel 2“, der Slender Man in „Slender Man“ – und es gibt einfach niemanden, der sich auch nur ansatzweise so schön-schaurig vor der Kamera verrenken kann. (In „Malasaña 32“ ist der spanische Schauspielstar zudem auch mal ohne Make-Up und Schockeffekte zu sehen, denn er hat zusätzlich auch noch die kleine Rolle des Vermieters übernommen.)

    Auf der Zielgeraden geht „Malasaña 32“ dann jedoch nach und nach die Puste aus: Erst lassen der Regisseur und seine Autor*innen die Figuren nicht nur einen, sondern gleich zwei „Erklärbären“ aufsuchen, die mit ausführlichen Erläuterungen Licht in das Dunkel des verfluchten Appartements bringen. Das bremst den Film auf dem Weg zum nahenden Finale nicht nur unnötig aus, es wird am Schluss auch zunehmend immer tiefer in die Kiste der Horror-Klischees (inklusive Geistervertreibung mit Bibelversen) gegriffen, worunter auch die zuvor so geschickt aufgebaute Gruselstimmung leidet. Zumal sich die Macher*innen auch noch beim finalen Twist verheben – dabei wagen sie sich an ein eigentlich spannendes Thema, dem sie aber einfach nicht gerecht werden, weshalb der Ursprung des Horrors am Ende einen unangenehmen Nachgeschmack hinterlässt.

    Fazit: „Malasaña 32“ ist ein über weite Strecken wunderbar gruseliger Horrorfilm, der mit ungewöhnlichen thematischen Schwerpunkten und gelungenen Schockeffekten überzeugt. Nur das Finale ist enttäuschend.

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