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    Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war

    Fans des Bestsellers kommen auch im Kino auf ihre Kosten

    Von Michael Meyns

    Ist es eine Form von Realitätsflucht? Ein Versuch, den Problemen der Gegenwart auszuweichen? Viele deutsche Filme der letzten Zeit sind in der jüngeren Vergangenheit angesiedelt, erzählen Geschichten vom Erwachsenwerden vor dem Hintergrund des Mauerfalls oder der Achtzigerjahre, was dem ohnehin meist melancholischen Genre der Coming-of-Age-Story noch einmal eine zusätzliche Nostalgie-Note verleiht. Erst vor wenigen Monaten bearbeitete zum Beispiel Aron Lehmann in „Was man von hier aus sehen kann“ dieses Feld. Nun hat Sonja Heiss mit „Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war“ einen vergleichbaren Film gedreht, wenn auch ohne surreale „Amélie“-Note – ebenfalls auf einem Bestseller basierend, ebenfalls von sanfter Melancholie durchzogen, ebenfalls in manchen Momenten kitschig und in anderen berührend.

    Joachim (Arsseni Bultmann) wächst in der Psychiatrie auf. Nicht als Patient, sondern als Sohn des Leiters Richard Meyerhoff (Devid Striesow), der zusammen mit seiner Frau Iris (Laura Tonke) und den drei Söhnen – neben Joachim noch Philipp und Patrick – in einem weitläufigen Klinikum in Nordrhein-Westfalen lebt. Zu den Patient*innen mit ihren unterschiedlichen psychischen Erkrankungen hat Joachim ein Verhältnis wie zu großen Geschwistern oder alten Freund*innen. Das, was die Gesellschaft als „unnormal“ empfindet, ist für ihn Alltag – was ganz gut passt, denn auch Joachim neigt zu emotionalen Ausbrüchen. Anfang der 1980er wird Marlene (Pola Geiger) zum Fixpunkt im Leben des inzwischen 14-jährigen. Doch die erste große Liebe endet tragisch, so wie das Erwachsenwerden von Joachim ohnehin von einem stetigen auf und ab geprägt ist…

    Wie so viel in seiner Jugend endet auch die erste Liebe für Joachim (Arsseni Bultmann) tragisch.

    Inzwischen bereits vier Bände umfassen die autobiographischen Romane von Joachim Meyerhoff, in denen der vor allem von Engagements am Wiener Burgtheater und der Berliner Schaubühne bekannte Schauspieler sein bewegtes Leben schildert. „Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war“ ist der zweite Band, und es überrascht nicht, dass er nun von der Regisseurin Sonja Heiss verfilmt wurde. Heiss Debütfilm „Hotel Very Welcome“ schildert die Erfahrungen von fünf jungen Erwachsenen, die als Rucksackreisende in Thailand unterwegs sind und Lektion im Erwachsensein lernen. Ihr zweiter Film „Hedi Schneider steckt fest“ erzählte wiederum von den existenziellen Nöten einer Mitdreißigerin, die von Panikattacken geplagt ihr Leben hinterfragt. Nun, acht Jahre später, also ein Film, der Elemente der beiden vorherigen Werke zusammenführt und in Form einer episch angelegten Coming-of-Age-Geschichte erzählt.

    Die Handlung setzt Ende der 19070er ein und endet so um die Jahrtausendwende. Der Hauptteil spielt jedoch 1983 und folgt einer losen, episodische Struktur, wie sie die Literatur liebt, wie sie im Kino jedoch oft nur bedingt funktioniert. Mäandernd reihen sich die Szenen aneinander, manche stärker, manche schwächer, langsam entwickelt sich die Geschichte rund um Joachims erste Liebe und der langsamen Entfremdung seiner Eltern. Im Hintergrund zwei Brüder, die nur gelegentlich auftauchen, und – noch bedauerlicher – die Insass*innen der Anstalt, die oft zur bloßen Staffage reduziert werden. An sich eine interessante Dialektik: Hier die psychisch Kranken in der Klinik, die vermutlich selbst Anfang der Achtziger noch als „Irrenanstalt“ bezeichnet wurde, dort die scheinbar normale Familie mit einem Vater, der sich um seine Patient*innen sorgt, sich aber im selben Moment zunehmend von seiner eigentlichen Familie distanziert.

    Zumindest beim Tanzen erlebt Joachim seine Mutter Iris (Laura Tonke) einmal wirklich glücklich.

    Zum Glück überbetont Sonja Heiss diese Gegensätze nicht, sondern verlässt sich ganz auf ihr Darstellerensemble, das gerade in kleinen Momenten besonders brilliert: Wenn Vater Richard etwa endlich das ersehnte Segelboot gekauft hat, bei der Segelprüfung aber versagt und nur über die Reling kotzen kann; oder wenn Mutter Iris ausgelassen zu Al Bano & Romina Powers Hit „Felicita“ tanzt und Joachim seine Mutter endlich einmal wirklich glücklich sieht. Von sanfter Melancholie sind diese Szenen geprägt, bisweilen nah am Kitsch, in den besten Momenten aber auch an- und berührend.

    Dass „Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war“ trotz seines Settings und trotz dramatischer Momente vom Unfalltod bis zum Selbstmord am Ende doch weitgehend frei von Ecken und Kanten bleibt, mag man bedauern. Trotzdem bleibt ein sanfter Coming-of-Age-Film, der Fans der Romanvorlage durchaus beglücken dürfte.

    Fazit: In ihrer Bestseller-Verfilmung „Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war“ erzählt Sonja Heiss vom Aufwachsen eines Jugendlichen im Umfeld einer psychiatrischen Klinik, die von seinem Vater geleitet wird. Die Regisseurin bleibt dabei zwar ganz nah am Roman und seinen Stimmungen, spannende Ecken und Kanten wie in ihren vorangegangenen Filmen sucht man diesmal allerdings weitestgehend vergeblich.

    Wir haben „Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war“ im Rahmen der Berlinale 2023 gesehen.

     

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