Ein bombastisches, heroisches Schlachtspektakel vor dem Hintergrund einer Dreiecks-Liebesgeschichte zaubert Regisseur Michael Bay mit dem Kriegsdrama „Pearl Harbor“ auf die Leinwand. Leider vergisst Bay bei aller Pyrotechnik eine spannende, ergreifende Geschichte zu erzählen – ganz abgesehen von der absurden Schwarz-Weiß-Darstellung geschichtlicher Fakten.
Die beiden Freunde Rafe (Ben Affleck) und Danny (Josh Hartnett) träumen schon als Jungen im amerikanischen Hinterland davon, einmal Kampfpiloten zu werden. Als sie 1941 tatsächlich Flieger bei der Army sind, verliebt sich Rafe in die Krankenschwester Evelyn (Kate Bekinsale). Doch das Glück dauert nicht lange an, Rafe hatte sich bereits freiwillig zum Kampfeinsatz gemeldet und soll den Engländern im Zweiten Weltkrieg gegen Nazi-Deutschland helfen. Nachdem Rafe abgeschossen wird, gehen alle davon aus, dass er tot ist. Beim gemeinsamen Trauern kommen sich Danny und Evelyn, die beide nach Pearl Harbor versetzt wurden, näher. Als der totgeglaubte Rafe unvermittelt wieder auftaucht, wird’s problematisch. Genau in dieser Zeit planen die Japaner einen Vergeltungsschlag gegen die USA, die japanisches Vermögen in Amerika einfrieren ließen und die Ölzufuhr blockierten. Von dem Überraschungsangriff auf das militärisch unbedeutende Pearl Harbor ahnt niemand etwas...
Das Unternehmen „Pearl Harbor“ trägt unwiderruflich die Handschrift von Produzent Jerry Bruckheimer („Top Gun“, „The Rock“, „Armageddon“), der mit Regisseur Michael Bay ein brauchbaren Erfüllungsgehilfen fand. Beseelt von gigantischen „Titanic“-Erfolg versucht Bruckheimer (von Bay sei hier bewusst keine Rede mehr), das Konzept eins zu eins zu kopieren – von der Grundkonstellation einer Liebesgeschichte vor dem Hintergrund einer Katastrophe über eine phantastisch inszenierte Zerstörungsorgie bis hin zum schmalztriefenden Titelsong.
Das Sehenswerte an „Pearl Harbor“ ist eindeutig die beispiellos überwältigende Zerstörungsorgie, die Bruckheimer für offiziell 140 Millionen Dollar auf die Leinwand zaubert. 40 Minuten lang wird die Verwandlung des Hawaii-Paradieses in ein Hölleninferno zelebriert. Explosion reiht sich an Explosion. In der beeindruckendsten Sequenz des Films kracht eine Bombe durch sechs Schiffsdecks des Schlachtschiffs „Arizona“, um schließlich doch noch zu detonieren. Die Gewaltszenen fallen dabei aber seltsam klinisch aus, eher comic-haft, im genauen Gegenteil zu Steven Spielbergs schonungslosem „Saving Private Ryan“. Trotzdem ist die Altersfreigabe „ab 12 Jahre“ mehr als fragwürdig. Sicherlich wird das Studio entsprechenden Druck ausgeübt haben, anders ist diese Wertung nicht zu erklären (zum Vergleich: „American Beauty“ ist freigegeben „ab 16 Jahre“).
Bruckheimer schafft dabei nichts Neues, setzt nur alte Versatzstücke neu zusammen, klaut sogar bei sich selbst (die Top-Gun-Szene zu Beginn). Das Problem: Die Liebesgeschichte, die die ohnehin schon dünne Handlung tragen soll, funktioniert einfach nicht richtig. Von Drehbuchautor Randall Wallace („Braveheart“) dazu verdammt, pathetische Plattheiten abzusondern, stehen die Schauspieler auf verlorenem Posten. Der enttäuschende Ben Affleck („Auf die stürmische Art“) schafft das Kunststück, den gesamten Film mit zwei verschiedenen Gesichtsausdrücken zu absolvieren. Dementsprechend emotionslos nimmt der Zuschauer - malerische Sonnenuntergänge hin oder her - an seinem Schicksal teil. Eine etwas bessere Figur geben Josh Hartnett („The Faculty“, „Stadt, Land, Kuss“) und Kate Bekinsale („Viel Lärm um nichts“) ab, die wenigstens ansatzweise überzeugen können. Die illustre Schar der Nebendarsteller (siehe Besetzungsliste) ist erlesen, leidet aber zumeist unter der Eindimensionalität des Drehbuchs. Kleine Pluspunkte darf Dan Aykroyd in einer Minirolle sammeln. Eine Identifikation mit den Figuren ist aber nur schwer möglich. Die Krone der Penetranz gebührt allerdings Jon Voigt („Lara Croft: Tomb Raider“), der in der peinlichsten Szene des Films als Präsident Roosevelt aus seinem Rollstuhl aufsteht und damit die Stärke und den unbeugsamen Willen des amerikanischen Volkes symbolisieren will.
Überhaupt will „Pearl Harbor“ niemandem weh tun. Die Japaner werden als schneidige, weise Krieger dargestellt, die eigentlich gar keine andere Wahl hatten, als den Angriff zu starten. Schließlich möchte Bruckheimer auch auf dem japanischen Filmmarkt mit „Pearl Harbor“ Kasse machen, deswegen blieb Japan (und Deutschland) auch eine mehrminütige pathetische Abschlussrede erspart. Für die Amerikaner verwandelt Bruckheimer eine der schmerzvollsten Ereignisse der nationalen Geschichte praktischerweise in ein rauschendes Heldenepos, das mit dem hanebüchenen Vergeltungsangriff - dem so genannten „Doolittle Raid“ - auf einige militärische Ziele in Japan endet. Also war „Pearl Harbor“ wohl doch ein voller Erfolg für die USA. Die Spätfolgen des Überfalls - dem Abwurf der Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki – werden selbstredend besser nicht erwähnt. Auch die Tatsache, dass Roosevelt den Angriff provozierte, um vor dem amerikanischen Volk einen Vorwand zu finden, in den Zweiten Weltkrieg einzutreten, wird generös verschwiegen.