Das perfekte Mittel gegen (Corona)-Depressionen!
Von Oliver KubeWenn Jamie Dornan nach Dreharbeiten in seinem Hotelzimmer hockt und durch die TV-Kanäle zappt, hofft er immer, zufällig eine Folge der Kult-Sitcom „Golden Girls“ zu erwischen: „Ich liebe die Serie. Sie hat Charme und ist einfach umwerfend witzig. Auch heute noch.“ Zudem offenbarte der nordirische Schauspielstar im selben Interview mit einem US-Radiosender, dass er als 17-Jähriger heimlich für die älteste der vier Titelheldinnen, die kratzbürstige Sophia, geschwärmt habe. Er sei sogar längere Zeit Mitglied eines Fanclubs der Schauspielerin Estelle Getty gewesen.
Nun mag es zunächst ein wenig kurios wirken, ausgerechnet den Sado-Maso-Beau aus „Fifty Shades Of Grey“ oder den brutalen Killer aus der Crimi-Serie „The Fall“ in „Barb And Star Go To Vista Del Mar“ als Möchtegern-Attentäter mit einer romantischen Vorliebe für ältere Damen zu erleben. Aber mit dem Wissen um seine „Golden Girls“-Jugend ergibt das plötzlich alles Sinn – und vielleicht hat es ja auch damit zu tun, dass er seine Rolle mit so viel spürbarem Engagement verkörpert. Jedenfalls zählen seine urkomischen Auftritte zu den Highlights von Josh Greenbaums auch sonst fast durchweg turbulent-spaßigen Komödie nach einem Skript der beiden Hauptdarstellerinnen Kristen Wiig und Annie Mumolo, die hier zum ersten Mal seit ihrer oscarnominierten Arbeit an „Brautalarm“ wieder gemeinsam ein Drehbuch geschrieben haben.
Das oscarnominierte "Brautalarm"-Dreamteam Kristen Wiig & Annie Mumolo ist zurück - mit einer pinkfarbenen Gute-Laune-Garantie!
Barb (Annie Mumolo) und Star (Kristen Wiig) sind beste Freundinnen, solange sie denken können – und seitdem sie ihrer Ehemänner verlustig geworden sind (der eine ist verstorben, der andere mit einer Jüngeren durchgebrannt), leben sie sogar zusammen in einem vor Nippes nur so überquellenden Häuschen in einer Kleinstadt im Mittleren Westen der USA. Als sie gleichzeitig ihre geliebten Jobs im örtlichen Möbelhaus verlieren, beschließen sie zum Trost, erstmals in ihrem Leben eine echte Urlaubsreise zu unternehmen.
Ihr Ziel ist das an der Küste Floridas gelegene Strandparadies Vista Del Mar. Kaum angekommen, stürzen sich die Damen mit Wonne in den Trubel aus Sonne, Liebe und Abenteuer. Was sie allerdings nicht ahnen: Der gutaussehende Edgar (Jamie Dornan), mit dem sie besonders viel Spaß haben, weilt nur in ihrem Hotel, um im Auftrag der verbittert-rachsüchtigen Gangsterchefin Sharon Gordon Fisherman (ebenfalls Kristen Wiig) sämtliche Bewohner des Ortes mitsamt der angeschlossenen Tourismus-Anlage auszulöschen – und zwar mit Hilfe von genveränderten Killer-Mücken…
Annie Mumolo und Kristen Wiig haben in Interviews berichtet, dass sie im realen Leben ähnlich eng wie ihre Figuren Barb und Star miteinander verbandelt sind – und tatsächlich sind sie einfach perfekt als unermüdlich quasselnde, grausam frisierte, etwas naive und dennoch endlos sympathische Provinzlerinnen. Man merkt ihnen sofort an, dass sie ein eingespieltes Team sind – weshalb die Freundschaft, aber auch die im letzten Drittel des Films doch noch hochkochenden Konflikte jederzeit real und authentisch wirken.
Eines der schönsten und verspieltesten Beispiele für die wunderbare Chemie ist die Anreise im Flugzeug: Da plappern die Freundinnen während des gesamten Trips fröhlich über eine von ihnen gerade erfundene Person namens Trish – sie malen sich ihr komplettes Leben mit allen Höhen und Tiefen aus, bis sie pünktlich bei der Ankunft in Vista Del Mar mit dem tragischen Tod ihrer fiktiven Bekannten enden. Dass die spontan ausgedachte Geschichte im Finale plötzlich noch mal aufgegriffen wird, ist da nur die Kirsche auf der Comedy-Torte – so geht komödiantisches Timing!
Jamie Dornan auf den Spuren von Chris Hemsworth - nach diesem Film wird er sich vor Comedy-Angeboten kaum retten können...
Nicht nur diese Szene fühlt sich an, als könnte sie auch ein Sketch aus der in den USA seit den 1970ern Kultstatus innehabenden Fernseh-Show „Saturday Night Live“ sein (in der ja auch Wiig sieben Staffeln lang zum Hauptcast zählte). Oder sie könnte – wie etwa auch die Segmente mit Barb, Star und ihren Freundinnen, die ein strengstens durchgeregeltes wöchentliches Treffen zum Schwatzen und Tratschen abhalten – geradewegs aus einer TV-Sitcom stammen. Ja genau, so einer wie „Golden Girls“.
Trotzdem fügen sich die amüsanten Zutaten im Rahmen der übergreifenden Story erstaunlicherweise zu einem homogenen Ganzen zusammen – und das schließt selbst die diversen, teilweise herrlich überraschend eingestreute Musical-Sequenzen mit Blödeltexten oder den Auftritt einer mit einer nach Morgan Freeman klingenden Stimme sprechenden Krabbe namens Morgan Freemond ein. Zudem haben Wiig und Mumolo, die hier als Stars, Autorinnen und Produzentinnen mit an Bord sind, nicht nur sich selbst, sondern auch ihrem männlichen Co-Star eine fantastische Rolle auf den Waschbrettbauch-Körper geschrieben.
Nach seinem Auftritt in „Barb And Star Go To Vista Del Mar“ dürften sich die Comedy-Rollenangebote für Jamie Dornan jedenfalls stapeln (womöglich steht ihm damit ein ähnlicher Karrierepfad wie Chris Hemsworth bevor, der ja in seinen Comedy-Rollen ebenfalls völlig uneitel und schmerzfrei agiert). Der von seiner Leidenschaft für beide (!) von Wiig dargestellten Figuren übermannte Edgar ist der gar nicht so heimliche Star des Films – schnell drücken wir ihm alle Daumen, dass er es doch noch schaffen möge, sich aus den Klauen der offensichtlich komplett wahnsinnigen Sharon zu lösen und auf die Seite des Guten überzuwechseln.
Sharon ist dabei übrigens die wohl gelungenste Parodie eines Bond-Bösewichts seit dem von Mike Myers in der „Austin Powers“-Reihe verkörperten Dr. Evil. Mit ihrer haarsträubend beknackten „Carrie“-Biografie, ihren sinnlos-überdrehten Gadgets sowie ihrem an Oddjob aus „Goldfinger“ erinnernden Handlanger, macht sie einfach verdammt viel Spaß. Verkörpert wird der Gangster-Gehilfe im Mini-Format von Newcomer Reyn Doi, der sich direkt als trockenhumoriger Szenendieb beweist – ebenso wie Damon Wayans Jr. („Let’s Be Cops“), der als vielleicht doch nicht ganz so professioneller Profikiller ebenfalls für einige der lautesten Lacher während der 107-minütigen Laufzeit sorgt.
Ein harmloser Zeitungsjunge? Nein, Newcomer Reyn Doi spielt den verschlagenen Handlanger von Mücken-Terroristin Sharon (Kristen Wiig).
Der Humor von „Barb And Star Go To Vista Del Mar“ ist dabei immer positiv und entspannt, niemals bösartig. Auch auf Jokes aus der Ekel- oder Toiletten-Abteilung wird hier erfrischenderweise verzichtet. Der eine oder andere Gag wird vielleicht ein wenig zu lang ausgewalzt. Allerdings ist die Stimmung selbst in diesen Fällen konstant leicht, locker und fröhlich.
An jeder Ecke gibt es kleine Absurditäten zu entdecken, die sich vielleicht erst bei der zweiten oder gar dritten Sichtung (ja, ein Re-Watch lohnt sich hier definitiv!) offenbaren. Darunter etwa die Songtexte des Hotel-Lounge-Sängers (Mark Jonathan Davis), der im Hintergrund Liedchen trällert, die zwar so klingen, als würden sie perfekt in das Ambiente passen, beim konzentrierteren Hinhören aber plötzlich solche Textzeilen wie „My Friends From High School Recently Passed“ oder „I Love Boobies“ offenbaren.
Fazit: Das perfekte Antidot für die depressiven Zeiten, in denen wir aktuell alle leben. Wer Lust auf einen turbulenten Abend mit albern-absurden Scherzen, augenzwinkernder Slapstick-Action und herrlich bescheuerten Figuren hat, die zusammen dennoch eine rundum stimmige, ehrlich liebenswerte Story ergeben, ist hier goldrichtig.
Achtung: Nicht sofort nabschalten! Während des Abspanns (und auch noch danach!) gibt es weitere tolle Gags.