Weihnachtskitsch zum nebenbei Weggucken
Von Oliver KubeSogenannte Fisch-auf-dem-Trockenen-Komödien, in denen die Hauptfigur unvorbereitet in eine ihr fremde, sie erst einmal überfordernde Umgebung geworfen wird, gibt es in der Kinogeschichte wie Sand am Meer. Einige besonders gelungene Beispiele sind „Es geschah in einer Nacht“ (eine Bankierstochter in einem Bus voller armer Menschen zu Zeiten der Großen Depression), „Big“ (ein kleiner Junge als plötzlich erwachsener Firmenlenker), „Kindergarten Cop“ (ein knallharter Gesetzeshüter als Kleinkind-Pädagoge) oder „Die Glücksritter“ (ein bettelnder Trickbetrüger als Aktienmanager, wobei das womöglich gar nicht zwei so unterschiedliche Welten sind).
Zu Weihnachten 2019 präsentiert Netflix mit dem festlich anmutenden „The Knight Before Christmas“ nun eine weitere solche Fisch-auf-dem-Trockenen-Geschichte, die zwar niemand gebraucht hätte, die aber auch niemandem wehtut: Dank gut harmonierender Hauptdarsteller und einer seicht-amüsanten Story präsentiert sich die RomCom mit Fantasy-Element als sympathisch und leicht verdaulich. Beim Drehbuch und der Inszenierung der im Metier bereits erfahrenen Autorin Cara J. Russell („Ein Pastor zum Verlieben“) und Regisseurin Monika Mitchell („Ein Prinz zu Silvester“) gibt es derweil noch 'ne Menge Luft nach oben. Wobei es darauf im gar nicht mal so unpopulären Genre der Nebenbei-beim-Plätzchenbacken-gucken-Filme wohl am Ende auch gar nicht ankommt.
Die Chemie stimmt...
Dezember 1334 im englischen Norwich: Der Ritter Sir Cole (Josh Whitehouse) wird bei einem Ausritt von einer Zauberin (Ella Kenion) in unsere Gegenwart – und zwar mitten auf den Weihnachtsmarkt der Kleinstadt Bracebridge im US-Bundesstaat Ohio – befördert. Zurück kann er laut der Alten nur, wenn er bis Heiligabend eine Aufgabe bewältigt, die sie ihm allerdings nicht näher erläutert. Verwirrt läuft Sir Cole vor einen SUV, bleibt dank seiner Rüstung aber unverletzt. Aus schlechtem Gewissen nimmt die High-School-Lehrerin Brooke (Vanessa Hudgens) den seltsamen, aber auch harmlos anmutenden Mann bei sich zu Hause auf. Zumindest so lange, bis er seinen – so vermutet sie – durch den Unfall hervorgerufenen Gedächtnisverlust bewältigt hat und nicht mehr glaubt, dass er aus dem Mittelalter stamme. Dabei kommt es, wie es kommen muss: Während die von der Liebe eigentlich desillusionierte Brooke dem charmanten Kempen hilft, sich in der für ihn fremden, neuen Welt zurecht zu finden, nähern sich die beiden einander an…
Mit dem kolossalen Erfolg der „High School Musical“-Reihe mauserte sich die bis dahin lediglich in Mini-Rollen und Serien-Gastspielen aufgetretene Vanessa Hudgens innerhalb kürzester Zeit zu Amerikas Sweetheart. Ein Status, den die Kalifornierin weiterhin pflegt. Denn obwohl sie mittlerweile die 30 überschritten hat und sich hin und wieder auch in toughen Thrillern wie „Polar“ oder gewagteren Stoffen à la „Sucker Punch“ und „Spring Breakers“ versucht, kehrt sie regelmäßig zu ihrem Image als verträumter Disney-Teenie-Star zurück. Ein Paradebeispiel dafür ist die Netflix-Comedy „Prinzessinnentausch“. Die war im Dezember 2018 ein solcher Hit, dass der Streaming-Riese für die folgende Feiertagssaison gleich den nächsten Weihnachtsspaß mit Hudgens orderte und ihr als zusätzlichen Anreiz den Produzentinnen-Job anbot.
Wie alle romantischen Komödien steht oder fällt auch „The Knight Before Christmas“ größtenteils damit, ob der Zuschauer den Liebenden ihre Gefühle füreinander abnimmt und mit ihnen fiebert, wenn sich die unvermeidbaren Hindernisse auftun, die dem gemeinsamen Glück im Wege stehen. Mit der Verpflichtung von Josh Whitehouse („Northern Soul“) hat das Team hinter dem Film alles richtig gemacht. Der Engländer ist nicht nur ausgesprochen attraktiv – in einigen der frühen Einstellungen im Mittelalter erinnert er, von den Machern vielleicht nicht ganz unbeabsichtigt, mit Kettenhemd, rotem Wams und halblangen blonden Strähnen sogar etwas an Heath Ledger in „Ritter aus Leidenschaft“. Er beweist zudem hervorragendes Timing in den komödiantischen Momenten und die positiven Schwingungen zwischen ihm und Hudgens sind ebenfalls unübersehbar.
Der Bursche hat Stil und zeigt in der Rolle als nobler Ritter sowie als um die „holde Brooke“ werbender Edelmann klassisches Charisma. Kein Wunder also, dass Whitehouse für eine der Hauptrollen in der dann allerdings gecancelten „Game Of Thrones“-Prequel-Serie „The Long Night“ gecastet wurde. Dabei hat der Schauspieler als aus der Zeit gefallener Ritter natürlich die deutlich dankbarere Rolle als seine dennoch erfreulich glaubhaft agierende Partnerin.
Das Szenario erinnert streckenweise stark an „Kate und Leopold” mit Hugh Jackman und Meg Ryan, in dem ein junger Aristokrat aus dem 19. Jahrhundert durch ein Zeitportal in unsere Gegenwart stolpert und auf herrlich altmodische Art mit einer von seinem Charme faszinierten modernen Frau anbandelt. Das Duo Whitehouse und Hudgens spielt mit Engagement und sichtbarer Freude an der Zusammenarbeit über kleine bis größere Ungereimtheiten und Klischees im Drehbuch einfach hinweg. So macht es etwa deutlich weniger aus, dass sich Cole schon nach einer einzelnen Nacht vor dem Fernsehgerät eigentlich viel zu schnell an seine neue Umgebung, den technischen Fortschritt und die aktuellen Sitten gewöhnt. Oder dass jedes Mal, wenn sich die zwei endlich küssen wollen, natürlich irgendwer oder irgendwas dazwischen poltert...
... auch wenn das Setting ganz schön billig wirkt!
Was die visuellen Aspekte angeht, macht der Streifen leider längst nicht so eine gute Figur. Ihm haftet nämlich eine permanente, aufdringliche TV-Optik an. Die Kameraarbeit von Greg Gardiner („Men In Black 2“) und der Schnitt von Lara Mazur („Flashpoint“) sind zwar adäquat, aber wenig einfallsreich. Mit Ausnahme einiger Momente in einem Wald sowie in und um eine Burg (beides in Irland gedreht) sehen sämtliche im kanadischen Ontario gefilmten Kulissen und Außenaufnahmen penetrant nach Studio aus. Speziell der Weihnachtsmarkt und die Straße, in der Brookes Haus steht, sind ähnlich saubergeleckt und überkitscht, wenn auch nicht ganz so almodisch-malerisch wie das kleine Städtchen Stars Hollow in „Gilmore Girls“.
Das Ganze wirkt über weite Strecken wie eine der jedes Jahr mit enormer Schlagzahl rausgehauenen Schnulzen auf den US-Herzschmerz-Sendern Hallmark und Lifetime. Dazu passend sind die wenigen visuellen Effekte schwach und übertreffen nur knapp das Niveau der schon 1993 durch die Zeit reisenden Rittersleute in „Die Besucher“. Coles fast 700-jähriger Trip passiert mittels einer Handbewegung der alten Zauberin, einem bläulichen CGI-Schimmer, etwas Trockeneisnebels und eines eher unbeholfenen Bildschnitts. Ziemlich schäbig gemacht.
Fazit: Eine trotz billiger TV-Optik recht kurzweilige und dank der romantischen Chemie ihrer Stars leicht verdauliche Fantasy-Komödie für die Festtage. Zwischen Würstchen mit Kartoffelsalat, Lebkuchengebäck und Gänsebraten passt das moderne Weihnachtsmärchen locker noch rein. Und wer einen richtig guten Festtags-Film auf Netflix schauen will, der sollte ohnehin besser bei „Klaus“ reinschauen.
Achtung: Beim Abspann nicht gleich wegschalten. Es gibt dort noch eine nette, kleine Szene zu sehen, die ein mögliches Sequel beziehungsweise Spin-off anteasert.