"Ocean's Eleven" während des WM-Finals
Von Lutz GranertHeist Movies funktionieren nach einem ebenso einfachen wie effektiven Schema: Eine Gruppe möglichst gegensätzlicher Gauner-Charaktere plant gemeinsam einen spektakulären Raub – wobei die Durchführung in der Regel mit etlichen Unwägbarkeiten sowie einem ordentlichen Schuss Wahnsinn verbunden ist. Gerade das mit dem „Wahnsinn“ war wohl auch der ausschlaggebende Grund, warum Jaume Balagueró beim Bankraub-Thriller „Crime Game“ auf dem Regiestuhl platzgenommen hat: Bei einem so „nett zusammengerührten“ Plot um einen legendären Piratenschatz und die Fußball-Weltmeisterschaft 2010 könne er ja wohl schlecht „Nein“ sagen, gab der spanische Spannungs-Spezialist („[Rec]“, „Sleep Tight“) vor Beginn der Dreharbeiten zu Protokoll.
Tatsächlich passen die wild-gemischten Motive in dem erfreulich temporeich, aber auch arg konventionell erzählten Gaunerstück nicht immer 100-prozentig zusammen. Das eigentliche Problem ist allerdings, dass sich „Crime Game“ trotz seiner abgehobenen Prämisse selbst unerwartet ernst nimmt – so erinnert die mit einigen internationalen Stars angereicherte spanische Produktion in ihren besten Momenten zwar durchaus an die „Ocean's“-Trilogie von Steven Soderbergh, insgesamt erreicht sie den Charme und Witz des Vorbilds aber zu selten.
Kein Wunder, dass die Bankräuber so ernst dreinschauen - immerhin wollen sie in das bestgesicherte Gebäude des Landes eindringen...
Im September 2009 finden der Schatzsucher Walter (Liam Cunningham) nach jahrelanger Suche bei einem Tauchgang endlich eine Schatulle mit Münzen aus dem 17. Jahrhundert, welche die Koordinaten zu einem Piratenschatz weisen. Da sich die Fundstelle der Münzen in spanischen Hoheitsgewässern befindet, müssen sie ihren Fund jedoch direkt wieder abgeben, woraufhin er in der Bank von Spanien eingelagert wird.
Walter und sein Team planen deshalb einen Diebstahl der Schatulle während des Finales der Fußball-Weltmeisterschaft 2010. Als Unterstützung engagieren die Schatzsucher den hochintelligenten Ingenieur-Studenten Thom (Freddie Highmore). Seine Hilfe haben die Gauner aber auch bitter nötig, denn beim ersten Auskundschaften der Bank entdecken sie, dass die Schatulle in einem unterirdischen Gewölbe aufbewahrt wird, das bei der geringsten Gewichtsveränderung mit Wasser vollläuft…
» "Crime Game" bei Amazon*
Insgesamt fünf Drehbuchautoren waren am holprigen Skript von „Crime Game“ beteiligt. Trotzdem sind einige Logiklöcher auch im fertigen Film noch immer nicht gestopft: Bei einem Prozess vorm Internationalen Gerichtshof in Den Haag werden die vermeintlichen Piraten Walter und seine Crew zu keiner Strafe verurteilt. Auch gelingt es der dubiosen Truppe nahezu im Handumdrehen, einen ambitionierten Studenten für ihren Coup anzuwerben, der mal eben die hochdotierten Angebote von Ölkonzernen ausschlägt – und sogar seinen insistierenden Vater in einem Nobelrestaurant sitzen lässt. Und die Sicherheitsschlüssel zum Öffnen einer Panzertür …
… werden mal eben ungeachtet von Material und Dichte fix im 3D-Drucker vor Ort gefertigt. Natürlich kann man das alles ebenso wie die Mir-nichts-dir-nichts-Hacks in das Überwachungssystem der bestgesicherten spanischen Bank als übliche Genre-Klischees herunterschlucken. Zur Glaubwürdigkeit des – speziell in Person von Thom – um rationale Logik bemühten Szenarios trägt das allerdings nicht gerade bei.
Neben Matthias Schweighöfer in "Army Of The Dead" sorgt auch Axel Stein in einem internationalen Heist-Film als Sidekick für Auflockerung.
Rein filmhandwerklich ist „Crime Game“ allerdings gelungen: Jaume Balagueró legt ein hohes Tempo vor und ihm gelingt es trotz der Löcher im Skript, zunächst beim Auskundschaften der Bank und später beim finalen Coup ein solides Spannungslevel aufzubauen. Allerdings bleibt ein Großteil des prominenten Casts dabei sträflich unterfordert, auch weil hier letztlich doch nur die gängigen Klischeefiguren des Genres artig abgehakt werden: Serienstar Freddie Highmore („Bates Motel“) bleibt als Mastermind und Nerd blass und darf nur hin und wieder in brenzligen Situationen mit klugen Gedanken etwa zur Molekül-Aktivität bei Kälte oder unerwarteten Spanisch-Kenntnissen glänzen. Sam Riley („Maleficent: Mächte der Finsternis“) weist mit seiner undurchsichtigen Badass-Art ungleich mehr Profil auf, doch fehlt auch ihm die Screentime für eine schärfere Charakterzeichnung.
Famke Janssen (Jean Grey aus den „X-Men“-Filmen) hat als akkurat frisierte und blasierte Freundin von Walter zu Beginn nur zwei Szenen und verabschiedet sich dann lange Zeit aus dem Film. Dagegen sorgt ein seltener internationaler Auftritt von Axel Stein für Aufsehen: Als bärtiger Computer-Hacker mit falsch herum aufgesetztem Basecap namens Klaus darf er immer wieder Denglisch fluchen („Scheiße, it's frozen!“) und – in Anspielung an die Rolle von Brad Pitt in der „Ocean's“-Trilogie – immer wieder beiläufig Junkfood in sich hineinschaufeln. (Es bleibt nicht die einzige Anspielung auf die modernen Genre-Klassiker: Auch bei ihrem ersten Treffen fragt Thom Walter im Scherz, ob er einen Danny Ocean für seinen Coup suchen würde.)
Wenn die Figuren nicht zünden, dann bleibt auch der – ohnehin rar gesäte – Humor fast zwangsläufig auf der Strecke. Beim Setting während des Weltmeisterschafts-Finals geht es unterdessen eigentlich nur um die Public-Viewing-Massen auf den Straßen, die in diesem mit altbekannten Zutaten zusammengeklaubten Gauner-Thriller als ablenkendes Moment fungieren. Die ebenfalls in Spanien produzierte Heist-Serie „Haus des Geldes“, die in den letzten Jahren auf Netflix einen riesigen Hype ausgelöst hat, kommt da nicht nur ungleich origineller, sondern auch thematisch tiefer daher.
Fazit: Der spanischen Antwort auf „Ocean's Eleven“ fehlt es vor allem an echten Typen im Heist-Team. So ist „Crime Game“ zwar temporeich und durchaus spannend inszeniert, Raffinesse und Leichtigkeit kommen dabei aber zu kurz.
*Bei dem Link zum Angebot von Amazon handelt es sich um einen sogenannten Affiliate-Link. Bei einem Kauf über diesen Link erhalten wir eine Provision.