Lost In Translation Again
Von Christoph PetersenZwar schaut die von Rashida Jones gespielte Schriftstellerin Laura in einer der ersten Szenen ein Stand-Up-Special von Chris Rock, in dem der Comedian erklärt, dass er seit seiner Hochzeit nicht mehr „fickt“, sondern „Geschlechtsverkehr“ hat - aber das ist wohl eher nicht der Grund, warum Oscargewinnerin Sofia Coppola ihren neuen, auch wieder von ihr selbst geschriebenen Film „On The Rocks“ getauft hat.
Stattdessen hängt es wohl ganz lapidar damit zusammen, dass Lauras Vater, ein Charmeur der alten Schule, seine Drinks mit Eiswürfeln, also on the rocks bestellt. Wobei zusätzlich natürlich auch eine gewisse Meta-Bedeutung im Titel mitschwingt: Schließlich ist „On The Rocks“ die erste Kino-Zusammenarbeit von Sofia Coppola und Bill Murray seit ihrem Kultfilm „Lost In Translation“ – und in dem hängt der von Murray verkörperte Bob Harris ja deshalb in einem Hotel in Tokio rum, weil er in einem japanischen Werbespot für Whiskey mitspielen soll.
Es deutet immer mehr darauf hin, dass Laura von ihrem Mann Dean betrogen wird...
Diesmal hat es allerdings nichts mit der Sprache zu tun, dass die Protagonisten „lost in translation“ sind – vielmehr geht es um die Verständigungsprobleme zwischen den Generationen und den Geschlechtern: Während Laura sich um die zwei gemeinsamen Töchter kümmert und zunehmend an einer Schreibblockade verzweifelt, feiert ihr Ehemann Dean (Marlon Wayans) riesige Erfolge mit seinem Social-Media-Startup. (Ein weiteres Meta-Element: Bei einer Einweihungsfeier wird über das gute Meeting mit den Leuten von A24 gesprochen. A24 ist das Filmstudio hinter „On The Rocks“.)
Als sich die Hinweise häufen, dass Dean eine Affäre mit einer Arbeitskollegin haben könnte, nimmt Lauras Vater Felix (Bill Murray), ein notorischer Frauenheld und bestens vernetzter Kunsthändler, die Sache persönlich in die Hand. Er setzt einen Detektiv auf Dean an und startet gemeinsam mit seiner Tochter eine Beschattungsaktion – stilbewusst im knallroten Oldtimer-Cabrio; mit Kaviar statt Cheeseburgern als Nervennahrung...
Im Englischen gibt es das Sprichwort „It Takes One To Know One“. Im Fall von „On The Rocks“ wäre damit gemeint, dass Felix als Fremdgeher mit jahrzehntelanger Erfahrung am besten dazu geeignet ist, einen anderen Schwerenöter dingfest zu machen. Allerdings wird schnell klar, dass das gar nicht sein eigentlicher Antrieb ist – stattdessen sieht er offenbar seine Chance gekommen, noch einmal ein gemeinsames Abenteuer mit seiner Tochter zu erleben. Obwohl einer der Running Gags des Films daraus besteht, dass Laura wiederholt für Felix‘ Freundin gehalten wird, hat diese verkorkste Vater-Tochter-Beziehung etwas einnehmend-melancholisches an sich.
Seine ständige Flirterei erklärt Felix dabei mit evolutionsbiologischen Bonmots („jeder Mann ist darauf programmiert, so viele Frauen wie möglich zu schwängern“) – und nicht mal die kann man ihm wirklich krummnehmen. Als zwei Polizisten ihn wegen Raserei stoppen, geben sie ihm nicht nur kein Ticket, sie schieben das liegengebliebene Cabrio am Ende sogar noch an. Bill Murray („The Dead Don`t Die“) spielt den Part mit einem solch natürlichen, nicht für eine Sekunde schmierigen oder verlogenen Charme, dass man ihm einfach verfallen muss. Das ist wahrscheinlich genau der Bill Murray, der auch im wahren Leben immer wieder fremde Hochzeiten crasht und einfach mit jedem eine gute Zeit hat.
... aber ob der Alt-Charmeur Felix wirklich der Richtige ist, um in dieser Situation zu helfen?
Leider machen die Interaktionen von Laura und ihrem Vater nur etwa gut die Hälfte des gesamten Films aus – und der Rest ist eine New-York-Beziehungskiste, die von Beginn an kaum mehr ist als ein Anlass für die Auftritte von Bill Murray. Die präsentierten Beweise fürs Fremdgehen - bis hin zu einem Thermomix als Geburtstagsgeschenk – werden im Verlauf von „On The Rocks“ derart lieblos und zweckmäßig gestreut, dass es am Ende eigentlich nur noch zwei Möglichkeiten gibt:
Wenn Dean tatsächlich seine Frau betrogen hat, dann ist zumindest dieser Teil von „On The Rocks“ einfach nur eine klischeehafte Fremdgehgeschichte. Wenn er aber unschuldig ist, dann hat einen das Skript nicht etwa schlau an der Nase herumgeführt, sondern seine Protagonistin – mitsamt dem Zuschauer – einfach nur mit aller Gewalt auf die falsche Fährte geführt. Ein riesengroßes Ätschibätsch – nur eben kein bisschen clever, sondern mit dem Holzhammer zusammenkonstruiert. Beides wäre eine herbe Enttäuschung – zumal Sofia Coppola ihren Oscar für das so wunderbar subtile Drehbuch zu „Lost In Translation“ gewonnen hat.
Fazit: Bill Murray ist gewohnt großartig. Der Film hingegen zählt zu den schwächeren von Sofia Coppola.