Das DCEU endet ohne den erhofften Knalleffekt
Von Christoph PetersenAls wenige Tage vor dem Kinostart abzusehen war, dass sich das Publikumsinteresse an „The Marvels“ doch arg in Grenzen hält, erschien noch ein letzter Trailer, in dem auch Robert Downey Jr. als Iron Man und Chris Evans als Captain America zu sehen sind. Zwar kommen die beiden Avengers-Ikonen im Film selbst gar nicht vor, aber das Marvel Cinematic Universe (MCU) ist eben eine solch starke Marke, dass es den Marketing-Verantwortlichen offenbar als sinnvoll erschien, die Verbindung noch einmal ausdrücklich zu unterstreichen. Im Fall von „Aquaman 2: Lost Kingdom“ ist es nun genau andersherum: Regisseur James Wan („Saw“) hat in Interviews explizit erklärt, dass sein Sequel mit keinem der anderen DCEU-Filme (außer natürlich dem direkten Vorgänger) verbunden sei.
Seitdem klar ist, dass das DCEU in seiner bisherigen Form nicht fortgeführt wird, haben „Black Adam“, „Shazam 2“, „The Flash“ und „Blue Beetle“ ihre Ziele an den Kinokassen teils deutlich verfehlt. Als letzter Film vor dem Neustart scheint das Shared Universe auch für „Aquaman 2“ eher eine Bürde als ein Trumpf zu sein. Zumal „Aquaman“ 2018 zum sensationellen Überraschungserfolg avancierte: Mit einem weltweiten Einspielergebnis von mehr als 1,15 Milliarden Dollar ist er bis heute der erfolgreichste DCEU-Film – mit großem Abstand vor dem gehypten Crossover „Batman V Superman“. Das Problem von „Aquaman 2“ sind aber ohnehin nicht die fehlenden Verbindungen – stattdessen weicht das erstaunlich unterhaltsame Durcheinander des ersten Teils in der Fortsetzung einem generischen, oft unübersichtlichen und emotional nur selten zündenden Superhelden-Allerlei.
Richtig Bock auf den Job als König von Atlantis hatte Arthur Curry alias Aquaman (Jason Momoa) ja noch nie. Aber seitdem er mit seiner Frau Mera (hat diesmal nicht mehr als fünf Minuten Screentime: Amber Heard) ein Baby bekommen hat, macht ihm die Doppelbelastung ganz besonders zu schaffen. Dabei warten die eigentlichen Herausforderungen erst noch auf den ganzkörpertätowierten Muskelprotz: David Kane alias Black Manta (Yahya Abdul-Mateen II) will sich weiterhin für den Tod seines Vaters an Aquaman rächen. Deshalb durchsucht er die Sieben Weltmeere mit Hilfe seines wissenschaftlichen Handlangers Dr. Stephen Shin (Randall Park) nach einem ganz besonderen Artefakt – und wird schließlich auch fündig.
Allerdings steckt hinter dem Schwarzen Dreizack mehr, als es auf den ersten Blick scheint. Black Manta ist plötzlich wie besessen von einer urzeitlichen Macht, die ihn immer weiter antreibt, unfassbare Mengen an Treibhausgasen in die Atmosphäre zu pusten und so den ganzen Planeten ins totale Chaos zu stürzen. Aquaman sieht nur noch eine Chance, die Zerstörung der Erde aufzuhalten: Er muss wohl oder übel seinen in einem Wüstengefängnis inhaftierten Bruder Orm (Patrick Wilson) befreien, selbst wenn sich dieser in der Vergangenheit nicht gerade als vertrauenswürdiger Verbündeter erwiesen hat…
Gleich in der allerersten Szene reitet Arthur Curry auf einem überdimensionierten Seepferdchen in die Schlacht – und später landet er gemeinsam mit Orm auf einem verborgenen Eiland voll riesiger Insekten und fleischfressender Pflanzen, das sicher nicht von ungefähr an „Die geheimnisvolle Insel“ von Jules Verne erinnert. Das sind die Momente, für die man sich einen „Aquaman“-Film auf der großen Leinwand anschaut – schon irgendwie noch typische Comic-Action, aber angereichert mit einem Schuss halluzinogenem Drogentrip. Leider werden diese Elemente im Vergleich zum Vorgänger jedoch stark zurückgefahren – was zuallererst mal mit den oft matschig wirkenden Computereffekten zu tun hat: Selbst wenn Mera und Königin Atlanna (Nicole Kidman) beim ersten Angriff auf rotleuchtenden Haien zur Rettung herbeigeeilt kommen, ist das Ergebnis kein farbenfroher LSD-Kick, sondern eine gräuliche CGI-Sülze, bei der man kaum etwas erkennt.
Außerdem wird viel zu viel Zeit auf die blassen Bösewichte verschwendet: Yahya Abdul-Mateen II hat als Superpirat schon im Vorgänger enttäuscht – und daran ändert sich auch im Sequel nichts, zumal seine besessen-grünleuchtenden Augen ohnehin ständig darauf verweisen, dass da in Wahrheit noch ein viel mächtigerer Widersacher im Hintergrund lauert. Der wird dann irgendwann auch mit einer allzu ausführlichen und wenig Eindruck schindenden Rückblende ins titelgebende „Lost Kingdom“ eingeführt – nur um sich dann als in Sekundenschnelle leicht aus dem Weg zu räumendes Würstchen zu entpuppen. Eventuell war da mal geplant, ihn für weitere DCEU-Auftritte zu nutzen, zumal der Part mit Pilou Asbæk („Operation Overlord“) auch durchaus prominent besetzt ist. Aber so ist das Finale nun jedenfalls mehr als antiklimaktisch geraten.
Auch die weiteren Nebenfiguren liefern zu selten: Randall Park („Always Be My Maybe“) hat als mit seinem Gewissen ringender Scherge mit die größte Rolle des Films – aber dann außer jede Menge Exposition doch kaum was beizutragen. Dolph Lundgren („Creed 2“) und seine Perücke schrauben zwar den Trash-Pegel merklich nach oben, allerdings treten auch die schauspielerischen Defizite der Action-Ikone im Sequel noch deutlicher zu Tage. Das eindeutige Herzstück von „Lost Kingdom“ bleiben deshalb ganz klar die Interaktionen von Jason Momoa („Fast & Furious 10“) und Patrick Wilson, wobei vor allem der „Conjuring“-Star dem zwischendrin immer wieder ganz schön wirren Treiben eine starke emotionale Erdung verpasst – und das, obwohl er gleich zwei Mal genüsslich eine extragroße Kakerlake verspeisen muss.
In den besten Momenten kommen da – trotz einiger fehlplatzierter Oneliner – sogar Thor/Loki-Vibes auf. Das schaut man sich dann schon gerne an, gerade wenn die Schauplätze mal etwas bunter oder wie im Fall des Bond-artigen Bösewicht-Verstecks augenzwinkernd-nostalgisch ausfallen. Auch der trommelnde Oktopus, der im Sequel von Drummer auf Spion umschult, ist ein kurzfristiger Gewinn. Aber selbst wenn einige Szenen gut Laune machen, bleibt einem das Große und Ganze bis zum Ende ziemlich egal: Ob Black Manta nun seine Rache bekommt? Was genau es mit der urzeitlichen bösen Macht auf sich hat? Ob der in den Hyperdrive versetzte Klimawandel doch noch aufgehalten werden kann? Alles schnuppe. Nicht mal, als das Baby von Arthur und Mera für ein Blutopfer entführt wird, geht einem das sonderlich nahe – warum auch, wenn Aquaman selbst schon wenige Minuten später wieder seine üblichen Zoten reißt…
Fazit: „Aquaman 2“ hat trotz erneut stark schwankender Effekt-Qualität sicherlich seine Momente, speziell wenn es doch mal bunter und abgefahrener wird! Aber als letzter Film des DCEU ist „Lost Kingdom“ trotzdem eher ein weiteres Argument dafür, mit dem kommenden Universums-Reboot unter der kreativen Leitung von James Gunn noch mal was komplett Neues auszuprobieren.