Isabelle Huppert mischt den Drogenhandel auf
Von Björn BecherWie in vielen europäischen Ländern tobt auch in Frankreich seit Jahren die Debatte um die Entkriminalisierung des Konsums und des Verkaufs von Cannabis. Doch noch verfolgt die Polizei die Dealer mit viel Aufwand, auch um immer wieder mit Meldungen von sichergestellten Rekordmengen für Schlagzeilen zu sorgen. Mitten hinein in diesen Drogenkampf wirft uns der Film „Eine Frau mit berauschenden Talenten“ von Jean-Paul Salomé.
Der einst mit der Komödie „Rache ist weiblich“ bekannt gewordene Regisseur und Autor vermeidet allerdings jeden deutlichen Kommentar zur Drogenpolitik – sondern nutzt den Hintergrund als Rahmen für eine leichte Komödie, die vor allem von der glänzend aufgelegten Isabelle Huppert lebt. Die für „Elle“ oscarnominierte Schauspielerin macht diese etwas zu bequeme Variante von Publikumslieblingen wie „Paulette“ oder „Grasgeflüster“ fast im Alleingang sehenswert.
Isabelle Huppert ist eine Frau mit berauschenden Talenten.
Patience Portefeux (Isabelle Huppert) arbeitet als Arabisch-Übersetzerin für eine Sondereinheit des Drogendezernats unter Führung von Philippe (Hippolyte Girardot), mit dem sie auch eine Beziehung hat. In dem Job übersetzt sie nicht nur bei Verhören, sondern vor allem auch bei zahlreichen Telefonüberwachungen in der Drogenszene. Als sie dabei mitbekommt, dass ausgerechnet der Sohn der Pflegerin Khadidja (Farida Ouchani), die sich so rührend um Patiences an Alzheimer leidende Mutter (Liliane Rovère) kümmert, eine riesige Drogenlieferung für ein paar Gangster ins Land bringen soll, warnt sie diesen, dass die Polizei ihm auf den Fersen ist.
Doch da Patience das teure Pflegeheim für ihre Mutter nicht mehr bezahlen kann, geht sie sogar noch einen Schritt weiter - und reißt sich kurzerhand die versteckte Drogenlieferung selbst unter den Nagel! Zudem fängt sie an, den hochwertigen Stoff über die bislang erfolglosen Kleindealer Scotch (Rachid Guellaz) und Chocapic (Mourad Boudaoud) zu verkaufen. Bald gerät die mysteriöse „Alte“, die den Pariser Drogenmarkt aufmischt, in das Visier von Philippe und seinen Kollegen. Und auch die eigentlichen Eigentümer des Stoffes sind hinter ihr her…
„Eine Frau mit berauschenden Talenten“ ist eine Komödie, bei der oft die leisen Momente dominieren. Jean-Paul Salomé erzählt viel mit beiläufigen Andeutungen – zum Beispiel über die breitbeinig agierenden Polizisten, die Poster ihrer Lieblingsdrogenfilme („Traffic“ und Co.) im Büro hängen haben, am Ende aber vollkommen davon abhängig sind, dass Patience ihnen alles brav übersetzt und sie nicht anlügt.
Und dann sind da noch die clownesken Kleindealer Scotch und Chocapic: Allein die wuchtige Statur von Rachid Guellaz setzt einen wunderbaren Kontrapunkt zu der zierlicheren, ihm Befehle erteilende Patience. Dass die sonst so großmäulig auftretenden Dealer dann in den Konversationen mit der selbstbewusst und bestimmt auftretenden „Alten“ ganz schnell ganz klein werden, ist ebenfalls amüsant.
Patience gibt Dealer Scotch Anweisungen.
Auch in Bezug auf die familiären Hintergründe der Protagonisten gelingt dieses beiläufige Erzählen sehr gut, weil Patience so nicht der Sympathiefigur-Mantel auf einen Schlag übergestülpt wird, sondern der Zuschauer ihre Motivation erst nach und nach versteht. Man drückt ihr so vielleicht nicht von Anfang an die Daumen – ist aber voll auf ihrer Seite, wenn ihre Unternehmung immer heikler und auch moralisch immer fragwürdiger wird.
Selbst für die Beziehung zwischen Patience und ihrem Boss und Geliebten Philippe braucht es nur selten Worte – oft reichen kleine Gesten und vor allem die wunderbare Chemie zwischen Isabelle Huppert und Hippolyte Girardot („Yuki & Nina“). Gerade Huppert („8 Frauen“, „Die Klavierspielerin“) ist einmal mehr herausragend, nimmt immer wieder mit ihrer Präsenz die Leinwand ein und man könnte ihr ewig dabei zusehen, wie sie zum Beispiel mit einem adoptierten Spürhund das Drogenversteck sucht.
Aber so sehenswert diese kleinen Momente auch sind, so sehr verweigern sich die Macher einem größeren Bogen. Es verwundert schon, wie stark Jean-Paul Salomé sich bei der Adaption des Romans „Die Alte“ jeglichem Anflug von Gesellschaftskritik entzieht. Schließlich ist die Autorin Hannelore Cayre, die in ihrem Hauptberuf als Strafverteidigerin gerade auch viele Migranten vertritt, berühmt dafür, in ihren Werken sehr böse und spöttisch Versäumnisse der französischen Justiz aufs Korn zu nehmen (wie etwa den mit überbordendem Einsatz ausgefochtenen Drogenkampf selbst gegen Haschdealer).
Der in der Geschichte als großer Zündstoff steckende Alltagsrassismus wird in der Verfilmung aber nie zum Explodieren gebracht – und so hätte „Eine Frau mit berauschenden Talenten“ am Ende dann doch denen einen oder anderen Knall mehr gut vertragen können. Wenn etwa die mysteriöse Nachbarin Madame Fo (Nadja Nguyen) nicht nur ein Talent für Geldwäsche, sondern auch für die Entsorgung von Leichen offenbart, dann legt „Eine Frau mit berauschenden Talenten“ plötzlich einen schwarzhumorigen Biss an den Tag, von dem es an anderen Stellen ruhig mehr hätte geben dürfen.
Fazit: Etwas zu brav, aber schon allein dank Isabelle Huppert trotzdem sehenswert.