Mein Konto
    Einsam Zweisam
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Einsam Zweisam

    Ist Paris wirklich noch die Stadt der Liebe?

    Von Karin Jirsak

    So viele Menschen – so wenig Liebe: Im neuen Film des französischen Hit-Regisseurs Cédric Klapisch („L'Auberge Espagnole“, „Der Wein und der Wind“) geht es um die Einsamkeit der Metropolenmenschen. Dabei sind die beiden Protagonisten allerdings gar keine bindungsunfähigen Stadtneurotiker, sondern vielmehr zwei Normalos, die zwar in benachbarten Wohnungen leben, aber trotzdem erst einmal auf ausgiebig verschlungenen Pfaden im Pariser Großstadtdschungel zueinanderfinden müssen. Dabei haben die Thirtysomethings durchaus auch ihre Päckchen abzulegen, bevor sie reif sind für die große Liebe – und um diese Päckchen geht es hier nicht zuletzt. „Einsam, zweisam“ ist nämlich nicht nur eine (etwas zu fade) romantische Komödie, sondern auch ein (etwas zu flacher) Therapiefilm mit der ebenso erwachsenen wie für RomComs ungewöhnlichen Botschaft, dass Beziehungswillige erst mal mit sich selbst im Reinen sein sollten, bevor sie sich auf jemand anderen einlassen (sollten).

    Mélanie (Ana Girardot) und Rémy (Francois Civil) sind Nachbarn, kennen sich aber nicht. Beide sind Singles Anfang 30 und leiden nicht nur unter ihrer Einsamkeit, sondern auch an Schlafstörungen, denen sie, unabhängig voneinander, mithilfe einer Psychotherapie auf den Grund gehen wollen. Während die beiden, ohne von der Existenz des anderen zu wissen, ähnliche Probleme durchmachen, ihren Alltag bewältigen, per Dating-App auf Partnersuche gehen, mit ihren jeweiligen Therapeuten über ihre Familienprobleme reden und so versuchen, wieder zu sich selbst zu finden, kreuzen sich ihre Wege immer wieder (fast)...

    Obwohl Rémy auf seinem Balkon nur einige Meter von Mélanie entfernt ist ...

    Es ist im Kern schon eine sehr charmante Geschichte, die Cédric Klapisch hier im Flüsterton erzählt: Zwei Menschen, die, so wird dem Zuschauer mit jeder Szene deutlicher, füreinander bestimmt sein könnten, leben quasi Tür an Tür, erleben Ähnliches, wissen aber nichts von der Existenz des anderen, obwohl sie sich immer wieder über den Weg laufen – in der Bahn, im Supermarkt, in der Apotheke, wo sich beide zeitgleich an benachbarten Theken wegen ihrer Schlafprobleme beraten lassen.

    Die Frage, wann sie sich nun endlich treffen, trägt den Film auch über einige Längen hinweg, da Klapisch immer wieder hübsche, kleine Beinahe-Momente einstreut, während er auf den beiden parallelen Handlungssträngen das Thema Einsamkeit fokussiert. Um diesen unter Großstädtern nicht seltenen Zustand einzufangen, findet er ruhige und stimmige Bilder fernab des üblichen Paris-Kitsches und schafft auch dank seiner nuanciert aufspielenden Hauptdarsteller einige Momente von bittersüßer Poesie, etwa wenn Rémy sich mit seinem neuen Kätzchen anfreundet oder Mélanie an Weihnachten auf dem Balkon steht, um ihrer Schwester im an ihrer Wohnung vorbeifahrenden Zug zuzuwinken und so zumindest ein Minimum an Familienkontakt zu haben, sie dann aber doch nicht erspäht.

    Fast schon zu viel Alltag

    Bei aller Sympathie für den leisen Zauber des Alltäglichen hätte es allerdings hin und wieder auch ein bisschen weniger leise und alltäglich zugehen dürfen – es müssen ja nicht immer die großen und dramatischen Momente sein, die zwei Liebende in spe zusammenführen, aber ein paar mehr überraschende Ereignisse und originelle Einfälle hätten der Geschichte schon sehr gut getan.

    Das therapeutische Prozedere inklusive der darauf folgenden jeweiligen Selbstfindung nimmt dagegen viel Raum ein, erschöpft sich aber leider in seitens der Seelenklempner ironiefrei vorgetragenen Binsenweisheiten à la „Sie müssen sich zuerst selbst lieben, bevor sie einen anderen Menschen lieben können“ und „Man muss sich mit der Vergangenheit beschäftigen, um sie loszulassen“. Diese ebenso wahren wie platten Ratschläge lassen sich von den Protagonisten am Ende dann auch noch so einfach umsetzen, dass es fast schon ärgerlich ist.

    ... sind sich die beiden einsamen Seelen in der anonymen Millionenmetropole noch nie wirklich begegnet.

    Während Mélanie und Rémy ihren jeweiligen Therapeuten von sich erzählen, bleiben ihre Gedanken und Konflikte so vage wie gewöhnlich, dass man im Laufe ihrer Selbstreflexion durchaus das Interesse an den Figuren verlieren kann – bei aller Sympathie für den Normalo von nebenan hätten ein paar Ecken und Kanten den beiden gut gestanden. Mélanie und Rémy sind ohne Zweifel nett, aber irgendwie auch nicht so interessant, dass sie mit ihren Lebensgeschichten und dem, was sie im Alltag so tun und sagen, die Aufmerksamkeit des Zuschauers über eine Laufzeit von fast zwei Stunden fesseln könnten.

    Auch die Nebencharaktere werden kaum ausgearbeitet und bleiben insgesamt fad; gerade hier hätte sich ein belebender Schuss kräftigen Humors eigentlich aufgedrängt. Nicht, dass die an sich schöne Geschichte unbedingt schillernde Randfiguren und eine laute Gagparade gebraucht hätte – aber in dieser romantischen Komödie kommt der Witz insgesamt auf so leisen Sohlen daher, dass man sich manchmal fragt, ob er überhaupt da ist. Vor allem aus dem Thema Partnersuche via Dating-App hätte man so viel mehr herausholen können als Mélanies witz- und ereignisloses Treffen mit einer gutaussehenden Sportskanone, die aber nichts zu erzählen hat.

    Fazit: Charmante Story, ungewöhnlich erzählt. Die Hauptfiguren sind dagegen so gewöhnlich, dass es an Farblosigkeit grenzt – hier hätte es mehr Witz und Mut zur Kontur gebraucht, um das Interesse an ihnen und ihren Geschichten über fast zwei Stunden Laufzeit aufrechtzuerhalten.

    Möchtest Du weitere Kritiken ansehen?
    Das könnte dich auch interessieren
    Back to Top