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    Bonnie & Bonnie
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Bonnie & Bonnie

    Niemand braucht Clyde!

    Von Karin Jirsak

    Der aus Afghanistan stammende Regisseur Ali Hakim situiert sein Langfilmdebüt „Bonnie & Bonnie“ im Hamburger Stadtteil Wilhelmsburg. Dass er selbst in dieser Gegend aufgewachsen ist und noch immer dort lebt, merkt man dem Film dann auch deutlich an. Die Art und Weise, wie er die besondere Atmosphäre der Elbinsel einfängt, ist tatsächlich sogar das Beeindruckendste an seiner zu schematisch entwickelten Geschichte über zwei junge Frauen, die für ihre verbotene Liebe kämpfen.

    Die 17 Jahre junge Yara (Emma Drogunova) liebt es, zu tanzen und mit ihren Freunden durch Wilhelmsburg zu ziehen, um Fremden Streiche spielen, die sie filmen und ins Netz stellen. Bei einem dieser Pranks lernt Yara die etwas ältere Kiki (Sarah Mahita) kennen und ist sofort fasziniert. Nach und nach entwickelt sich zwischen den beiden eine zarte Liebesbeziehung. Doch ihre Liebe darf nicht sein, denn für Yaras albanische Familie ist Homosexualität ein Tabu. Zudem soll sie bald mit einem Mann verheiratet werden, den sie kaum kennt. Als Yaras Bruder Bekim (Slavko Popadic) hinter ihr Geheimnis kommt, bleibt Yara und Kiki nur noch die Flucht.

    Kiki und Yara lieben sich.

    Auch wenn der Titel „Bonnie & Bonnie“ natürlich eine Reminiszenz an das weltberühmte Verbrecherpärchen Bonnie und Clyde ist, liefert Hakim trotz Kikis krimineller Vergangenheit keine Gangsterballade, sondern ein Liebesdrama – auch wenn es nach rund zwei Dritteln dann doch etwas Action gibt. Anfangs geht es aber vor allem um die zuerst zaghafte Annäherung der beiden jungen Frauen. Bevor ihr Geheimnis entdeckt wird, finden sich einige leise Momente, in denen das Drama auch so etwas wie eine poetische Kraft verströmt.

    Überzeugend ist hier vor allem das Setting: Der Hamburger Stadtteil Wilhelmsburg mit dem Hafen als Symbol wird in stimmig arrangierten Bildern zwischen malerisch und trist als Ort des Aufbruchs gezeigt, wofür der Hafen als Symbol sich natürlich anbietet. Hier küssen sich die beiden jungen Frauen zum ersten Mal und träumen von der gemeinsamen Flucht nach Frankreich. Dem wird die trostlose Wirklichkeit gegenübergestellt, die Arbeit an der Supermarktkasse bzw. das Kellnern in einer Sportsbar, die tagtäglichen Anmachversuche der Männer…

    Klischees und Stereotypen

    Doch so authentisch die Darstellung des hoffnungslosen Alltags der beiden jungen Frauen ist, so sehr gleitet „Bonnie & Bonnie“ dann immer wieder unnötig ins Melodramatische ab. Vor allem im letzten Teil fehlt es dann auch noch sichtlich an Kraft und Ideen, sodass die ziemlich vorhersehbare Geschichte dann in einem kitschigen Finale mündet. Eingeleitet wird dieses auch mit viel zu vielen Klischees. „Bonnie und „Bonnie“ ist so in den schlechtesten Momenten eine ungemein schematisch aufgebaute Geschichte, die mit einigen plakativen Dialogen teilweise sogar an eine Bravo-Foto-Lovestory erinnert und insgesamt wenig Überraschendes bietet.

    Im Rahmen der Skizzierung von Yaras Familie als Feindbild macht es sich besonders negativ bemerkbar, dass abgesehen von den Hauptfiguren die Charaktere kaum ausgearbeitet sind. Da gibt es den gestrengen Vater, der die 17-jährige mit einem Landsmann verheiraten will, und den großen Macho-Bruder, der Yaras Ehre notfalls auch mit Gewalt verteidigt. Es gibt also genau die „muslimische Familie“-Stereotypen, die man schon hundertfach in Filmen gesehen hat (und natürlich muss Yara neben der Arbeit im Supermarkt noch im Haushalt schuften und die jüngeren Geschwister versorgen).

    Traum von der gemeinsamen Zukunft.

    Emma Drogunova („Der Trafikant“) und Sarah Mahita (Die Eifelpraxis“) überzeugen dagegen als schwer verliebtes Pärchen, das gegen alle Widerstände für ihre verbotene Liebe kämpft. Selbst wenn sie bisweilen gegen das Drehbuch ankämpfen müssen und Sprüche wie „Was machen wir hier, Kiki?“ beim Kurzschließen eines Autos und das folgende „Wir leben!“ beim Drücken aufs Gaspedal zum Overacting einladen, bleiben sie authentisch und die Chemie stimmt. Dass Regisseur Hakim sein Hauptfigurenduo dann allerdings auch noch den Filmtitel erklären lässt, ist mehr als nur überflüssig.

    Fazit: Keine coole Gangsterinnenballade, sondern eine vorhersehbare Lovestory mit plakativen Dialogen und flachen Nebenfiguren, die zu sehr auf große Gesten setzt, um wirklich zu berühren.

    Wir haben „Bonnie & Bonnie“ auf dem Filmfest Hamburg gesehen.

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