Immer wieder werden Kurzfilme später noch mal zu Spielfilmen ausgeweitet. Damien Chazelle inszenierte sein Meisterstück „Whiplash“ zunächst als Kurzfilm und heimste mit seiner Langfilmfassung später sogar mehrere Oscars ein. David F. Sandbergs „Lights Out“ erarbeitete sich bereits als Kurzfilm einen Kultstatus, anschließend wurde auch der darauf basierende Hollywood-Reißer von Fans und Kritik positiv aufgenommen. Und sogar Sam Raimis musste sich bei seinem Splatter-Klassiker „Tanz der Teufel“ zunächst einmal mit dem Kurzfilm „Whithin The Woods“ beweisen, ehe der Filmemacher aus der Idee von der Dämonen-Hatz einen abendfüllenden Film machen konnte. Mit seinem Horrorthriller „The Cleaning Lady“ verfuhr Regisseur Jon Knautz („Jack Brooks: Monster Slayer“) ähnlich. Im Gegensatz zu den genannten Beispielen eignet sich seine Geschichte über eine grausam entstellte und rachsüchtige Putzfrau aber nur bedingt für eine Erzählung über 90 Minuten. Man merkt seinem Spielfilm recht schnell an, wie die Kurzfilmvorlage von nicht einmal zehn Minuten Länge hier aufgeblasen wurde. Atmosphärisch dicht ist „The Cleaning Lady“ über weite Strecken dennoch und auch die tragische Hintergrundgeschichte der titelgebenden Reinigungskraft rechtfertigt die Entscheidung für eine spielfilmlange Neuauflage.
Alice (Alexis Kendra) arbeitet als Putzfrau bei der kürzlich von ihrem Freund verlassenen Shelly (Rachel Alig). Sie ist gut in ihrem Job und bietet sich ihrer Chefin auch hin und wieder als geduldige Zuhörerin an, so dass Shelly der Reinigungskraft immer mehr anvertraut. Zumal sie Mitleid mit Alice hat, denn diese ist im Gesicht grausam entstellt. Die beiden Frauen verbringen mehr und mehr Zeit zusammen und werden sogar so etwas wie Freundinnen. Was Shelly nicht ahnt: Alice hegt grausame Pläne. Und je mehr Shelly ihr vertraut, desto einfacher macht sie es Alice, diese in einer finsteren Nacht auch umzusetzen …
Der ebenfalls von Jon Knautz inszenierte Kurzfilm spielt ausschließlich in den vier Wänden von Diane, einem weiteren Opfer der dort ebenfalls schon von Alexis Kendra („Goddess Of Love“) verkörperten Cleaning Lady. Wer nicht wissen will, worauf es später im Langfilm hinausläuft, sollte sich den Kurzfilm für danach aufheben, denn im Grunde spult Knautz dort nur die Schlusspointe seines Langfilms im Schnelldurchlauf ab. Dafür ist seine Langfassung deutlich düsterer inszeniert und gleicht auf inszenatorischer Ebene aus, was ihm erzählerisch mitunter an Timing und Fingerspitzengefühl fehlt. Denn im Großen und Ganzen hat man vieles in „The Cleaning Lady“ schon mehrfach in anderen Horrorfilmen gesehen. An welchen Film Knautz‘ Arbeit am ehesten erinnert, sei aus Spoilergründen an dieser Stelle nicht verraten. Nur so viel: Der Film, um den es geht, erhielt im Rahmen der Remake-Welle Anfang der 2000er Jahre eine Neuauflage.
Schon die allererste Szene von „The Cleaning Lady“ setzt ein perfides Statement für die kommenden eineinhalb Stunden: Da sehen wir nämlich eine süße, kleine Maus ahnungslos in eine Falle tappen. Ihr Weg führt sie von dort direkt in den Mixer und der durch einen Knopfdruck entstehende Cocktail aus Blut und Eingeweiden landet anschließend im Kühlschrank der Putzfrau. Der auch für das Drehbuch verantwortliche Knautz macht also von Anfang an keinen Hehl aus der sinisteren Abgründigkeit seiner Hauptfigur, die nur auf den ersten Blick bemitleidenswert aussieht. Ihre Entstellung kommt dabei durch eine furchteinflößende Maske und durch das Spiel von Alexis Kendra (die auch Co-Autorin ist) so richtig zu Geltung. Wie die Putzfrau dazu kam, schildert Knautz später in einer atmosphärisch inszenierten, aufgrund ihres Inhalts äußerst schockierenden Rückblende – dem Highlight von „The Cleaning Lady“. Hier erscheinen die Ereignisse in einem ganz neuen Licht und machen aus der vermeintlich willkürlich handelnden Alice ein bedauernswertes Opfer ihres Schicksals, dem man es auch ein wenig gönnt, sich für all das zu rächen, was ihr einst widerfahren ist.
Man muss zwar nicht unbedingt Solidarität mit einer psychopathischen Irren bekunden, doch Alexis Kendra agiert in ihrer Rolle der Cleaning Lady einfach auf höchst spannende, ambivalente Weise. Sie verinnerlicht die interessierte Zuhörerin ebenso wie das augenscheinliche Opfer. Doch spätestens, wenn sie ihre morbiden Pläne ausführt, wird sie – bei aller Tragik ihres Schicksals – zu einer furchteinflößenden Antagonistin, die all ihren männlichen Serienkillerkollegen in Nichts nachsteht. Rachel Alig („Fan Club – News Done Right!“) als von Liebeskummer geplagte Shelly erfüllt zwischendurch ein wenig zu sehr das Klischee von der vom Mann abhängigen Frau und macht es ihrer Putzfrau durchaus leicht, sich ihr naives Vertrauen zu erschleichen. Doch spätestens im Finale performt sie stark als das um Erbarmen winselnde Opfer.
Abgesehen von der ausführlichen Rückblende und dem fiesen Schlussakt zieht sich Jon Knautz‘ Regiearbeit, trotz der atmosphärisch-düsteren Bildsprache von Kameramann Joshua Allen, an vielen Stellen in die Länge. In seinem Kurzfilm dauerte es etwas mehr als fünf Minuten und die Cleaning Lady hatte sich das Vertrauen ihres Opfers glaubhaft und nachvollziehbar erschlichen. Im Spielfilm nun gehen nicht nur einige überflüssige Szenen für die fragwürdige Beziehung zwischen Shelly und ihrem Ex-Lover drauf. Auch die Tatsache, dass es hier um ein Vielfaches länger dauert, eh die beiden Frauen freundschaftlich auf einer Wellenlänge liegen, wirkt sich eher kontraproduktiv auf den Film aus. Dieses künstliche In-die-Länge-Ziehen sorgt nämlich nicht dafür, dass man die Freundschaft der beiden Frauen ernster nimmt. Es verbreitet sich vielmehr das Gefühl, dass hier ein eigentlich übersichtlicherer Plot gezielt aufgeblasen wurde – und letztlich ist das ja auch so.
Fazit: „The Cleaning Lady“ ist ein solider Horrorthriller mit einer spannenden Serienkillerfigur, der sich allerdings trotz seiner überschaubaren Laufzeit von gerade einmal 90 Minuten manchmal in die Länge zieht.