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    Rebellinnen - Leg dich nicht mit ihnen an!
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Rebellinnen - Leg dich nicht mit ihnen an!

    Fließbandarbeit à la Tarantino

    Von Oliver Kube

    Hierzulande passiert es ja aktuell eher selten, dass Filmprotagonisten aus der klassischen Arbeiterschicht kommen. „Atlas“, mit dem grandiosen Rainer Bock als Möbelpacker, ist da schon als rühmliche Ausnahme zu bezeichnen. Im französischsprachigen Kino ist derlei allerdings ganz normal und keineswegs als Kassengift verschrien. Zuletzt bewies dies etwa der nicht nur auf FILMSTARTS stark besprochene „Streik“. In „Ein Chanson für dich“ spielte Isabelle Huppert zudem kürzlich eine singende Pasteten-Verarbeiterin, während Marion Cotillard in „Zwei Tage, eine Nacht“ als verzweifelte Fabrikangestellte eine ihrer besten Schauspielleistungen überhaupt ablieferte.

    Der Drehbuchautor Allan Mauduit („Ares - Der letzte seiner Art“) liefert als sein Debüt als Solo-Regisseur nun eine furios zwischen Sozialdrama, schwarzhumorigem Slapstick und Räuberpistole mit beachtlichem Bodycount changierende Geschichte um drei Fließbandarbeiterinnen. Bei den gallischen Kinogängern konnte er damit einen veritablen Hit landen. Knapp eine Million Menschen kauften in unserem Nachbarland ein Ticket für den einerseits die verzweifelte wirtschaftliche Lage vieler Menschen in der Provinz anprangernden, sich andererseits aber auch mit abgefahrenen Situationen und trockenhumorigen Dialogen vor Tarantino & Co. verneigenden „Rebellinnen - Leg dich nicht mit ihnen an!“. Da sie obendrein noch derzeit allgegenwärtige Themen wie männlichen Chauvinismus und sexuelle Gewalt am Arbeitsplatz auf unverkrampfte Weise aufgreift, hat die Krimikomödie tatsächlich Potenzial, auch in Deutschland mehr als nur das frankophile Nischenpublikum anzulocken.

    Die Drei vom Fließband haben es faustdick hinter den Ohren!

    Zum wiederholten Mal wird Sandra (Cécile de France) von ihrem reichen Mann verprügelt. Also lässt sie ihr Leben in Saus und Braus hinter sich, um in ihr provinzielles Heimatkaff in Nordfrankreich zurückzukehren. Da die Ex-Schönheitskönigin dringend Geld braucht, heuert sie als Aushilfe bei dem einzigen Arbeitgeber an, den es in der strukturschwachen Gegend gibt: einer Fischkonservenfabrik. Schon am zweiten Tag wird der Vorarbeiter (Patrick Ridremont) gegenüber der selbst mit Kittel, Haarnetz und Gummistiefeln attraktiven Sandra zudringlich; was für ihn allerdings schmerzhaft endet. Als sie und ihre zufällig dazugekommenen Kolleginnen Nadine (Yolande Moreau) und Audrey (Audrey Lamy) sich um den Schwerverletzten zu kümmern versuchen, entdecken sie, dass der eine Sporttasche voller Drogengeld bei sich hat. Für die drei Frauen eine einmalige Chance, um endlich aus ihrer finanziell aussichtslosen Situation herauszukommen …

    Wie werde ich eine Leiche los, um nicht in den Knast zu wandern? Was im wahren Leben zweifellos für schlaflose Nächte sorgen dürfte, ist im Kino gerade deshalb eine immer wieder interessante Frage – egal ob es sich um einen knallharten Thriller oder eine etwas schräge Komödie handelt. In diesem Fall liegt die Antwort freilich auf der Hand. Die drei Hauptfiguren verarbeiten den von Patrick Ridremont („Nichts zu verschenken“) während seines kurzen Auftritts herrlich schmierig und eklig unsympathisch verkörperten Schichtleiter Jean-Mi zu Dosenfutter. Damit sorgen sie beim Zuschauer gleich für vielleicht etwas derbe, aber doch wohlverdiente Schadenfreude. Wobei man die auch vorher schon haben konnte, als Jean-Mi – noch bei lebendigem Leib – sein bestes Stück abhandenkommt, welches die in derlei Situationen herzlich unerfahrenen Sandra, Nadine und Audrey anschließend sorglos auf seinem Schreibtisch herumliegen lassen.

    Eine echte Frauenfreundschaft

    Dass sie trotz reichlich Motivation als Verbrecher eigentlich völlig ungeeignet sind, beweisen die drei ungleichen Ladys auch anschließend noch mehrfach. Doch nicht nur hier, sondern auch während einiger etwas ernsthafterer Momente während der wie im Fluge vergehenden 87 Minuten ist de France und ihren Kolleginnen Audrey Lamy („Ein Lied in Gottes Ohr“) und Yolande Moreau („Micmacs - Uns gehört Paris!“) anzumerken, wie viel Spaß sie an ihren Parts haben. Was nicht zuletzt daran liegen dürfte, dass es für alle – ein Blick auf die individuellen Filmografien der letzten Jahre bestätigt das – sicher nicht alltäglich ist, einen Dreh mit dermaßen vielen Stunts, Verfolgungsjagden und Schießereien zu absolvieren. Das so enthusiastisch aufspielende Darstellerinnen-Trio verkörpert in diesem an vielen Stellen natürlich gnadenlos überzogenen Rahmen glaubhaft eine Gruppe Frauen, die sich von gegenseitigen Zickereien über eine Zweckgemeinschaft zu echten Freundinnen entwickelt. Da verhindern selbst einige logische Flüchtigkeitsfehler und gelegentlich kuriose anmutende Sprünge in Mauduits Skript nicht, dass das Gefühl der wonnevollen Komplizenschaft schnell auf den Zuschauer überspringt.

    Fazit: Derber, schwarzer Humor trifft auf ausgelassene Action und etwas Sozialkritik – viel drin in diesem dennoch lockeren, unterhaltsamen Krimi-Spaß aus Frankreich.

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