... und täglich grüßt die Hochzeitscrasherin
Von Christoph PetersenSeit Bill Murray 1993 in „...und täglich grüßt das Murmeltier“ allmorgendlich von Sonnys und Chers „I Got You Babe“ aus dem Schlaf gerissen wurde, hat sich der Zeitschleifen-Film längst zu einem eigenständigen Genre mit spezifischen Regeln und Konventionen weiterentwickelt: Schon im ersten Durchlauf, bevor die Zeitschleife einsetzt, kann man als erfahrener Zuschauer die meisten jener Situationen identifizieren, die dann in den weiteren Durchgängen in variierter Form wiederkehren werden. Stolpert der Protagonist zu Beginn des Films über eine Harke, wird er spätestens im dritten oder vierten Durchlauf - mit einem Augenzwinkern in Richtung Publikum – vorsichtig darübersteigen (bevor er dann im siebten oder achten Anlauf doch wieder auf drauftritt).
Auch in „Hello Again – Ein Tag für immer“ von Maggie Peren („Stellungswechsel“) gibt es solche Momente – etwa wenn der an Narkolepsie leidende WG-Genosse Anton im Stehen einpennt und frontal in die Hochzeitstorte kracht. Insgesamt nimmt die pure Zeitschleifen-Mechanik in der (anti-)romantischen Komödie aber einen überraschend geringen Raum ein – und das ist auch gut so: Das größte Pfund von „Hello Again“ sind nämlich nicht etwa die Zeitschleifen-Twists, die man ohnehin fast alle kommen sieht, sondern die ungemein charismatischen Hauptdarsteller Alicia von Rittberg und Edin Hasanovic, die den Zuschauer mit ihrer unverschämten Natürlichkeit mitreißen.
Edin Hasanovic begeistert gemeinsam mit Alicia von Rittberg.
Gerade einmal zwölf Stunden vor Beginn der Trauungszeremonie fischt Zazie (Alicia von Rittberg) die Einladung aus ihrem überquellenden Briefkasten: Ihr ehemaliger bester Freund Philipp (Tim Oliver Schultz), den sie vor vier Jahren nach einer gemeinsamen Nacht einfach wortlos sitzen ließ, will nun ausgerechnet Franziska (Emilia Schüle) heiraten. Für Zazie steht fest, dass sie etwas unternehmen muss – schließlich hat ihr Franziska als junges Mädchen mal einen Zahn gezogen, obwohl der noch gar nicht gewackelt hat.
Ohne fertig durchdachten Plan, aber mit ihrem an Narkolepsie leidenden WG-Mitbewohner Anton (Edin Hasanovic) im Schlepptau, macht sich Zazie auf zu der Feier auf einem Schiff im Hamburger Hafen, wo die schon bald schwer angetrunkene Hochzeitscrasherin schließlich mitten auf der Bühne die Braut vollreihert. Aber Glück (?) im Unglück: Zazie steckt fortan in einer Zeitschleife fest und wacht immer wieder am Morgen der Hochzeit auf – offenbar muss sie das Paar irgendwie noch rechtzeitig vor der Trauung auseinanderbringen, um aus der Nummer wieder herauszukommen...
Das Poster zu „Hello Again – Ein Tag für immer“ deutet zwar an den Rändern das Zeitschleifen-Motiv des Films an – ist darüber hinaus aber nicht nur ganz schrecklich generisch, den Schauspielern wurde zudem mit der Photoshop-Retusche auch jedes bisschen Leben aus den glattgebügelten Gesichtern entfernt (vor allem Edin Hanasovic, dem mit Gewalt ein dümmliches Perfekter-Schwiegersohn-Lächeln eingepflanzt wurde, muss einem wirklich leidtun). Das ist doppelt doof, weil es den Geist des Films, den allen voran Alicia von Rittberg („Herz aus Stahl“) und Edin Hanasovic („Mein Ende. Dein Anfang.“) dank ihres einnehmend-natürlichen Spiels mit ganz viel Leben füllen, überhaupt nicht widerspiegelt.
Dabei hängt das perfekte Poster doch in Zazies WG-Zimmer. Es stammt von dem Songabend „herzscheiße liebeskummerliebeslieder“ und zeigt das berühmte Banksy-Graffiti „Love Sick“, bei dem eine junge Frau in Adidas-Sportschuhen vorne übergebeugt an einer Wand steht und einen ganzen Schwall Herzen auskotzt. Das ist genau die Art von frechem Witz, mit der „Hello Again“ vor allem in der ersten Hälfte punktet: mit einem Anruf beim psychiatrischen Notruf, dem Zazie von ihrem Multiversums-Problem berichtet, bevor sie direkt wieder abgewürgt wird, weil sie sich „nicht in einer lebensbedrohlichen Lage“ befindet, als trockenhumorigem Höhepunkt.
Zazie verzweifelt am Multiversum.
Die zweite Hälfte von „Hello Again“ trifft das Poster dann zumindest schon etwas eher. Denn auch wenn die von den Eheproblemen ihrer Eltern beziehungstechnisch schwer vorbelastete Zazie einst fast von der Schule geflogen wäre, weil sie die – dummerweise in Klarlack getauchten – Rosen ihres Verehrers einfach abgefackelt hat, wandelt sich die anti-romantische irgendwann doch noch in eine herkömmliche romantische Komödie. Schließlich ist dem Zuschauer ohnehin von der ersten Szene an klar, dass gar nicht der Bald-Bräutigam Philipp, sondern WG-Mitbewohner Anton der wahre Mann ihrer Träume ist.
Aber da haben sich die beiden Hauptdarsteller eh schon längst ins Herz des Publikums gespielt, weshalb man ihnen beide Daumen drückt, selbst wenn man in der Stunde zuvor auf die harte Tour gelernt hat, dass das mit der Liebe eigentlich eine ziemlich dumme Idee ist. Die beiden Schauspieler sind sogar so gut, dass es weder Zazies blaugefärbten Haarspitzen als Zeichen ihrer rebellischen Ader noch der (ohnehin ausgelutschten) Komödien-Allzweckwaffe Narkolepsie bedurft hätte. Ansonsten zeigt Emilia Schüle („High Society“) einmal mehr, dass sie eine gute Bösewichtin abgibt, während der fraglos begabte „Club der roten Bänder“-Star Tim Oliver Schulz diesmal leider nicht viel mehr zu tun bekommt, als unheimlich gut in einem Maßanzug auszusehen.
Fazit: Nachdem sie sich in letzter Zeit wirklich gehäuft haben, wäre womöglich mal ein mehrjähriges Moratorium für Zeitschleifen-Filme angesagt. Aber bevor es so weit ist, nehmen wir „Hello Again – Ein Tag für immer“ gerne noch mit - allein schon, weil die eigentlichen Stärken der (anti-)romantischen Komödie ohnehin wenig mit der zugrundeliegenden Mechanik und sehr viel mehr mit den charismatischen Schauspielern zu tun haben.