Hasch mich, ich bin der Mörder!
:In "Bodies, Bodies, Bodies" von Halina Reijn massakrieren Vertreter der divers-"woken" Generation Instagram sich selbst – eine gleichnishafte Prophezeiung?
So unbarmherzig hat wohl noch keine Regisseurin die divers-"woke" Transformationsgeneration seziert. Und das ist in diesem Fall durchaus wörtlich zu verstehen. Schon die erste Einstellung von Halina Reijns Selbstzerfleischungsschocker "Bodies, Bodies, Bodies", die in unappetitlicher Großaufnahme einen Zungenkuss zwischen Sophia (Amandla Stenberg) und ihrer neuen Lebensabschnittsgefährtin Bee (Maria Bakalova) zeigt, dessen scheußliche Details wohl nur für ganz hartgesottene LGBTisten kein Weggucker sind, lässt Böses ahnen: Wer die Generation Instagram derart abstoßend ins Bild setzt wie die niederländische Regisseurin, dem geht es gewiss nicht um ein sensibles Porträt bestimmter unterprivilegierter Identitätsgruppen im politisch-korrekten Betroffenheitsgestus. Von unterprivilegiert kann sowieso keine Rede sein. Denn die jungen Leute, die in dem Drehbuch von Sarah DeLappe nach einer Vorlage von Kristen Roupenian aufeinander losgelassen werden, lassen sich, ebenso wie die weiblichen Galionsfiguren der Klimaschutzbewegung, im wesentlichen nur zwei gesellschaftlichen Schichten zuordnen: reich und (O-Ton) "reich-reich".
Als Sophia die blonde Bee in ihre Clique einführt, die sich gerade am Schwimmbecken eines mondänen Familienanwesens amüsiert, werden die Jugendlichen von einem Sturm überrascht. Also verlegen sie ihr Amüsement kurzfristig nach drinnen, in das Haus von Gastgeber David (Pete Davidson). Nachdem Alkohol, Drogen und ekstatisches Techno- und Hip-Hopsen als ausgereizt gelten dürfen und wegen des Gewitters die Klugofone ausgefallen sind, kommt die Idee auf, "Bodies, Bodies, Bodies" zu spielen. In Deutschland ist das Gesellschaftsspiel als "Mister X" oder "Mörderspiel" bekannt: Einer aus der Gruppe ist Mister X bzw. der Mörder, einer wird zur Leiche. Die anderen müssen versuchen, die Identität von Mister X zu erraten: Hasch mich, ich bin der Mörder! Der kundige Kinogeher ahnt bereits, was kommt, kommen muss: Das Spiel läuft schief. Und bald liegt die erste Leiche auf dem Boden, eine echte Leiche, versteht sich. Im Nu liegen die Nerven der Partygäste blank. Die Lage gerät außer Kontrolle. Es gibt weitere Tote. Vor allem aber enthüllt der Fortgang der Ereignisse – und das ist die eigentliche Botschaft –, dass unter den Instagrammern, die sich anfangs so wahnsinnig weltoffen, solidarisch mit dem ganzen Kosmos und, Küsschen hier, Küsschen da, freundlich gegen jedermann zeigten, keiner keinem über den Weg traut. Jeder huldigt nämlich in Wahrheit nur seiner eigenen Egomanie und führt im Grunde eine vollkommen sinn- und seelenlose Existenz.
25 Jahre nach dem ersten "Scream"-Film, der damals eine ganze Welle von Imitaten auslöste, die sich zum Genre des "Teenie-Horrors" bzw. "Teenie-Slasher-Films" auswuchsen, schien es an der Zeit zu sein, das Genre an einer neuen Generation von Kinogängern auszuprobieren. In der Tat offenbart ein Vergleich mit den Filmen von damals, wie stark sich die Jugendkultur unter dem Einfluss des linkslibertären Weltbilds gewandelt hat. Während sich in "Scream" und seinen Nachfolgern bei aller zur Schau gestellten Vergnügungssucht durchaus noch bürgerliche Grundstrukturen erkennen ließen, beginnt bei "Bodies, Bodies Bodies" das Grauen schon vor der ersten Leiche – in Anbetracht ungepflegter und hässlicher Männer sowie ihrer durch peinvolle Piercings, katastrophale Klamotten und fassonlose Frisuren entstellten weiblichen Pendants. Sich selbst würden Sophia, Emma, Jordan und die anderen mit einer Vokabel, die im englischen Original häufig zu hören ist, wohl als "fucked up" bezeichnen. Moderat übersetzt: völlig durch den Wind. Dekadente Schokokuchen und rote Lolita-Lollis, Schnäpse und Marihuana, Exzess und Ekstase: die Verfalls- und Dekadenzsymptome, mit denen Halina Reijn ihr Porträt einer verlorenen Generation anreichert, machen die Exposition des Films zu einer Reise ins Herz der zeitgenössischen Finsternis und das selbstzerstörerische Massaker, in das alles mündet, zu einer gleichnishaften Prophezeiung zur Zukunft einer kranken Kultur.
Der fehlenden Originalität der Geschichte zum Trotz ist anzuerkennen: Der Transfer des "Teenie-Horrors" ins Regenbogenzeitalter ist gelungen!
Und wo wir die Generation "woke" schon mal am Schlawickel haben: Wo ist in der filmstarts-Kritik der männliche Plural in " Freund*innen"? Sollen hier Jungs diskriminiert werden?
Eine Kritik der film-o-meter-Redaktion