Auch sehr viel Geld macht noch lange keine guten Filme
Von Christoph PetersenDas erste Mal sorgte die Action-Komödie „Red Notice“ für Schlagzeilen, als im Februar 2018 ein groß angelegter Bieterwettstreit um das Projekt von Dwayne Johnson und seinem „Skyscraper“-Regisseur Rawson Marshall Thurber ausgefochten wurde. Der Zuschlag ging damals übrigens noch nicht an Netflix, sondern an die Hollywood-Studios Legendary Pictures und Universal. Erst eineinhalb Jahre später, als die Universal-Verantwortlichen mit dem finalen Drehbuchentwurf von Thurber haderten, nutzte der Streaming-Service die Chance und übernahm das Projekt, das damit zur bis dato teuersten Netflix-Filmproduktion überhaupt avancierte. Die ursprüngliche Prognose fürs Budget lag bei 160 – 200 Millionen Dollar, selbst wenn es am Ende wohl ein bisschen weniger war ...
… und natürlich wird „Red Notice“ auf Netflix ein Hit werden. Der Film verspricht kurzweilige Action-Unterhaltung mit drei der größten Stars des Planeten – selbstverständlich gucken da alle mit einem Abo zumindest mal rein. Aber die Universal-Entscheider haben dennoch Recht behalten: Das Skript von „Red Notice“ ist nämlich eine mittelschwere Katastrophe! Thurber schmeißt zwar Elemente aus Hits wie „Ocean’s Eleven“, „Indiana Jones“ und „James Bond“ zusammen, aber das Ergebnis ist weder clever noch spannend, sondern einfach nur vollkommen beliebig. Außerdem ist selbst die Action längst nicht so spektakulär, wie man es bei dem Budget eigentlich erwarten würde – was aber vielleicht auch gar nicht so sehr verwundert, wenn man bedenkt, dass allein der Regisseur und seine drei Stars zusammen 70 Millionen Dollar an Gage eingestrichen haben sollen.
Ryan Reynolds auch modisch auf den Spuren von Indiana Jones
In „Red Notice“ jagt die versammelte internationale Kunstraub-Elite drei goldenen Eiern hinterher, die Marcus Antonius einst seiner Geliebten Kleopatra zum Geschenk gemacht hat. In einem Museum in Rom verpasst der FBI-Profiler John Hartley (Dwayne Johnson) den weltweit gesuchten Meisterdieb Nolan Booth (Ryan Reynolds) zwar noch knapp, aber wenig später schnappen in dessen Versteck auf Mali trotzdem die Handschellen zu. Aber damit fängt der eigentliche Schlamassel erst an.
Ein weiterer geheimnisvoller Meisterdieb, der in der Szene nur als „Der Läufer“ bekannt ist und von dem niemand auch nur weiß, ob es sich um einen Mann, eine Frau oder gar ein Team handelt, sorgt nämlich dafür, dass alles so aussieht, als hätte der FBI-Agent das kurz nach seiner Sicherstellung schon wieder verschwundene Ei selbst geklaut. So finden sich John und Nolan plötzlich in derselben Gefängniszelle in irgendeinem Gulag irgendwo im eisigen Nirgendwo wieder. Nun müssen sie wohl oder übel zusammenarbeiten, um zu entkommen und den Bischof aufzuhalten, bevor dieser in den Besitz aller drei Eier gekommen ist…
„Red Notice“ ist einer dieser Filme, in dem sich sehr ausgefuchste Gauner*innen andauernd gegenseitig übers Ohr hauen. Aber im Gegensatz etwa zum ähnlich gelagerten „Zwei hinreißend verdorbene Schurken“ mit Steve Martin, Michael Caine und Glenne Headly sind die ständigen Trickbetrügereien in „Red Notice“ kein bisschen elegant, clever oder auch nur plausibel – und so wirken die Protagonist*innen dann auch nicht charmant, cool oder gar genial, sondern im Gegenteil eher wie ziemliche Nieten in ihrem Fach. Da hilft es auch nicht, wenn ständig wiederholt wird, dass es sich bei ihnen angeblich um die besten Kunstdieb*innen der Welt handeln soll. Selbst Matthias Schweighöfer als Super-Safeknacker Ludwig Dieter in der Netflix-Heist-Komödie „Army Of Thieves“ ist da deutlich glaubwürdiger.
Die Action-Setpieces sind abgesehen von einigen fragwürdigen Greenscreen-Effekten (etwa in einer Stierkampfarena mit CGI-Bulle) okay, aber auch nicht mehr – es gibt jedenfalls keine Sequenz, die einem in dieser Hinsicht über den Abspann hinaus in Erinnerung bleiben würde. Dasselbe gilt für die „Auflösung“: Obwohl die ganze Anlage des Films eigentlich nach spektakulären Wendungen verlangt, endet „Red Notice“ exakt so, wie man es erwartet – und die Rückblenden, mit denen der zentrale „Twist“ erklärt werden soll, erweisen sich deshalb auch als ebenso banal wie nichtssagend. Selbst wenn natürlich nicht jeder Film so genial enden kann wie ein „Der Clou“, sollte man zumindest eine kleine clevere Plotidee im Köcher haben, wenn man sich schon ausgerechnet ans Trickbetrüger*innen-Genre heranwagt.
Zumindest Gal Gadot hängt sich richtig rein.
Bleiben also nur noch die Stars, um den Unterhaltungswert über die Laufzeit von knapp zwei Stunden hinweg hochzuhalten: Während Dwayne Johnson („Jungle Cruise“) zumindest noch zehn Minuten lang versucht, den alles analysierenden FBI-Profiler zu verkörpern, bevor er doch wieder in seine typische Dwayne-Johnson-Persona zurückfällt, spielt Ryan Reynolds von Beginn an seinen üblichen, inzwischen schon ein wenig müffelnden „Deadpool“-Stiefel runter, selbst wenn das überhaupt nicht zu seiner Rolle passt. Allein Gal Gadot („Wonder Woman“) lässt sich tatsächlich auf das Genre ein und versucht ihren lange undurchsichtigen Part mit Eleganz und Cleverness aufzuladen – wird dabei aber sowohl von ihren Co-Stars als auch dem Skript gnadenlos im Stich gelassen.
Fazit: Das größte Problem von „Red Notice“ ist ein Skript, das scheinbar völlig wahllos aus Elementen diverser Vorbilder zusammengestückelt wurde. Klar gibt es die üblichen Twists und Wendungen, aber die sind hier dermaßen vorhersehbar, wenig clever und noch weniger plausibel, dass einem die wahren Intentionen der Beteiligten ohnehin schnell schnurzpiepegal sind. Kein Wunder, dass Dwayne Johnson und Ryan Reynolds schon nach wenigen Minuten einfach nur noch ihren üblichen Stiefel runterspielen – und so ganz allein gelassen hat dann auch die sich zumindest bemühende Gal Gadot keine echte Chance mehr.