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    Spoiler Alarm
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Spoiler Alarm

    Hier gehört es zum Programm, dass das Ende gleich am Anfang verraten wird

    Von Michael S. Bendix

    Nachdem der so unterhaltsame wie romantische „Bros“ – trotz Schiffbruch an den Kassen – den ersten Schritt gemacht hat, scheint die schwule romantische Komödie allmählich im Kino-Mainstream Fuß zu fassen. Schließlich startet mit dem neuen Film von Michael Showalter, der mit dem Überraschungserfolg „The Big Sick“ zuletzt auch schon der Culture-Clash-Komödie frischen Wind einhauchen konnte, nun direkt der nächste Anlauf, der „Bros“ zudem in Sachen Witz und Timing in nichts nachsteht. So könnte man eine Besprechung zu „Spoiler Alarm“ beginnen, wenn der Film nur aus der ersten Hälfte bestehen würde. Doch die kurzweilige Komödie wird irgendwann zur herzzerreißenden Tragödie – und das ist keinesfalls ein Spoiler, denn das kündigt der Film bereits in seiner ersten Szene selbst an.

    Das zugrundeliegende Buch geht sogar noch weiter und verrät die entscheidende Wendung schon auf dem Cover: „Spoiler Alert: The Hero Dies: A Memoir Of Love, Loss, And Other Four-Letter Words“, lautet der volle Titel der Memoiren von Michael Ausiello, auf denen der Film basiert. Ausiello ist ein Fernsehjournalist, der von 2000 bis 2008 für die Programmzeitschrift TV Guide über die amerikanische Serienlandschaft geschrieben hat – und diese Leidenschaft für schon einige Jahre vor dem Streaming-Boom erschienene TV-Serien und -Shows findet sich auch in seinem 2017 erschienenen Roman wieder. Darin erinnert sich Ausiello an seine 13 Beziehungs- und Ehejahre mit dem Fotografen Kit Cowan – vom Kennenlernen im Club hin zur tödlichen Krankheit, die ihrer gemeinsamen Zeit ein jähes Ende setzen wird.

    Nur weil Michael (Jim Parsons) sich einmal von seinem Schreibtisch loseisen konnte, trifft er im Club direkt auf seine große Liebe Kit (Ben Aldridge).

    Aber von vorn: Michael („The Big Bang Theory“-Sheldon Jim Parsons) hat nicht nur seine Passion zum Beruf gemacht, er ist darüber auch zum Workaholic geworden. Seine Abende verbringt er lieber allein im Büro als mit Freund*innen – und Kollege Nick (Jeffery Self) muss einiges an Überredungskunst auffahren, damit Michael mit in den Gay Club kommt, statt seinen jüngsten Artikel fertig zu schreiben. Obwohl er die Tanzfläche meidet, erringt Michael dort die Aufmerksamkeit des weitaus extrovertierteren Kit (Ben Aldridge).

    Trotz aller Unterschiede – oder gerade deshalb? – stimmt die Chemie auf Anhieb. Auf einen Flirt folgt eine Dinner-Verabredung – und dann geht diese an sich sehr gewöhnliche Beziehungsgeschichte ihren ebenso gewöhnlichen Lauf. Dass Kit sich noch nicht vor seinen Eltern geoutet hat, scheint zunächst die einzige Hürde zu sein, die die beiden noch zu überwinden haben. Doch zu diesem Zeitpunkt weiß zumindest das Publikum schon: Der Held wird sterben…

    Abtauchen in eine Sitcom-Welt

    Als RomCom ist „Spoiler Alarm“ vielleicht etwas zahmer geraten als „Bros“, trotzdem verstecken sich in diesem ersten Teil des Films die besten Szenen und Einfälle: Immer wieder stellt sich Michael, dem das Abtauchen in die eskapistische Welt der TV-Serien nach dem frühen Tod seiner Eltern auch als Bewältigungsstrategie diente, sein Leben wahlweise als Soap oder Sitcom vor. Mit den liebevollen Miniaturen, die der Regisseur daraus entwirft, kann der ebenfalls fernseherfahrene Michael Showalter noch am ehesten an den pastellfarbenen Detailreichtum seines Vorgängerfilms „The Eyes Of Tammy Faye“ (Oscar für Hauptdarstellerin Jessica Chastain) anknüpfen.

    Auch darüber hinaus gelingen ihm ein paar wunderbare Momente: Wenn Michael seinem Date zum ersten Mal einen Besuch in seinem Zuhause gestattet, das Publikum den Grund, aus dem er das Öffnen der Appartement-Tür auffällig lange hinauszögert, aber genauso wenig kennt wie der Gast, ist die komödiantische Spannungskurve perfekt – und damit auch die Enthüllung einer der besten Pointen des Filmjahres. Kits Weg hin zum überfälligen Outing vor seinen Eltern ist ebenfalls gesäumt von situationskomischen Kabinettstückchen: Nachdem er vor einem Elternbesuch sogar Michael engagiert, seine Wohnung von Hinweisen auf sein Schwulsein zu bereinigen, ist das Schlimmste zu befürchten – das überstürzte Coming-out verläuft dann aber doch ganz anders als erwartet und hat gar kathartische Qualitäten, was nicht zuletzt am warmen, lebendigen Spiel von Bill Irwin und Sally Field („Lieblingsfeinde – Eine Seifenoper“) liegt, die hier in ihrem Kino-Comeback zu sehen ist.

    Zunächst scheint das Outing von Kit vor seinen Eltern noch das eine große Hindernis für das Glück des Paares zu sein…

    Trotzdem ist „Spoiler Alarm“ gegenüber „The Eyes Of Tammy Faye“ ein ästhetischer Rückschritt. Der ideenarme Serien-Look mag sich aus der Fernseh-Begeisterung des Erzählers erklären, aber er betont zugleich auch die anderen Unzulänglichkeiten des Films. So ist das Protagonisten-Paar zwar sympathisch genug, damit wir mit ihm fühlen, doch vor allem Kit bleibt seltsam konturlos und undefiniert – und gerade angesichts des realen Hintergrunds fällt auf, wie wenig die Szenen ihrer Beziehung in einer spezifischen (Lebens-)Realität verankert sind. Selbst ihrer gemeinsamen Wohnung sieht man das Leben, das in ihr geführt wird, kaum an. Showalter liefert uns viele Gründe, seine Figuren zu mögen, aber nur wenige, uns wirklich für sie zu interessieren. Auch dahinter steckt in gewisser Weise Fernsehlogik: Denn viel braucht es nicht, um den Zuschauer*innen Tränen für eine sterbende Figur abzuringen – oft reicht es schon, dass sie bis dahin genug Zeit mit ihr verbracht haben.

    Nach dem lange angekündigten tonalen Bruch weiß „Spoiler Alert“ ähnlich gelagerten Filmen – von „Love Story“ (1970) bis hin zu „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“ (2014) – auf den ersten Blick kaum etwas hinzuzufügen: die Eltern, die Pragmatismus vortäuschen, aber hinter verschlossenen Türen weinen; Michael, der sich an jeden noch so unwahrscheinlichen Strohhalm klammert, während Kit der Wahrheit längst ins Auge blickt – kein Versatzstück, das einem nicht bekannt vorkommt. Um den Kontrast zwischen RomCom-Part und Sterbedrama nicht allzu stark erscheinen zu lassen, federt Showalter den Schrecken der Krankheit zudem mit Sitcom-Humor ab.

    Konsequent bis zum Schluss

    Aber vielleicht ist das Leben ja manchmal wirklich so formelhaft wie eine TV-Soap. Und anders als in den genannten Genre-Verwandten ist der Tod in „Spoiler Alarm“ nicht nur das zerstörerische Unbekannte, das ins Glück der Hauptfiguren eingreift: Die verheerende Nachricht von Kits Krebsdiagnose erreicht das Paar an einem Kipppunkt – nach mehreren Jahren Ehe haben sich Routine und Differenzen eingeschlichen, Kit hat eine Affäre mit einem Arbeitskollegen.

    Eine Paartherapie und getrennte Wohnungen sollen Abhilfe schaffen, können gegen die zunehmende Entfremdung aber wenig ausrichten. Mit der Krankheit spielt all das plötzlich keine Rolle mehr, die Liebe von Michael und Kit wird resettet. Auch hier gibt sich der Film Mühe, das Unerträgliche erträglich zu machen. Doch dass die Bedingung für einen Neuanfang sein Ablaufdatum ist – darin liegt tatsächlich eine tiefe Tragik, die auch der versöhnliche Voiceover nicht verdecken kann.

    Fazit: Halb RomCom in den Fußstapfen von „Bros“, halb Film übers Sterben: „Spoiler Alarm“ versucht sich an einem Balanceakt – und macht es sich dabei mitunter zu einfach. Trotz Drehbuchschwächen und Fernsehhaftigkeit überzeugt Michael Showalters Film mit der Leinwand-Rückkehr von Sally Field, auf den Punkt getimter Komik und einer bitteren Schlusskonsequenz.

     

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