Mein Konto
    Generation Wealth
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Generation Wealth

    Kardashian und Trump als (zu) einfache Ziele

    Von Lucas Barwenczik

    Als das Weiße Haus unlängst Vincent van Goghs Gemälde „Landschaft im Schnee“ als Leihgabe für die Privaträume des Präsidenten anforderte, bot das New Yorker Guggenheim-Museum stattdessen eine Toilette aus Gold an. 18 Karat, funktionsfähig. Das Kunstwerk des Italieners Maurizio Cattelan mit dem Titel „America“ soll als Metapher „für die Auswüchse des Wohlstands“ verstanden werden. Ein etwas müder Scherz mit simpler Botschaft - exzessiver Reichtum kann wahnsinnig vulgär wirken. Genau diesen Auswüchsen nimmt sich auch die amerikanische Fotografin und Filmemacherin Lauren Greenfield an. In „The Queen Of Versailles“ aus dem Jahr 2012 etwa begleitete sie ein Millionärspaar bei dem erfolglosen Bau einer lächerlich großen Villa. In ihrem dritten Langfilm „Generation Wealth“ erweitert sie ihren Blick. Doch beim Versuch, die menschliche Obsession mit Reichtum in all ihren Ausformungen vollständig zu überfassen, übernimmt sie sich.

    Den Rahmen für die lose Interview-Sammlung bietet die Ausstellung „Generation Wealth“, die Lauren im Jahr 2017 organisiert. Im gleichnamigen Film spricht sie mit vielen von den Menschen, die sie dafür fotografiert. Das sind unter anderem ein gescheiterter Börsenspekulant, eine Kinder-Schönheitskönigin, eine Hedgefonds-Managerin, einen ehemaligen Rapper und eine Pornodarstellerin. Zusammen sollen ihre Geschichten von der Beziehung zwischen Geld und Glück erzählen. Von der unstillbaren menschlichen Gier nach Jugend, Schönheit und Wohlstand. Gleichzeitig diskutiert die Regisseurin mit ihrer eigenen Familie. Ist sie in ihrer Strebsamkeit als Künstlerin letztendlich nicht genauso wie die Menschen, die in ihrer Ausstellung zu sehen sind?

    Der Film will persönliche Werkschau, Selbstreflexion, Konsumkritik und ein Porträt der zeitgenössischen USA in einem sein. Leider ergänzen sich diese verschiedenen Stoßrichtungen nur selten. Die Struktur der Dokumentation ist zerfahren und sprunghaft. Fast chaotisch. Was in Ausstellungsräumen, in denen die Besucher Schwerpunkte selbst setzten können, noch funktionieren mag, erweckt auf der Leinwand oft ein Gefühl von Willkür. Es reicht nicht, thematisch ähnliche Motive nebeneinanderzustellen, man muss sie auch verbinden. Lauren Greenfields Voiceover vermag das nicht.

    Sie wiederholt eigentlich immer nur das Offensichtliche: Ja, das Amerika, welches sie zeigt, ist wirklich dekadent. Ihre Protagonisten sind allesamt unglücklich und einsam. Model-Wettbewerbe mit Kindern, dutzendfache Schönheitsoperationen, Reality-TV, gewaltige Bordelle und Strip-Clubs, obszön zur Schau gestellter Wohlstand – diese Dinge gehören zu den unangenehmeren Seiten der Vereinigten Staaten. Doch diese Feststellung ist banal, wahrscheinlich würde ihr in diesen Fällen kaum jemand widersprechen. Greenfield wählt (zu) einfache Ziele. Kim Kardashian zum Beispiel. Oder Donald Trump. Und weil die Menschen und ihre Umgebung meist wirklich deprimierend, protzig und kitschig sind, begreift auch noch der Unaufmerksamste, dass der Film sie ablehnt.

    Der Zuschauer soll sich empören. Für mehr reicht es bei ihrer Analyse nur selten. Will man die Argumentation des fast zweistündigen Films auf einen gemeinsamen Nenner bringen, reichen einige Sätze: Amerika ist im Abstieg befindlich. Einmal mehr wird der historische Vergleich zum römischen Reich in seinen letzten Atemzügen bemüht. Ein entfesselter Raubtierkapitalismus entfremdet den Menschen von sich selbst. Während frühere Generationen sich mit ehrlicher Arbeit ein solides Leben erarbeitet haben, wollen die Menschen heute schnellstmöglich zum maximalen Reichtum. Schuld daran sind Werbung und die Unterhaltungsindustrie, die allen ein Leben versprechen, dass es immer nur für einige Wenige geben kann. Dadurch verlieren die Menschen das Wesentliche – Freundschaft, Familie, kleine Freuden – aus den Augen und werden unglücklich.

    Als Stimme der Vernunft und intellektueller Kern des Films wird der Journalist und Autor Chris Hedges vor eine Bücherwand gesetzt. Er darf Sätze sagen wie: „Am Ende einer verrotteten Kultur ziehen wir uns in unsere eigenen tröstlichen Illusionen zurück.“ Seine Gegenwart soll den Eindruck erwecken, der Film hätte für diese politischen Argumentationen einen theoretischen Unterbau. Doch auch wenn immer mal wieder ein wenig Wikipedia-Wissen und Archivmaterial eingespielt werden, ist der Film als Essay wenig überzeugend. Über eine simple Konsumkritik kommt er nicht hinaus. Die Menschen sollen den Schmuck, die Yachten und Villen, die Prominenz und die ewige Jugend nicht wollen. Ihre Sehnsüchte werden als fehlgeleitet gezeigt.

    Als Gegenmodell bietet der Film ein einfaches, genügsames Leben an. Nach einer immer schnelleren Montage von hässlichen Bildern zu düsterer Musik wird plötzlich auf eine ganz harmonische Szene geschnitten: Ein Vater mit seinem Sohn auf einem Fischerboot in Island. Die Europäer – die besseren Amerikaner? Plötzlich tönt es glücklich vom Soundtrack. Zu inspirierenden Klängen finden all die vorher so traurigen Protagonisten zu ihren Familien zurück und erfahren die Erfüllung im Kreis ihrer Liebsten. Eine viel zu einfache und wahnsinnig naive „Lösung“ der vorher beschriebenen Probleme.

    Das Politische wird gänzlich ins Private verschoben. Warum werden beispielsweise Präsident Ronald Reagan und seine Steuersenkungen für die reichsten Amerikaner überhaupt erwähnt, wenn sie am Ende keine Rolle spielen? Greenfields Ansatz kann nicht erklären, woher die menschlichen Bedürfnisse kommen. Sind sie Teil der menschlichen Natur oder werden sie erst befeuert? Und wenn ein genügsames Leben so glücklich macht, warum reicht es dann so vielen Menschen nicht?

    Die Selbstreflexion der Regisseurin läuft an all diesen Themen komplett vorbei, als hätte man in eine fertige Dokumentation noch einen Kurzfilm hineingeschnitten. Das Familienleben mit Kind und Ehemann ist manchmal anrührend, gelegentlich allerdings auch fast eitel. Wer aus einem Porträt ein Selfie macht, verdeckt einen Teil des Gesamtbildes mit sich selbst.

    Fazit: „Generation Wealth“ ist ein schlecht strukturierter Dokumentarfilm, der eine viel zu oberflächliche Analyse seines Themas bietet. Es gibt durchaus interessante Momente und Bilder, doch sie gehen in der Masse von Eindrücken unter. Das Ergebnis ist ein Film über Exzess, der am eigenen Überfluss scheitert.

    Möchtest Du weitere Kritiken ansehen?
    Das könnte dich auch interessieren
    Back to Top