Ein Schwedenkrimi für die Kleinen
Von Lucas BarwenczikSchwedische Kriminalromane sind selten besonders familienfreundlich: Lange Winter ohne Sonne, isolierte Einzelgänger, große Mengen von Blut im ewigen Schnee. Die Bücher von Stieg Larsson, Henning Mankell, Håkan Nesser und Co. wirken oft, als wäre ihr Genre ein großer Wettbewerb darum, wer den grausamsten Mord erdenken kann und dabei die niedersten menschlichen Abgründe als Motiv mitliefert. Die Schwedenkrimis ihres Kollegen Ulf Nilsson sind eindeutig anders: In der „Kommissar Gordon“-Reihe lösen die alternde Kröte Gordon und die junge Maus Buffy gemeinsam eher harmlose Fälle. Der Animationsfilm „Kommissar Gordon & Buffy“ von Regisseurin Linda Hambäck verbindet nun die zwei Bücherbände „Der erste Fall“ und „Doch noch ein Fall!“ zu einem Kinoabenteuer vor allem für die ganz kleinen Kinozuschauer.
In der ersten Hälfte lernen die Hauptfiguren einander kennen. Dem Eichhörnchen Waldemar wurde fast der gesamte Vorrat für den Winter gestohlen. Während der Ermittlungen wird Kommissar Gordon eingeschneit und von einer jungen Maus befreit, die sich hungrig an einer der verbliebenen Nüsse gütlich tut. Statt sie für diesen Mundraub zu verhaften, bietet er ihr eine Stelle an: Sie wird seine Assistentin. Außerdem gibt er ihr den Namen Buffy. Schnell werden beide ein eingespieltes Team. In der zweiten Hälfte geht Gordon in den Ruhestand und erklärt Buffy zur neuen Kommissarin. Ihr erster eigener Fall kommt sofort: Zwei Vorschulkinder sind verschwunden. Hauptverdächtiger ist der furchterregende Fuchs...
Durch die klar getrennten Episoden wirkt der Film, als hätte man einfach zwei Folgen einer Fernsehserie zusammengelegt. Lediglich ein kurzes Zwischenstück mit einigen Montagen und einem Jahreszeitenwechsel verbindet sie. Eine der einfachen Kindergeschichten allein hätte wohl kaum einen Spielfilm füllen können, auch im Doppelpack ergeben sie lediglich eine Laufzeit von etwas mehr als 60 Minuten. Das entspricht in etwa der Länge von „Dumbo“ und sollte auch junge oder wenig aufmerksame Kinder nicht überfordern. Auf elaborierte Gefechte oder Verfolgungsjagden wie in einem Disney- oder Dreamworks-Film wird ebenfalls verzichtet.
Das wäre eigentlich zu begrüßen, vielleicht als Gegengift zu der allgegenwärtigen Hektik im zeitgenössischen Animationskino. Es muss ja nicht immer das Dauerfeuer von zum Beispiel „The LEGO Movie“ sein. Ruhe und Gelassenheit müssen ihren Platz im Kino haben. Leider lädt der Film selten dazu ein, einzelne Momente oder Bilder voll auszukosten. Die Animationen sind betont schlicht gehalten, ohne dabei jedoch dieselbe Wärme und denselben Charme wie die Buchillustrationen von Gitte Spee auszustrahlen. Die Figuren sind wenig expressiv, Minenspiel und Gestik sind für Zeichnungen merkwürdig zurückhaltend.
Die Tiere bewegen sich durch weitestgehend statische Hintergründe. Gelegentlich schwingt jenseits des Fokus das Pendel einer Uhr oder vor dem Fenster rieselt sanft der Schnee, meist bleibt die Welt leblos. Es fehlt an Details und an der Unordnung des Lebens. Licht und Schatten werden nur selten gezielt eingesetzt – meist sind Objekte, Räume und Landschaften gleichförmig ausgeleuchtet, wie in einem Supermarkt. Alles wirkt flach und gleichförmig. Die Kinderbuchseiten werden nur ein wenig in Bewegung versetzt. Regie geführt – im Sinne von einer klaren Entscheidung für bestimmte Blickwinkel oder originellem visuellem Erzählen – wird eigentlich nicht. Die Figuren umgibt ein sanftes Schimmern, was die Trennung zwischen ihnen und der Umgebung noch einmal betont.
Die Dynamik zwischen Gordon und Buffy entspricht in der Vorlage ungefähr der zwischen Eltern und Kind, zwischen älterem Vorleser und jungem Zuhörer. Entspannte Routine trifft auf kindliche Entdeckungslust, die Weisheit der Erfahrung auf Wissbegierde. Komplexer werden die Figuren des Films nicht, aber ihr Aufeinanderprallen bringt zumindest sympathische Momente hervor: Dann will etwa Buffy einen Plan sofort in die Tat umsetzten, während Gordon erst einmal einen Keks braucht.
Natürlich ist es auch die Beziehung zwischen Polizei-Neuling und dem Veteranen kurz vor dem Ruhestand. „Langsam werde ich zu alt hierfür.“, erklärt die Kröte. Auch die Kinder-Version übernimmt viele Konventionen des Krimi-Genres. Es gibt eine Trainingsmontage, Zeugen werden verhört, alte Polizisten müssen aus dem Ruhestand zurückkehren. In einer der kuriosesten Szenen erinnert sich Gordon an eine Begegnung mit dem Fuchs, eine merkwürdige Flashback-Sequenz, die sich nicht lückenlos in den Film fügt. Die Fälle selbst sind sehr schlicht und ermutigen nicht unbedingt zum Miträtseln. Dafür gibt es zu wenig Spuren, manche Täter wurden gar vorher nie vorgestellt.
„Ich wünschte es gäbe gar keine Verbrechen und keine Bestrafung.“, verkündet Gordon einmal. Die Filmwelt fügt sich seinem Wunsch. Streng genommen gibt es in ihr keine wirklichen Verbrecher, sondern immer nur Fehlgeleitete und unfair Verdächtigte. Die Botschaft des Films ist eine der Toleranz. Wie in vielen der modernen Tierfabeln, die auch heute noch in Form von zum Beispiel „Zoomania“ oder „Isle of Dogs“ die Kinos füllen, geht es darum, dem Fremden und Anderen unvoreingenommen zu begegnen. Ob und wieso der ach so böse Fuchs gefährlich ist, kann man sich eigentlich schon bei seiner ersten Erwähnung denken. Doch vielen vergleichbaren Filmen nimmt man ihren (durch Tiere gefilterten) Humanismus eher ab, weil er vor wirkliche Prüfungen gestellt wird. „Kommissar Gordon und Buffy“ macht es sich oft (selbst für eine Kindergeschichte) sehr leicht. Alles fügt sich ein wenig zu widerstandslos. „Nett sein ist erlaubt und gemein sein ist gegen das Gesetz.“, erklärt Gordon die einzige Regel des Waldes. Es gibt schlimmere Botschaften, aber die Komplexitäten und Grauzonen, die es etwa bei vergleichbaren Filmen von Studio Laika oder Ghibli zu sehen gibt, sind dennoch ungleich interessanter.
Fazit: Wer seine Kinder einfach nur 60 Minuten lang mit altersgerechten bunten Lichtern beschäftigen will, der kann gerne „Kommissar Gordon & Buffy“ auswählen. Es ist ein taktvoll zurückhaltender Film, der nie vulgär oder auffällig wird. Wer seinen Kindern (und sich) mehr zutraut oder sogar glaubt, dass ein guter Film und ein guter Kinderfilm dasselbe sind, der greift besser zu den vielen interessanteren Alternativen.