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    Bigger - Die Joe Weider Story
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Bigger - Die Joe Weider Story

    Der Entdecker von Arnold Schwarzeneger

    Von Oliver Kube

    Wer an Bodybuilding und Kraftsport denkt, der kommt an Arnold Schwarzenegger kaum vorbei, oder? Und tatsächlich kommt „Die österreichische Eiche“ auch in diesem Film über die Entstehung des Fitness-Booms vor, allerdings nur als Nebenfigur. Denn es geht in George Gallos streckenweise fiktionalisiertem Biopic hauptsächlich um Joe Weider. „Joe Wer?“ werden sich die meisten allenfalls peripher mit der Materie vertrauten Filmfans jetzt denken. Weider und sein Bruder Ben waren die Masterminds hinter einigen bis heute von Millionen Menschen auf der ganzen Welt gelesenen Magazinen wie „Muscle & Fitness“, „Men’s Fitness“ oder „Shape“. Außerdem waren sie die Initiatoren der „Mr. Olympia“-Wettbewerbe und zählten zu den ersten Herstellern von Nahrungsergänzungsmitteln zum Muskelaufbau. „Bigger“ schildert, wie das Duo – vor allem dank Joes Ehrgeiz und Vision – nicht nur zu extrem erfolgreichen Geschäftsmännern avancierte, sondern vielen Menschen ein neues Verhältnis zu ihrem Körper gab. Das kontroverse Thema Steroide fällt in dem nostalgisch-leichten Drama dabei hingegen komplett unter den Tisch.

    Montreal in den frühen 1930ern: Joe und Ben Weider wachsen in einfachsten Verhältnissen auf. Wegen ihres jüdischen Glaubens müssen sie immer wieder Diskriminierung und Misshandlungen ertragen. Ihre größte Freude im Leben ist es, sich in den Zirkus zu schleichen und den dort auftretenden Muskelmännern zuzuschauen. Gerade für Joe (Tyler Hoechlin) wird aus der Vorstellung vom „perfekten Körper“ eine lebenslange Obsession. Als einer der ersten Bodybuilder trainiert er selbst wie verrückt, will aber auch andere inspirieren, mehr auf ihre Gesundheit zu achten. Deshalb gründet er eine Zeitschrift voller Fotos, Ernährungstipps und Trainingsplänen. Zur Seite stehen ihm dabei sein Bruder (Aneurin Barnard) und seine Frau, das populäre Pin-up-Girl Betty (Julianne Hough). Das Heft ist ein Erfolg, was dem rassistischen, brutalen Verleger eines Konkurrenzblattes (Kevin Durand) überhaupt nicht passt. Dieser setzt alles daran, die Weiders in den Ruin zu treiben. Als es fast soweit ist, begegnet Joe einem jungen, spektakulär gebauten Athleten aus Österreich (Calum Von Moger)…

    Joes Kindheit in den 1920ern war grau und eher freudlos. Das illustriert der Film gleich mit einem Flashback zu seiner Geburt, bei der die hartherzige Mutter (Nadine Lewington) aus Enttäuschung einen Schreikrampf bekommt. Der Grund: Bei dem Baby handelt es sich nicht um die von ihr gewünschte und erwartete Tochter. Joes passiver Vater (Steve Guttenberg, „Police Academy“) ist während der von Armut und Gewalt geprägten Adoleszenz keine Hilfe für den Jungen. Dessen einziges Glück ist, dass er noch einen kleinen Bruder bekommt, der sein bester Freund wird und mit dem er in den dreckigen Straßen von Montreal spielen kann. Joe und Ben teilen sich die Schläge brüderlich, die sie beinahe täglich nicht nur von ihrer Mutter, sondern obendrein von anderen Kids einstecken müssen, die sie nur deshalb hassen, weil sie Juden sind. Es wird glaubhaft gezeigt, wie zwischen ihnen ein lebenslanges Band entsteht, das auf Vertrauen, Loyalität und Liebe fußt.

    Ihre früh entdeckte Vorliebe für Muskeln und Fitness bestimmt ihr weiteres Leben. Besonders Joe, der sogar seine komplette Freizeit damit verbringt, Zeichnungen des seiner Meinung nach perfekten männlichen Körpers anzufertigen und den viele seiner Mitmenschen deshalb für homosexuell halten, ist wie besessen von der Idee. Er lässt sich auch durch diverse Rückschläge, finanzielle Engpässe sowie ihm von Dritten in den Weg gelegten Steinen nicht aus der Bahn werfen. Tyler Hoechlins („Everybody Wants Some!!“) stoische Darstellung passt exzellent zu seiner sturen, ergebnisorientierten Figur. Immer wieder macht der Film dabei die Religion der Weiders zum Thema. Der Diner-Besitzer, für den Joe als junger Mann arbeitet, sagt ihm ganz offen: „Es gibt nur eines, was schlimmer ist als ein Jude – ein Schwuler. Das allerschlimmste auf der Welt ist allerdings ein schwuler Jude.“ Das ist schon arg dick aufgetragen, wirkt im hier präsentierten historischen Rahmen aber authentisch. Joes Hauptwidersacher, der von Kevin Durand („Robin Hood“) gespielte Verleger eines Konkurrenzheftes, ist hingegen eine komplette Karikatur. Garantiert hatten die Weiders Mitbewerber, die nicht unbedingt gut auf sie und ihren Erfolg zu sprechen waren. Doch Bill Hauk ist ein Bösewicht, der so überzogen fies, hinterhältig und abstoßend ist, dass er erst vom Drehbuch erfunden werden musste.

    Joes Auftreten mag ein wenig stoffelig wirken. Er ist zudem längst nicht so intelligent und empathisch wie der von Aneurin Barnard („Dunkirk“) verkörperte Ben. Aber der Charakter stellt alles dar, womit sich Fans von Filmen, in denen sich der „Kleine Mann“ gegen unüberwindbar erscheinende Hindernisse durchsetzt, um seinen Traum zu erfüllen, identifizieren wollen. Die Hauptfigur ist allerdings so absolut rechtschaffend und dabei ehrgeizig, dass sie immer hart an der Grenze zum Klischee entlangschliddert. Eine an eine Light-Version der TV-Serie „Mad Men“ erinnernde Szene, in der Joe seinem Marketing-Team sagt, sie mögen Gelder von Zigaretten- oder Whisky-Herstellern strikt ablehnen, obwohl ausgerechnet deren Werbung das Überleben des Magazins und damit seines Unternehmens sichern würden, soll zeigen, wie wichtig ihm seine Ideale sind. Ja, wir haben es kapiert – Joe ist integer!

    Die feine Klinge kommt auch bei den visuellen Aspekten von „Bigger“ nicht wirklich zum Zuge. Die Set-Dekoration der speziell in den 30ern, 40ern und 70ern spielenden Szenen ist oft stark überfrachtet und wirkt deshalb sehr kitschig. Trotzdem wird der Zuschauer mittels des so generierten Nostalgiefaktors schnell in Joes einfach gestrickte Welt hineingezogen. Weniger gelungen sind in der Original-Sprachfassung dagegen die aufdringlichen, überzogenen Akzente – sowohl bei den kanadischen als auch bei den US-amerikanischen Charakteren. Als dann noch die Schwarzenegger-Figur mit seiner von dem australischen Kraftsportler und Schauspiel-Novizen Calum Von Moger erstaunlich authentisch präsentierten, eigenwilligen Interpretation der englischen Sprache dazu kommt, gleitet das Ganze etwas in Richtung Schmierentheater ab.

    In eine ähnliche Kerbe haut die Figur von Joes Freundin. Betty ist viel zu perfekt und fehlerfrei, um wirklich realistisch zu wirken. Nicht nur ist sie das 1950er-Equivalent eines Supermodels, sie ist zudem hochintelligent, charmant, patent und absolut loyal. Als Joe mit der für damalige Zeiten nahezu unvorstellbaren Summe von einer Million Dollar in der Kreide steht, bleibt Betty natürlich an der Seite ihres Mannes. Anstatt wie all seine Freunde und Angestellten das sinkende Schiff zu verlassen, ermutigt sie ihn tapfer weiterzumachen. Und was passiert in der Regel in solchen, im Prinzip hoffnungs- und aussichtslosen Situationen bei Filmen, die ihrem Publikum eine heile, gerechte Welt präsentieren wollen? Genau, der gute alte, seit den Theaterstücken der Antike bewährte Deus ex machina verhilft dem tragischen Helden so unerwartet wie durchschlagend doch noch zu einem Comeback. Hier ist der „Maschinengott“ ein österreichisches Bodybuilding-Talent namens Arnold, das von Joe entdeckt wird, weil es komplett den von ihm Jahrzehnte zuvor angefertigten Zeichnungen entspricht…

    Neben all der Dramatik gibt es auch einige leichtere Momente. Etwa als der aufstrebende Jungunternehmer zum ersten Mal seinem New Yorker Geldgeber Roy Hawkins (Tom Arnold, „True Lies“) begegnet. Hawkins‘ ermöglicht Joe mit seinem Einstieg alles, wovon er geträumt hat. Der ist allerdings viel zu irritiert vom exzessiven Tabak- und Alkoholkonsum seines Gegenübers, um sich darüber freuen zu können. Hals über Kopf verlässt er das verräucherte Büro, um auf dem Bürgersteig vor dem Gebäude spontan ein paar Liegestütze zu machen. Ebenfalls für ein Schmunzeln sorgt der Augenblick, in dem Betty den Protagonisten anfleht, mit ihr nur einmal über etwas anderes zu reden als über Bodybuilding und sein Magazin. Woraufhin Joe umgehend beginnt, ganz klinisch die sexuelle Performance seiner Lebensgefährtin zu analysieren, bis sie die Nerven verliert und aus dem gemeinsamen Bett springt.

    Leider sind derart erfrischende Einschübe selten. Immer wieder kommt das Gefühl auf, dass lediglich die biografischen Punkte im Leben von Weider einer nach dem anderen abgehakt werden. Offenbar bemerkten die Filmemacher den Missstand selbst und bauten deshalb eine Rahmenhandlung um die Grundstory herum. In ihr spricht der fast 90-jährige Joe (jetzt Robert Forster, „Jackie Brown“) am Tag der Beerdigung seines Bruders mit einem Journalisten (DJ Qualls, „Z Nation“) über ihr gemeinsames Leben. Der Kunstgriff funktioniert aber nicht, da der Rest der Handlung für diese unmotiviert in die Hauptstory eingewobenen Sequenzen keinerlei Relevanz hat.

    Apropos Ben: Vom alten Joe wird in Nebensätzen erwähnt, dass Ben – neben seiner Tätigkeit als Kompagnon seines Bruders – 1984 für den Friedensnobelpreis nominiert war. Zuvor kämpfte er als freiwilliger Infanterist im Zweiten Weltkrieg. Außerdem trug Ben Weider mit privaten Nachforschungen und Schriften maßgeblich zur Etablierung der Theorie bei, Napoléon Bonaparte sei nicht an Krebs verstorben, sondern vergiftet worden. Ein Skript, das tatsächlich beide Weiders gleichberechtigt beleuchtet, wäre wohl vielschichtiger und weniger glatt ausgefallen, als dieses, das sich fast ausschließlich um Joe dreht. Der daraus resultierende Film hätte hingegen natürlich keine pure Vom-Tellerwäscher-zum-Millionär-Geschichte ergeben, wie sie gerade beim amerikanischen Publikum so beliebt ist.

    Fazit: Bei diesem allzu glattgebügelten Bio-Pic über den Pionier der Fitness- und Bodybuilder-Bewegung halten sich Licht und Schatten in etwa die Waage.

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